Hello, Robot: Design zwischen Mensch und Maschine

Das Vitra Design Museum zeigt in seiner aktuellen Ausstellung „Hello, Robot“, wie die Maschinen bereits heute schon unser Leben beherrschen.

Das Vitra Design Museum zeigt in seiner aktuellen Ausstellung "Hello, Robot" wie die Maschinen bereits heute schon unser Leben beherrschen.

[Rezension] In Filmen, Serien und in der Literatur begegnen uns Roboter schon seit vielen Dekaden. Mittlerweile ist die Fiktion zur Realität geworden; die Robotik hat längst Einzug in unseren Alltag gehalten. Militärische Drohnen in Kriegsgebieten, Sensoren im privaten Haushalt, automatisierte Produktionsprozesse in der Industrie – Roboter haben heute viele Gesichter. Noch erinnert keines davon an Mr Data aus Star Trek, an C-3PO aus Star Wars oder an RoboCop – das ist vielleicht aber nur eine Frage der Zeit?


„Kein Mensch und keine digitale Maschine können […] präzise vorhersagen, wie unsere Welt in 20 Jahren funktionieren wird. Klar ist nur, dass Roboter darin die Hauptrolle spielen werden.“

Christoph Thun-Hohenstein

Was ist ein Roboter?

Das Wort Roboter wurde 1920 vom tschechischen Schriftsteller Josef Čapek geprägt. Inspiriert wurde er dazu durch das Theaterstück „R.U.R. – Rossum’s Universal Robots“ seines Bruders Karel Čapek, in dem eine mechanische Arbeiterklasse sich zunächst gegen ihre Herren – die Menschen – auflehnt und sie schließlich auslöscht. Mit seinem Werk griff Čapek das Motiv des Golems auf, wobei man seine künstlichen Menschen mittlerweile genauer als Androiden bezeichnen würde. Vor der Etablierung des Wortes Roboter wurden solche Maschinen Automaten oder Halbautomaten genannt.

Eigentlich braucht ein Roboter nur drei Komponenten, um zu funktionieren: Sensoren, also Messgeräte; Intelligenz, das heißt eine Software, die in der Lage ist, die gemessenen Daten sinnvoll zu verwerten; und Aktoren, also Geräte, die als Resultat eine physikalisch messbare Reaktion zeigen. Nach dieser Definition kann alles um uns herum ein Roboter sein, fast jedes Objekt und auch alle möglichen Umgebungen. Ob Smartphone oder Smart City, wir leben längst mit Robotern zusammen und sind in immer mehr Bereichen auch von ihnen abhängig.


Zwischen Utopie und Dystopie

Die Ausstellung zeigt, wie in Gesellschaft, Kunst und Medien die Ausbreitung der Robotik seit ihren Anfängen ambivalent betrachtet wird. Zum einen wird mit den sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten die Hoffnung auf eine bessere Welt verbunden. Zum anderen wird aber auch immer wieder diskutiert, welche Gefahren Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Verfahren mit sich bringen können. Bei „Hello, Robot“ wird in diesem Kontext insbesondere die Frage nach der Verantwortung des Designs diskutiert.

Am Beginn der Ausstellung steht die Begeisterung der Moderne für den künstlichen Menschen, insbesondere die positiven Darstellungen von humanoiden Robotern in Film und Literatur. Ob Star Wars oder der „Roboterhund“ Spot von Boston Dynamics – Roboter können sich auf viele Arten für den Menschen als nützlich erweisen und auch Sympathien gewinnen, wenn ihr Design an Menschen oder Tiere angelehnt ist.

Im zweiten Teil der Ausstellung rückt die Arbeitswelt in den Mittelpunkt, insbesondere der Einsatz von Robotern in der Industrie. Längst hat die Technik die menschliche Arbeitskraft in diversen Bereichen setzt. Das führte zu Arbeitsplatzverlusten, bringt aber auch Vorteile, wenn Roboter Aufgaben übernehmen, die für Menschen gefährlich oder gesundheitsschädlich sind. Was aber, wenn Roboter nicht nur körperliche Arbeit übernehmen, sondern irgendwann auch geistige? „Hello, Robot“ zeigt hier zum einen klassische Industrieroboter, aber auch eine Installation der Gruppe RobotLab, bei der ein Roboter fortwährend Manifeste produziert. Es scheint, als ließe sich auch Kreativität automatisieren.

Im dritten Themenabschnitt geht es um hilfreiche Technologie in unserem Alltag: Längst unterstützen uns Roboter bei der Hausarbeit, in der Pflege oder im Unterhaltungsbereich. Das Zusammenleben mit den Maschinen prägt dabei nicht nur den Blick auf diese, sondern beeinflusst auch die Interaktion von Mensch zu Mensch. Neben diversen Geräten ist hier ein Wandteppich der französisch-ukrainischen Künstlerin Éva Ostrowska zu sehen, der auf humorvolle Art zeigt, wie Frauen sich in Zeiten von Dating Apps vor Grenzüberschreitungen schützen können. Abschließend wirft „Hello, Robot“ einen Blick auf die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine. Von Architektur, die sich unseren Bedürfnissen anpasst, bis hin zur Entstehung von „smarten“ Städten, zeigt die Ausstellung, wie unser Leben in Zukunft vielleicht aussehen könnte.


Roboter als Architekten

Ergänzt wird die Ausstellung „Hello, Robot“ durch eine Außeninstallation auf dem Vitra Campus, in unmittelbarer Nähe des Vitra Design Museum. Im Jahr 2017, als die Ausstellung hier erstmals zu sehen war, konnte der „Elytra Filament Pavilion“ besucht werden, ein architektonisches Gebilde, das halb organisch gewachsen, halb insektoid gesponnen anmutete. Tatsächlich handelte es sich um eine bionische Dachkonstruktion – ein Beispiel dafür, wie die Robotik in der Architektur eingesetzt wird. Der Pavillion bestand aus einzelnen trichterförmigen Modulen, die mit einer Waben-förmigen Struktur verbunden und überdacht wurden. Ein Algorithmus definierte diese Form, ein Industrieroboter setzte sie um.

Hinter der Technologie steht ein Team des Institute for Computational Design (ICD) an der Universität Stuttgart. Vier Jahre lang wurde dazu geforscht, wie sich Architektur, Ingenieurbau und Bionik miteinander verbinden lassen. Das Ergebnis dieser Forschung ist eine 200 Quadratmeter große Struktur, die zugleich besonders leicht ist. Jedes Bauelement wiegt lediglich 45 kg, der gesamte Pavillion nur 2,5 Tonnen. Die Faserverbundstruktur des Bauwerks ist von den Deckflügeln flugfähiger Käfer inspiriert, den sogenannten Elytren. Um diese Struktur umzusetzen, wurde der Pavillion mithilfe eines robotischen Wickelverfahrens hergestellt, welches sich die besonderen Eigenschaften von Karbonfasern in gewickelten Bauelementen zunutze macht. 

Diesmal zeigt das Vita Design Museum den „Eggshell Pavillon“ von Gramazio Kohler Research, ETH Zürich. Bei dessen Konstruktion kommt die sogenannte Eggshell-Fertigungstechnologie zum Einsatz. Dabei wird für den Betonguss eine Verschalung von einem 3D-Drucker hergestellt. Nach dem Aushärten wird die ultradünne Schalung für die Bauelemente des „Eggshell Pavilion“ wie eine Eierschale abgepellt. Sie ist nur 3-5 Millimeter dick und besteht aus glasfaserverstärktem PET-G, das teilweise aus früheren Eggshell-Schalungen recycelt wurde. Dieses Verfahren ermöglicht zum einen die Produktion von außergewöhnlichen Formen. Zum anderen ist es aber auch Ressourcen-sparend, denn mit der Eggshell-Technologie wird nur 50 % des Materials benötigt als bei andren Methoden des Betongusses. Sieht also so die Zukunft der Architektur aus?


Anlässlich der Ausstellung „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine“ erschien 2017 der begleitende Ausstellungskatalog im Verlag des Vitra Design Museum (ISBN: 978-3-945852-10-1). Die Publikation mit zahlreichen farbigen Abbildungen zu den Ausstellungsobjekten und behandelten Themen, beinhaltet auch Beiträge von u.a. Amelie Klein, Marlies Wirth, Gesche Joost, Bruce Sterling und Rosi Braidotti sowie Interviews mit u.a. Frauke Zeller und David Harris Smith sowie Fiona Baby und Anthony Dunne.


Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine

Vitra Design Museum
24.09.2022 – 05.03.2023

Bisherige Stationen der Ausstellung:

  • Vitra Design Museum, 11.02.-14-05.2017
  • MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, 21.06.-01.10.2017
  • Design museum Gent, 27.10.2017-15.04.2018
  • Gewerbemuseum Winterthur, 12.05.-04.11.2018

musermeku dankt dem Vitra Design Museum für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.


Bilder: Angelika Schoder – Vitra Design Museum, Weil am Rhein 2017


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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