[Online-Tipp] Ausstellungen im virtuellen Raum sind gekommen, um zu bleiben. Ob es sich nun um rein digitale Kunst handelt oder ob virtuelle Abbilder physischer Werke geschaffen werden: Bereits seit einigen Jahren werden von Museen und Galerien Konzepte entwickelt, Kunst online zugänglich zu machen. Die Vorteile dieses Ansatzes wurden besonders deutlich, als aufgrund der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Museen und Galerien vorübergehend ihre Räumlichkeiten für den Publikumsbesuch schließen mussten. Plötzlich war der Kunstgenuss nur noch online möglich – ohne Alternative. Dabei ist der virtuelle Raum kein trauriger Ersatz für den Ausstellungsbesuch vor Ort. Vielmehr eröffnen sich hier ganz andere Möglichkeiten, Kunst zu erleben – jederzeit und von überall aus zugänglich, jenseits physikalischer Grenzen und mit überraschenden visuellen Möglichkeiten. Wir stellen hier eine Reihe aktueller Ausstellungen vor, bei denen sich Kunst im virtuellen Raum erleben lässt.
Gruppenausstellung:
Come closer!
Die Kunstakteure der Ausstellung „Come Closer Pt.1“ setzen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Nähe auseinander. In ihren Arbeiten geht es um Fragen der Empathie, der Emotionen, der Selbstreflexion und der Selbstoptimierung. Gezeigt werden Werke von u. a. Aarati Akkapeddi, Raphaël Bastide, Stine Deja, Anna Ehrenstein und Yadichinma Ukoha-Kalu.
Neben einer geplanten Ausstellung im physischen Raum, gibt es zunächst eine Online-Ausstellung mit ausschließlich digitalen Arbeiten. Zusammen mit Constant Dullaart, Thies van Asseldonk und Jonas Lund entwickelte Office Impart hierzu ein Interface, das den digitalen Raum als Ausstellungsraum nutzt. Dieser Raum ermöglicht die unmittelbare Erfahrung der Kunstwerke, inhaltliche Vermittlung sowie die Möglichkeit zur sozialen Interaktion.
Come closer!
Office Impart
Seit 28.10.2020
LaTurbo Avedon:
Your Progress Will Be Saved
Im Rahmen der Virtual Factory entstehen eine Reihe von Online-Kunstwerken, die von der Architektur und dem Konzept der Factory inspiriert werden, einem Kulturzentrum das aktuell im britischen Manchester entsteht. Das erste Projekt der Virtual Factory stammt von LaTurbo Avedon, ein Kunstakteur und Avatar, der in verschiedenen virtuellen Welten zuhause ist, etwa in Second Life oder Final Fantasy.
„Your Progress Will Be Saved“ transportiert die Idee der Factory in die Welt von Fortnite Creative, wo Spieler Welten mit eigenen Regeln erschaffen können. LaTurbo Avedon entführt hier in eine Art Online-Wunderland, voll von Musik, Unterhaltung und sozialen Kontakten – alles inmitten einer beeindruckenden virtuellen Architektur.
Your Progress Will Be Saved
Virtual Factory/ Manchester International Festival
Seit Juli 2020
Manuel Rossner:
Surprisingly This Rather Works
Der Künstler Manuel Rossner zeigt aktuell in der App der König Galerie mit der Ausstellung „Surprisingly This Rather Works“, dass man Kunst im digitalen Raum nicht nur als klassischen Rundgang erleben kann. Rossner lädt zum Jump-and-Run Game ein, bei dem man auf Kunstwerke klettern und Skulpturen schubsen darf.
Schauplatz der virtuellen Intervention ist die ehemalige Berliner St. Agnes Kirche, in der sich seit 2015 die König Galerie befindet. Rossner hat die Galerieräume digital nachgebaut. Der virtuelle Raum ermöglicht es dem Künstler, seine Werke so zu zeigen, wie es in der Realität selbst mit größten Mitteln nicht möglich wäre. In der Ausstellung gibt es zum Beispiel schwebende Steine und riesige Skulpturen; ein Raumgefühl entsteht durch die Proportionen der St. Agnes Kirche. Als Spieler bewegt man sich hier durch die verschiedenen Stockwerke, aber auch über die Skulpturen von Manuel Rossner hinweg.
Surprisingly This Rather Works
Verfügbar in der App der König Galerie
09.04.2020–09.04.2021
Gruppenausstellung:
Berechenbar – Unberechenbar
Im Februar 2019 startete ZDFkultur die Digitale Kunsthalle, einen virtuellen Raum, der einem physischen Museum nachempfunden ist. Hier werden wechselnde Ausstellungen gezeigt, immer in Kooperation mit verschiedenen Museen in Deutschland. Für „Berechenbar – Unberechenbar“ stellte das ZKM – Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe seine Daten zur Verfügung. In der Ausstellung werden digitale Kunstwerke gezeigt, die größtenteils aus der Sammlung des ZKM stammen und die sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Computer-generierte Konzepte Realität werden können.
Per Klick bewegt man sich durch den virtuellen Lichthof des ZKM, in dem abstrakte Skulpturen auf die eigentlichen Kunstwerke verweisen – ob die Text-basierte Arbeit „Tape Mark I“ von Nanni Balestrini, Daniel Heiss und Margit Rosen (1962/2018), die virtuelle Animation „Neo Geo City“ von Rafaël Rozendaal (2014) oder die konfigurierbare „Hypercam“ von Kim Albrecht (2020).
Berechenbar – Unberechenbar
ZKM – Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Bis Oktober 2021
Gruppenausstellung:
Connected in Isolation
Im Sommer 2020 lancierte die Galerie Roehrs & Boetsch die App FitArt, einen „Fitness Art Club“ mit der Gruppenausstellung „Connected in Isolation“. Gezeigt werden hier Werke von bekannten Kunstakteuren der NetArt wie Jeremy Bailey, Damjanski, Constant Dullaart, Olia Lialina, Jillian Mayer oder Molly Soda. In der FitArt-App wird Kunst in Form kleiner Trainingseinheiten präsentiert; in der Ausstellung „Connected in Isolation“ verbinden sich ingesamt 14 je 30-sekündige Übungen zu einem kompletten Workout.
Die gezeigten Übungen können natürlich zum einen nachgemacht werden. Zum anderen regen die Arbeiten aber auch zum Nachdenken darüber an, wie Soziale Medien und Technik den Umgang mit unserem Körper beeinflussen.
Connected in Isolation
Verfügbar über die FitArt-App von Roehrs & Boetsch
16.06.2020 – 16.06.2021
Gruppenausstellung:
Female Body
Ebenfalls in der FitArt-App verfügbar ist die Ausstellung „Female Body“, das zweite Workout gewissermaßen. Im Zentrum steht hier der weiblich konnotierte Körper. Die beteiligten Kunstakteure hinterfragen mit ihren Arbeiten verschiedene Themen und Machtstrukturen in Bezug auf Sexualität, Identität, Geschlecht und Repräsentation. In den Arbeiten werden anhand des Körpers subjektive, aber auch gesellschaftliche Perspektiven und Traumata thematisiert, diskutiert und verarbeitet.
In „Female Body“ sind neu produzierte Videoarbeiten von 14 Kunstschaffenden bzw. Kollektiven zu sehen, u.a. ! Mediengruppe Bitnik, Alexandra Bachzetsis, Katrin Niedermeier, Colette Sadler und Mikko Gaestel sowie Ramaya Tegegne und Soraya Lutangu.
Female Body
Verfügbar über die FitArt-App von Roehrs & Boetsch
08.12.2020 – 08.12.2021
Gruppenausstellung:
Beyond States – Über die Grenzen von Staatlichkeit
Ist der Staat Schutzraum oder Gefahrenzone? Mit dieser Frage befasst sich die Ausstellung „Beyond States – Über die Grenzen von Staatlichkeit“ im Zeppelin Museum Friedrichshafen. Anhand der drei konstituierenden Merkmale Staatsgebiet, Staatsbürgerschaft und Staatsgewalt wird die aktuelle und zukünftige Bedeutung des Staates ausgelotet. Beteiligt sind Kunstakteure wie Nevin Aladağ, Simon Denny, Forensic Oceanography/ Forensic Architecture, das Peng! Kollektiv oder Henrike Naumann.
Noch bevor die Ausstellung vor Ort eröffnet, bietet sich in einem Debatorial der Zugang zum Thema der Ausstellung im Digitalen. Der Unterschied zum klassischen Digitorial-Format, also der reinen Online-Präsentation von Ausstellungsinhalten, ist hier die Ausrichtung auf den Aspekt der Partizipation des Publikums. Das Debatorial versteht sich als Debatten-Plattform, in der Kommentare hinterlassen und Umfragen beantwortet werden können, ergänzt durch Quizformate, interaktive Karten und Linklisten.
Beyond States – Über die Grenzen von Staatlichkeit
Zeppelin Museum Friedrichshafen
22.01.-06.06.2021, das Debatorial ist seit Ende September 2020 online
Thomas Webb:
Exercise in Hopeless Nostalgia
Mit „Exercise in Hopeless Nostalgia“ lädt der britische Künstler Thomas Webb in eine virtuelle Welt – sein World Wide Webb. Gesteuert wird diese Welt von einer Künstlichen Intelligenz (KI), die Basis bilden Echtzeitdaten aus dem Netz. Über den Browser des Smartphones gelangt man in ein Multiplayer 8-Bit-Game, das an die Nintendo- und Sega-Spiele der 1980er Jahre erinnert.
Als Nutzer ist man dazu eingeladen, verschiedene virtuelle Orte zu besuchen, mit Charakteren zu interagieren und dabei kleine Aufgaben zu lösen. Das World Wide Webb, das unter der URL webb.game zugänglich ist, ist jedoch mehr als ein Spiel im Retro-Look. Es ist auch ein digitaler Ausstellungsort, ein Teil von König Digital der Berliner König Galerie. Hier kann man sich nicht nur die Arbeiten von Thomas Webb in den Galerieräumen ansehen, sondern man trifft auch auf Kuratorin Anika Meier und auf den Galeristen Johann König – als zentrale Charaktere in Tomas Webbs Spiel.
Exercise in Hopeless Nostalgia
König Galerie, verfügbar online unter Webb.Game
14.08.2020-14.08.2021
Gruppenausstellung:
Bin Ends
New Art City ist ein virtueller Ort, um Kunst gemeinsam zu erleben. Eine 3D-Muliplayer-Website fungiert als Ausstellungsraum, in den Kunstakteure und Ausstellungsdesigner ihre Daten hochladen können. Der digitale Raum kann gemeinsam gestaltet werden und die Beteiligten können in Echtzeit zusammenarbeiten.
Besucher gelangen über ihren Browser in die Ausstellungen, etwa in „Bin Ends“. Die Ausstellung wurde von der Künstlerin und Forscherin Salome Asega für das Online-Medienkunstfestival „Gray Area“ kuratiert. Gezeigt werden hier Videos oder Charakterskizzen von Kunstakteuren wie American Artist, E. Jane oder Alfredo Salazar-Caro.
Bin Ends
Gray Area Festival
Seit September 2020
Header-Bild: Virtuelle Installation, „Surprisingly This Rather Works“, König Digital, Manuel Rossner, diverse Objekte, 2020, Courtesy: Manuel Rossner, König Galerie
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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