Kunst im virtuellen Raum: Surprisingly This Rather Works

Der Künstler Manuel Rossner zeigt in der König Galerie mit „Surprisingly This Rather Works“, wie man Kunst im digitalen Raum als Spiel erleben kann.

Der Künstler Manuel Rossner zeigt in der König Galerie mit "Surprisingly This Rather Works", wie man Kunst im digitalen Raum als Spiel erleben kann.

[Ausstellung] Der Künstler Manuel Rossner zeigt aktuell in der König Galerie mit der Ausstellung „Surprisingly This Rather Works“, dass man Kunst im digitalen Raum nicht nur als klassischen Rundgang erleben kann. Während man sich bei Angeboten von Google Arts & Culture oder in der Digitalen Kunsthalle von ZDFkultur ganz klassisch durch Ausstellungsräume klickt, lädt Rossner zum Jump-and-Run Game ein, bei dem man auf Kunstwerke klettern und virtuellen Skulpturen schubsen darf.


Kunstbetrachtung mit normierten Aktionen

In der FAZ schloss sich vor kurzem Andreas Kilb einer Reihe von Kritikern an, die nicht müde werden zu betonen, dass im Digitalen keine echte Raumerfahrung möglich sei. Kilb spricht bei Online-Rundgängen in Museen und Galerien vom „Roboterblick“. Ein Museumserlebnis besteht für den Kritiker vor allem aus Gehen und Stehen, aus Annähern und Innehalten, aus Zurückweichen und anderen spontanen Bewegungen. Der digitale Raum verwehrt einem diese Erfahrung, so Kilb, denn der Blick auf Kunst würde hier auf die Aneinanderreihung von normierten Aktionen reduziert: Zooms, Schwenke, Info-Klicks und Sprünge von Saal zu Saal.

Doch wer die Normen des Digitalen beklagt, vergisst offensichtlich, dass auch die Bewegung durch reale Museen und Galerien ebenso bestimmten Normen unterliegt: Nichts essen oder trinken, nichts anfassen bitte, nicht rennen oder laut reden. Und das Wichtigste: Bitte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Uhrzeit erscheinen – und dann Eintritt zahlen.

Statt immer nur das Analoge mit dem Digitalen zu vergleichen, nur um auf dessen Fehler hinzuweisen, warum blickt man nicht auf die Vorteile einer Auseinandersetzung mit Kunst im digitalen Raum? Dann könnte man erkennen, dass das Digitale einfach eine andere Raumerfahrung ermöglicht, indem sich etwa Grenzen der Physik oder der Logik überwinden lassen. Und schließlich können auch Barrieren einer lokalen oder temporären Beschränkung außer Acht gelassen werden.


Kunst im Digitalen Raum

Viele Kulturinstitutionen haben bereits die Möglichkeiten und Vorteile erkannt, die virtuelle Räume bieten. In den letzten Jahren entstand so eine Reihe digitaler Museums- und Ausstellungsräume, die in ihrer Anmutung klassischen Museen nachempfunden sind. Hierzu zählt etwa das Kremer Museum oder die Digitale Kunsthalle von ZDFkultur. Diese virtuellen Orte sind zwar keine Nachbildungen real existierender Räumlichkeiten, sie funktionieren aber dennoch nach den gleichen Prinzipien wie gewohnte Kunsträume.

Neben diesen digitalen Orten, in denen real existierende Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen online zugänglich gemacht werden, entstanden in den vergangenen Jahren ähnliche Ausstellungsräume auch für rein digitale Kunst, etwa die 2019 ins Leben gerufene Virtual-Reality-Plattform CUBE der Galerie Roehrs & Boetsch.

Entwickelt wurde diese Plattform von Manuel Rossner. Der 1989 in Heilbronn geborene Künstler rief bereits 2012 die Float Gallery ins Leben, in der der klassische White Cube auf den digitalen Bereich erweitert wird. 2017 kreierte Rossner dann einen digitalen Anbau für das NRW-Forum Düsseldorf, der mit Virtual-Reality-Brillen betreten werden konnte. Gemeinsam mit Museumsdirektor Alain Bieber kuratierte er hier die Ausstellung „unreal“.


Surprisingly This Rather Works

Mit „Surprisingly This Rather Works“ schuf Manuel Rossner nun eine virtuelle Intervention in der ehemaligen Berliner St. Agnes Kirche, in der sich seit 2015 die König Galerie befindet. Das Projekt, ein Jump-and-Run Game, das über eine App auf dem Smartphone oder Tablet gespielt werden kann, markiert für die Galerie auch den Start eines neuen Angebots: König Digital. Geplant sind hier regelmäßige Kooperationen mit Kunstakteuren, die sich mit den Möglichkeiten des digitalen Raumes auseinandersetzen, aber auch generell damit, was Kunst im 21. Jhd. sein kann und wo Schnittmengen zwischen dem Analogen und dem Digitalen bestehen.

Wir sprachen anlässlich des Starts von „Surprisingly This Rather Works“ mit dem Künstler Manuel Rossner und mit dem Galeristen Johann König über die Möglichkeiten, die digitale Angebote gegenüber dem analogen Kunsterlebnis bieten können.


Manuel Rossner und Johann König im Interview

Herr Rossner, seit Anfang April kann man „Surprisingly This Rather Works“ über die App der König Galerie besuchen. Damit sind Sie einer der wenigen Künstler, dem es möglich war, seine Ausstellung wie geplant einem Publikum zugänglich zu machen –  trotz der Corona-Krise…

Manuel Rossner: „Ein bisschen hat Corona unsere Pläne schon beeinflusst. Die Arbeit war nämlich ursprünglich als Virtual Reality geplant. Eigentlich sollen Besucher in der König Galerie vor Ort eine VR-Brille bekommen, um sich im Rahmen der Ausstellung ‚The Artist Is Online‘ durch den virtuellen Raum zu bewegen. Die Besucher schauen sich zuerst die Gruppenausstellung im Hauptraum der Galerie an, sehen Malerei, Skulpturen, Installationen und Videos und gehen dann hinauf in den Turm. In VR geht es zurück in den Hauptraum der Galerie, und plötzlich ist das Kunsterlebnis im Digitalen ein anderes. [Anmerkung: Die Ausstellung ‚The Artist Is Online‘ mit Arbeiten von etwa 30 Künstlerinnen und Künstlern hätte eigentlich am 9. April 2020 in der König Galerie eröffnet werden sollen.] Aber durch Corona ist das erst einmal nicht möglich. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, ‚Surprisingly This Rather Works‘ über die App der König Galerie schon vorab zur Verfügung zu stellen.“

Die App ist also nicht aus der Not heraus entstanden, weil die Galerie wegen der Corona-Pandemie schließen musste?

Johann König: „Vor einem Jahr habe ich zusammen mit Anika Meier die Ausstellungsidee entwickelt. Wir haben junge Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit aktuellen Fragestellungen zu befassen. Manuel Rossner hat über die Zukunft der Kunst im Digitalen nachgedacht. Wir wollen nicht nur den realen Raum abbilden, sondern den erweiterten virtuellen Raum nutzen, um Kunst zu zeigen. Dieser Raum orientiert sich zwar an der Realität, ist aber nach- und weitergebaut. Durch die Corona-Krise hat unser Projekt jetzt natürlich eine besondere thematische Brisanz bekommen. Aber tatsächlich ist es mir schon länger ein Anliegen, dass wir mit der Galerie im Digitalen neue Möglichkeiten erschließen. Es ist also alles andere als ein Schnellschuss.“

Die App der König Galerie bzw. die Angebote von König Digital sollen den realen Galerieraum also nicht ersetzen?

Johann König: „Es geht nicht um einen Ersatz, sondern um einen Zusatz. Wir arbeiten mit dem realen Raum, um über Vertrautes Neues zu erschließen. Man kann durchaus eine Parallele zur Videokunst ziehen. Videokünstler haben mittlerweile kein Problem mehr damit, dass ihre Videoarbeiten im Internet zur Verfügung gestellt werden, weil die Erfahrung in der Galerie oder im Museum, wie bei der Malerei, eine andere ist. Besonders interessant wird es, wenn es um digitale Kunst im Digitalen geht. Das ist der nächste Schritt.“

Herr Rossner, welche Vorteile sehen Sie darin, Ihre Ausstellung „Surprisingly This Rather Works“ jetzt im virtuellen Raum in der König Galerie zu zeigen?

Manuel Rossner: „In den Räumlichkeiten der König Galerie in der brutalistischen Kirche St. Agnes kann ich Kunst so zeigen, wie es in der Realität selbst mit größten Mitteln nicht möglich wäre. In der Ausstellung gibt es zum Beispiel schwebende Steine und riesige Skulpturen, die sehr schwer oder gar nicht zu produzieren gewesen wären. Ich versuche, das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden. Den Ausstellungsbesuchern wird so die Möglichkeit gegeben, sich in der Kirche zu orientieren und ein Gefühl für Proportionen zu bekommen.“

Wie in einer regulären Ausstellung sind bei „Surprisingly This Rather Works“ verschiedene Kunstwerke zu sehen. Wie sind diese Objekte entstanden?

Manuel Rossner: „Die Skulpturen habe ich in Virtual Reality gemalt. Im virtuellen Ausstellungsraum habe ich Zeichnungen in die Luft gemacht, die dann vom Computer in Skulpturen umgerechnet wurden. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass es sich um eine plastische Version von einer Linie handelt. Hier gibt es also einen Schnittpunkt zur Malerei, denn für mich ist das ein malerischer Vorgang. Das Endergebnis hat allerdings eine skulpturale Qualität. Hier stolpert man über die Frage: Was sind eigentlich Skulptur und Malerei im Digitalen?“

Sind alle Objekte in der Ausstellung auf diese Art gemalt?

Manuel Rossner: „Neben den gemalten Skulpturen gibt es auch Objekte, die Physik-Simulationen sind. Einige dieser Arbeiten orientieren sich am virtuellen Raum der König Galerie in der ehemaligen St. Agnes Kirche. Sie wurden von einem Algorithmus in die Proportionen der realen Galerie hineingerechnet, etwa als ballonartig aufgeblasene Gebilde. Und es gibt Elemente, die ich in sogenannten Online Warenhäusern gekauft habe, das sind die schwebenden Steine und das Avatar-Männchen. Vor allem das Männchen hat für mich eine besondere Bedeutung. Da jeder Zugang zu dieser Figur hat, sehe ich hier einen universellen Ansatz.“

Als Avatar kann man bei „Surprisingly This Rather Works“ mit den verschiedenen Objekten interagieren. Man bewegt sich dabei aber nicht einfach wie in einem Rundgang durch die Ausstellung, sondern spielt ein Jump-and-Run Game.

Manuel Rossner: „Ich habe mir überlegt, wie ich die Ausstellung wie ein Spiel gestalten kann. Dabei ist mir die Fernsehshow ‚American Gladiators‘ wieder eingefallen. Ich mag diesen 80s/90s Style der Show und wie der menschliche Körper zum Einsatz kommt. Es geht dabei nicht um Geschicklichkeit wie beim Tennis. Der Mensch wird zur Kanonenkugel, also zum Teil des Geschehens. So lässt sich die Spiel-Idee auch in den digitalen Raum übertragen. In der Ausstellung ‚The Artist Is Online‘ wird das übrigens noch einmal anders erfahrbar. Man steht dann neben diesem Männchen und kann die Objekte im Raum in Lebensgröße wahrnehmen.“

Vielen Dank für das Interview.


Manuel Rossner: Surprisingly This Rather Works

König Galerie / König Digital
9.4.2020–9.4.2021


Header-Bild: Außenansicht „Surprisingly This Rather Works“, König Digital, Manuel Rossner, Surprisingly Bubbles, 2020, Digitalobjekt, 30x30x37m, Courtesy: Manuel Rossner, König Galerie


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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