[Debatte] Welche Rolle werden Museen in Zukunft in unserer Gesellschaft einnehmen? Sind die Ziele, die sich die Kulturinstitutionen selbst für ihre zukünftige Entwicklung setzen, überhaupt vereinbar mit den Erwartungen und Anforderungen, die seitens ihrer Zielgruppen an sie gestellt werden? Oder werden Museen sogar in Zukunft damit kämpfen müssen, wie sie gesellschaftlich, sozial und vielleicht auch politisch relevant werden – oder es bleiben können? Die Rolle, die Museen zukünftig einnehmen, wird in jedem Fall davon bestimmt werden, wie sie sich auf die rasanten gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen einstellen. Die Aussichten sind gut, wenn Museen sich zu flexiblen, inklusiven und interaktiven Institutionen weiterentwickeln, die aktuelle Themen aufgreifen, neue Technologien einsetzen und das Publikum im Rahmen von Audience Development auf innovative Weise mit einbeziehen.
Auf Inklusion und Diversität ausgerichtetes Audience Development
Eine immer wichtigere Rolle spielt die Fähigkeit, eine diverse und zunehmend globalisierte Gesellschaft anzusprechen. Inklusion und Diversität werden zu Schlüsselthemen für Museen, um gesellschaftlich relevant zu bleiben. Die Kulturinstitutionen sollten sich damit auseinandersetzen, wie sie unterschiedliche kulturelle und soziale Perspektiven repräsentieren und dabei auch Geschichten von Minderheiten und marginalisierten Gruppen sichtbar machen können. Dabei geht es nicht nur darum, ein breiteres Publikum zu erreichen, sondern auch darum, das Museum als Spiegelbild der Gesellschaft zu verstehen. Eine Kulturinstitution die es schafft, verschiedene Identitäten und Perspektiven in ihren Angeboten und Programmen zu integrieren, kann von mehr Zielgruppen positiv wahrgenommen werden. Denn wenn Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten dazu eingeladen werden, sich für die ausgestellten Inhalte zu interessieren und sich vielleicht damit sogar zu identifizieren, kann eine tiefere Verbindung zu den gezeigten Themen aufgebaut werden.
Zusätzlich müssen Museen barrierefreie Angebote bieten, sowohl vor Ort als auch im digitalen Raum. Denn Menschen mit Behinderungen oder unterschiedlichen sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten haben einen Anspruch darauf, Zugang zu den Inhalten und Angeboten des Museums zu erhalten. Dies kann beispielsweise die Integration taktiler Elemente für sehbehinderte Menschen beinhalten, oder die Bereitstellung von Audioguides und Beschriftungen in verschiedenen Sprachen sowie Angebote in Gebärdensprache. Barrierefreiheit sollte dabei nicht nur eine ethische Verpflichtung sein; Museen müssen bedenken, dass bei der Zugänglichkeit ihrer Angebote oft auch eine rechtliche Verpflichtung besteht.
Zudem sollten Museen stärker auf Partizipation und Co-Kreation setzen, statt nach dem Sender-Empfänger-Modell ausschließlich kuratiertes Wissen an passive Zielgruppen zu vermitteln. Das Museumspublikum kann dabei auch als aktiver Mitgestalter mit einbezogen werden, etwa mit partizipativen Formaten, die es Zielgruppen ermöglichen, sich am kuratorischen Prozess zu beteiligen, was wiederum der Schlüssel zu einer stärkeren Bindung und Identifikation mit dem Museum sein kann. Dies kann durch gemeinschaftliche kreative Projekte geschehen, bei denen das Publikum seine eigenen Perspektiven, Geschichten und Ideen einbringt. Das kann aber auch über digitale Plattformen erfolgen, die es ermöglichen, Feedback in Echtzeit zu sammeln und in Ausstellungen und Vermittlungsangebote zu integrieren. Durch solche partizipativen Ansätze können Museen zu dynamischen Orten des Austauschs werden, bei denen das Publikum nicht nur Rezipient, sondern auch Mit-Gestalter von Wissen ist.
Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen
Wenn Museen ihre gesellschaftlich relevante Funktion unterstreichen wollen, kann es von Bedeutung sein, aktuelle Fragen und Probleme in Ausstellungen und Begleitprogrammen aufzugreifen, etwa das Thema Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Globalisierung, Geschlechter-Gerechtigkeit, gesellschaftliche Konflikte, popkulturelle Phänomene oder die digitale Transformation. Museen können sich so auch inhaltlich und vermittelnd an öffentlichen Debatten beteiligen und sich als Orte des Austauschs etablieren, an denen gemeinsam über aktuelle Themen diskutiert werden kann, wie etwa zum Internationalen Museumstag 2023, als acht deutsche Museen mit den Aktivisten der Letzten Generation kooperierten, um zum Thema Nachhaltigkeit ins Gespräch zu kommen.
Für viele Museen ist in diesem Kontext auch die selbstkritische Auseinandersetzung mit der Provenienz ihrer Bestände von zentraler Bedeutung, ebenso wie die Prüfung möglicher Restitutionen an die Ursprungsländer und -kulturen von Sammlungsobjekten. Eine transparente und lösungsorientierte Aufarbeitung dieser Themen kann letztendlich auch dazu beitragen, das gesellschaftliche Vertrauen in Museen zu stärken und sie als verantwortungsvolle Institutionen zu positionieren.
Digitalisierung und interaktive Erlebnisse
Zunehmend wächst die Erwartung an Museen, in der Umsetzung von Ausstellungen und Vermittlungsangeboten auch auf digitale Formate und neue Technologien zu setzen. Von Virtual Reality (VR) über Augmented Reality (AR) bis hin zum Einsatz von künstliche Intelligenz (KI) und immersiven Erlebnissen – Museen stehen heute diverse Möglichkeiten zur Verfügung, die Besuchenden auf eine neue Art in historische, künstlerische und (natur-)wissenschaftliche Szenarien eintauchen zu lassen und vielleicht sogar eine personalisierte, interaktive Reise durch das Museum zu erleben.
Es könnten Museumsführungen per Roboter angeboten werden, Gamification-Elemente könnten vor Ort im Museum oder auch online zur spielerischen Auseinandersetzung mit diversen Themen anregen, und in der digitalen Präsenz eröffnen sich für Museen völlig neue Möglichkeiten, Menschen weltweit zu erreichen, etwa mit Online-Ausstellungen und virtuellen Rundgängen. Ergänzend ermöglicht die Bereitstellung von Online-Sammlungen die Auseinandersetzung mit Objekten, die im Museum vor Ort nicht zugänglich sind. So können Museen zu hybriden Orten werden, die Angebote vor Ort und im digitalen Raum miteinander kombinieren.
Rückbesinnung auf analoge Ausstellungskonzepte
Museen sollten sich aber nicht zu rein Technologie-orientierten Institutionen wandeln, sondern auch darüber nachdenken, wie sie ihre analoge Ausstellungsgestaltung innovativ gestalten können. Denn während Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality und digitale Interaktivität wichtige Erweiterungen des Museumsbesuchs darstellen können, ist es ebenso wertvoll, Ausstellungs- und Vermittlungsangebote vor Ort zu bieten, die sich mit allen Sinnen erfassen lassen. Analoge Ausstellungen bieten dabei den Vorteil, eine unmittelbare körperliche und sinnliche Erfahrung zu erleben, die durch digitale Medien oft nur eingeschränkt oder nicht möglich ist.
Dabei geht es nicht um eine vermeintliche „Aura des Originals“, sondern darum, Ausstellungsobjekte auch in einem direkten räumlichen Kontext optimal entdecken zu können. Damit dies gelingt, sollten Museen auf eine gut durchdachte Szenografie setzen mit angemessener Beleuchtungstechnik, einer stimmungsvollen Raumgestaltung mit Verweilmöglichkeiten und einem Vermittlungskonzept, das nicht nur zur reflektierten Auseinandersetzung mit den Werken anregt, sondern vielleicht auch zur Entspannung und Entschleunigung einlädt.
Header-Bild: Angelika Schoder – Friedrichswerdersche Kirche, Berlin 2024
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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