[Leitfaden] Fast jeder ist heute Produzent digitaler Inhalte. Dank Instagram, Pinterest, Facebook & Co. lassen sich Fotos, Videos und Texte weltweit verbreiten – auch aus Museen und anderen Kulturinstitutionen. Jeder Besucher kann damit ein potenzieller Berichterstatter sein, der seine Eindrücke mit der Öffentlichkeit teilt. Das Internet füllt sich mit User Generated Content, der für Institutionen in vielerlei Hinsicht interessant sein kann. Doch wie gehen Kultureinrichtungen mit diesen digitalen Inhalten um?
Das Potenzial von User Generated Content
Bisher gehen Institutionen im Kulturbereich sehr unterschiedlich mit Inhalten um, die von Besuchern erstellt und online verbreitet werden. Im besten Fall wird auf positive Inhalte reagiert und negative Inhalte werden lösungsorientiert beantwortet. Im schlimmsten Fall werden die Inhalte einfach völlig ignoriert. Und im diskussionswürdigsten Fall bedient man sich gratis für eigene Zwecke an Nutzerinhalten, ohne dass die Ersteller gefragt oder honoriert werden.
User Generated Content kann für Kulturinstitutionen eine wichtige Rolle spielen. Es stellt sich etwa die Frage, ob sich digitale Inhalte, die von Besuchern erstellt wurden, analysieren lassen, um daraus Erkenntnisse über das Nutzerverhalten zu erlangen und vielleicht sogar Inhalte anzupassen. Museen sollten sich auch die Frage stellen, ob sie das Fotografieren in Ausstellungen wirklich verbieten wollen, oder ob eine Fotoerlaubnis auch Vorteile für das Museum bringen könnte. Wenn man Besucher aktiv dazu ermutigt, Eindrücke öffentlich oder privat im Internet zu teilen – welcher Mehrwert kann daraus entstehen? Es sollte auch geprüft werden, wie sich die online-Aktivitäten der Besucher zur eigenen Institution messen lassen. Brauchen Kulturinstitutionen sogar interaktive Elemente in ihren Angeboten, die den Besucher zum Mitmachen anregen? Und schließlich sollte geprüft werden, ob man User Generated Content nicht auch den Inhalten einer externen Agentur oder dem Content aus dem eigenen Haus vorziehen kann.
Die Twitterwall als Urgestein
Fast schon der Klassiker, wie Museen und andere Kultureinrichtungen User Generated Content zugänglich machen, ist eine Twitterwall. Zunächst direkt über Twitter, dann später über einen Anbieter wie walls.io oder Tweetwally, werden zu einem vorgegebenen Hashtag Beiträge gesammelt und dann aus dem Internet per Beamer an eine Wand geworfen. Vor 5-6 Jahren verbreitete sich diese Übersicht von Twitter-Beiträgen zunächst bei Konferenzen und BarCamps. Schließlich kamen Twitterwalls auch bei Events wie Lange Nächte der Museen zum Einsatz, etwa in Hamburg oder in Nürnberg zur Blauen Nacht. Beiträge von Twitter-Nutzern zu Veranstaltungen können so live in Museen den anderen Besuchern zugänglich gemacht werden. Dies dient nicht nur dem Teilen von Eindrücken, sondern Twitterer fungieren damit auch als Hinweisgeber und Berichterstatter. Dies kann den Organisatoren einiges an Arbeit abnehmen.
Auch wenn das System von Twitter zur Bereitstellung von User Generated Content vielversprechend scheint (z.B. bei Veranstaltungen), zeigen sich jedoch auch Schwächen. Zum einen muss eine Twitterwall moderiert werden, damit nicht themenfremde Inhalte, die mit dem definierten Hashtag markiert wurden, automatisch weiter verbreitet werden. Aus der Notwendigkeit eines Monitoring ergibt sich damit Personalaufwand. Statt sich darauf zu verlassen, dass Besucher fortwährend für Inhalte sorgen, ist keine Twitterwall debkbar, ohne dass mindestens eine Person zeitgleich den Strom an Inhalten filtert und für die Veröffentlichung auf der Wall freigibt.
Das zweite Problem ist Twitter selbst bzw. die zurückhaltende Nutzung im deutschsprachigen Raum. Twitter konnte sich auch über die Jahre nicht bei einem breiten Publikum durchsetzen. Bei der Langen Nacht der Museen in Hamburg zeigt sich etwa, dass über einen Zeitraum von 5 Jahren auch weiterhin immer nur die gleiche kleine Anzahl an Akteuren twittert. Die Frage für Kulturinstitutionen sollte also sein, ob man bei Events langfristig weiter auf den Content von wenigen Nutzern zugreifen will, oder ob in Anbetracht dessen der Aufwand mit Installation und Pflege dazu in keinem effizienten Verhältnis steht.
Die Instagram-Wall im Museum
Um auf nutzergenerierte Inhalte in Ausstellungen zuzugreifen, hat sich im Museumsbereich mittlerweile die Instagram-Wall etabliert. Anders als bei Twitter, wo es aufgrund der Chronologie des Netzwerks eher um zeitnahe Berichterstattung geht, bietet Instagram die ideale Möglichkeit, langfristig Inhalte über ein Hashtag sichtbar zu machen.
Die Fondation Beyeler zählt mit zu den ersten Institutionen im deutschsprachigen Raum, die eine Instagram-Wall in eine Ausstellung integrierte. Unter dem Hashtag #MyParadise waren Instagram-Nutzer im Frühjahr 2015 dazu aufgerufen, Fotos von „persönlichen Paradisen“ über die Social Media Plattform zu teilen. So sollte ein privater Bezug zu den Bildern von Paul Gauguin hergestellt werden – damals die aktuelle Sonderausstellung des Museums. Während die Ausstellung der Fondation Beyeler in einem Multimedia-Raum verschiedene Aspekte der Paradis-Perspektiven des Künstlers beleuchtete, zeigte die Instagram-Wall genau gegenüber die Projektion einer Vielfalt heutiger Perspektiven auf das Thema. Einziges Problem war, dass das Hashtag #MyParadise bei Instagram auch unabhängig zur Ausstellung bereits genutzt wurde, etwa für Urlaubsfotos. Dies gestaltete die Kuratierung der Inhalte für die Instagram-Wall im Museum schwierig, da die Fondation Beyeler natürlich Bilder präsentieren wollte, die mit Hinweis auf die Gauguin-Ausstellung erstellt worden waren.
Grundsätzlich war die Einbeziehung dieses interaktiven Elements in die Ausstellung jedoch gelungen, da die Instagram-Wall dazu anregte, sich eingehender mit der Thematik zu beschäftigen. Auf der einen Seite konnten Instagram-Nutzer ihren Blickwinkel im Museum präsentieren – auf der anderen Seite konnten Ausstellungsbesucher ihre eigene Paradis-Definition mit der von anderen vergleichen.
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Hansestadt-Content von Followern für das Museum für Hamburgische Geschichte
Auch das Museum für Hamburgische Geschichte holte sich User Generated Content über Instagram in seine Ausstellung „Alt-Hamburg – Ecke Neustadt. Ansichten einer Stadt um 1900“ (07.06.2017-21.01.2018). Hierfür wurden zunächst einige Influencer bezahlt, um Content für die Ausstellung zu liefern und in der Hamburger Instagram-Community für eine Teilnahme zu werben. Über das Hashtag #hamburgscapes waren Instagram-Nutzer dazu aufgerufen, ihre eigenen Fotografien Teil der Ausstellung werden zu lassen. Das Museum suchte dafür Hamburg-Motive aller Art, von Lieblingsorten über typische Stadtimpressionen.
Die Bilder der Nutzer wurden schließlich nicht nur für die Ausstellung genutzt, sondern auch auf weiteren Social-Media-Accounts des Museums zugänglich gemacht, etwa als Repost bei Instagram im Account der Historischen Museen Hamburg und als Adventskalender bei Facebook auf der Seite des Museums für Hamburgische Geschichte. Das Museum nutzte so über mehrere Monate hinweg User Generated Content sowohl vor Ort in der Ausstellung als auch in Social Media.
Fremder Content für die eigenen Plattformen
Besonders bei Instagram wird im Kulturbereich gerne auf User Generated Content zurückgegriffen. Während einige Institutionen nur ab und an Bilder von Nutzern auf ihrem Kanal posten, gibt es auch Kanäle, die überwiegend aus fremden Inhalten bestehen. Einer dieser Accounts ist der Instagram-Auftritt des Linden-Museum Stuttgart. Ein Vorteil ist, dass das Museum sich nicht selbst um die Erstellung von Inhalten für Instagram kümmern muss. Als Nachteil kann allerdings gesehen werden, dass die Institution so keine eigene Handschrift zeigen kann und der Wiedererkennungseffekt bei den Followern durch die sehr unterschiedlichen Bild-Stile eher gering sein dürfte. Wie wichtig aber ein erkennbarer Stil für eine Kultureinrichtung bei Instagram ist, darauf hat Damián Moran Dauchez vor kurzem in seinem Beitrag über das Internationale Maritime Museum Hamburg verwiesen.
Eine Kultureinrichtung kann die Verwendung von User Generated Content grundsätzlich natürlich dazu nutzen, sich enger mit der Online-Community zu verbinden. Hier gilt es aber, einige Punkte zu beachten – nicht zuletzt auch aufgrund rechtlicher Bedingungen. Da man bei Instagram in seinem Account nicht die Originalinhalte anderer Accounts teilen kann, wie etwa bei Facebook oder Twitter, muss man fremde Inhalte erst herunterladen um sie selbst posten zu können. Egal ob der Download und Repost manuell oder über eine App erfolgt: Wird nicht vorher beim Urheber um Erlaubnis gefragt, ein Bild selbst nutzen zu dürfen, begeht man eine Urheberrechtsverletzung. Institutionen, die sich bei Instagram für die Verwendung von User Generated Content entscheiden, sind also dazu verpflichtet, zunächst die Nutzungsrechte mit dem Urheber abzuklären.
Die Elbphilharmonie setzt bei Instagram auf die Nutzung von Fotos von Social-Media-Nutzern
Eine weitere Tücke zeigt sich in der Art und Weise, wie fremde Inhalte bei Instagram gepostet werden. Direkt zur lange erwarteten Premiere der Elbphilharmonie bei Instagram leistete sich die Institution eine kleine Peinlichkeit. Im Frühjahr 2016 tauchte ein erstes Posting auf, in dem die genutzte Repost-App 1:1 die Beschriftung des Originalbeitrags übernommen hatte. So warb das Konzerthaus direkt mit Hashtags wie #gingerbeard und #gaylove. Es ist sicher eine gute Idee, bestimmte Zielgruppen auf die Elbphilharmonie aufmerksam zu machen – das hätte man jedoch vielleicht lieber anders machen können. Nachdem MusErMeKu die Elbphilharmonie auf den Hintergrund dieses Instagram-Postings und den Zweck der Hashtags ansprach, wurde der Repost übrigens kommentarlos vom Account gelöscht.
Bis heute postet das Konzerthaus aber fast ausschließlich User Generated Content bei Instagram und erreicht so mit fremden Inhalten meist Likes im deutlich 4-stelligen Bereich. Bei Facebook verwendet die Elbphilharmonie ebenfalls Fotos ihrer Nutzer, auch für gesponserte Beiträge. Wie die Institution auf Anfrage von MusErMeKu mitteilte, erhalten die Urheber für ihre Bilder übrigens kein Honorar. Dem Konzerthaus entstehen also keine Kosten für die Verwendung von Nutzerinhalten, abgesehen von Personalaufwand für die Sichtung und Auswahl des passenden Materials. Hier zeigt sich User Generated Content als Option, sehr günstig und unkompliziert an hochwertige Inhalte zu gelangen. Die Ehre von der Elbphilharmonie eine Erwähnung bei Instagram zu erhalten, ist den Erstellern der Fotos Lohn genug.
Fotografieren erlaubt – Teilen erwünscht
Ob man nun User Generated Content ergänzend zu eigenen Inhalten einsetzt, oder ob man Nutzerinhalte sogar ins Zentrum eines Projektes stellt – für Kulturinstitutionen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Und selbst wenn man nicht plant, User Generated Content selbst zu nutzen, kann dieser dennoch einen Mehrwert bieten. Ermöglicht man Besuchern das Fotografieren und Filmen in den eigenen Räumlichkeiten, werden die so entstandenen Inhalte vermutlich zum Großteil ihren Weg in verschiedene Soziale Netzwerke finden. Welche Werbung könnte besser für eine Institution sein, als wenn Besucher Ausstellungen oder Veranstaltungen als persönliche Empfehlung mit ihren Kontakten teilen?
Zielgerichtet lässt sich mit Nutzerinhalten arbeiten, wenn man gegenüber den Besuchern ein Hashtag kommuniziert, unter dem Inhalte geteilt werden können. Das Hashtag kann nachverfolgt werden, um zu analysieren, was den Besuchern besonders gut gefallen hat oder was auf Kritik gestoßen ist. Idealerweise verfügen Kulturinstitutionen zudem über eigene Auftritte in Social Media. Auch dies sollte an Besucher kommuniziert werden. Wenn Inhalte von Nutzern in Sozialen Netzwerken geteilt werden, ist dann die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Accounts der Institution hier verlinkt werden. Dies erleichtert einerseits das Monitoring des User Generated Content und erhöht andererseits die Sichtbarkeit der Kulturinstitution gegenüber anderen Social-Media-Nutzern.
Vor allem begünstigt es aber auch das Community Management – ein wichtiges Mittel der Kundenbindung. Denn statt einfach nur Nutzerinhalte kommentarlos zur Kenntnis zu nehmen, sollte mit diesem interagiert werden. Denn nur wer auf positive Inhalte entsprechend reagiert und vor allem auch negativen Content lösungsorientiert kommentiert, bringt nicht nur dem Nutzer direkt gegenüber Wertschätzung entgegen, sondern macht sich auch anderen Nutzern gegenüber sichtbar.
Mehr Freiheit für das Nutzerverhalten
Grundsätzlich sollten Kulturinstitutionen darüber nachdenken, wie sinnvoll es heute noch ist, Besuchern vorzugeben, wie sie mit der Institution und ihren Inhalten interagieren sollen. Je strikter die Vorgaben zur Interaktion sind (z.B. die Nutzung einer App, das Folgen einer definierten interaktiven Tour, das Lösen vorgegebener Rätsel), um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligung gering sein wird.
Vielleicht sollte Besuchern einfach die Freiheit eingeräumt werden, selbst zu bestimmen, wie sie mit Inhalten umgehen möchten – auch in Social Media. Statt Vorgaben zu machen, ist es möglicherweise sinnvoller, den Prozess umzukehren und stattdessen als Institution auf den User Generated Content der Besucher zu reagieren. Wenn Nutzer mit Inhalten interagieren wollen, werden sie dies tun – aber so wie sie es wollen, nicht so wie eine Kulturinstitution es gerne hätte.
Header-Bild: Angelika Schoder – Bergerac, 2018
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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