FitArt: Kunst-Workout auf dem Smartphone

Mit der Ausstellung „Connected in Isolation“ startet die Galerie Roehrs & Boetsch die App FitArt – ein Fitness Art Club fürs Smartphone.

Mit der Ausstellung "Connected in Isolation" startet die Galerie Roehrs & Boetsch die App FitArt - einen Fitness Art Club fürs Smartphone

[Online-Tipp] Seit dem Beginn der Corona-Krise scheint die Stunde der Digitalen Kunst gekommen zu sein – und endlich erfahren auch die Akteure der NetArt mehr Aufmerksamkeit. Museen und Galerie verlegten in den letzten Monaten ihre Angebote in den virtuellen Raum und auch die eine oder andere App wird auf den Weg gebracht. Im April ging bereits König Digital, die App der König Galerie, mit der Ausstellung „Surprisingly This Rather Works“ mit Arbeiten von Manuel Rossner an den Start. Nun lanciert die Galerie Roehrs & Boetsch ihre App FitArt, einen „Fitness Art Club“ mit der Gruppenausstellung „Connected in Isolation“. Mit dabei sind bekannte Namen wie Jeremy Bailey, Damjanski, Constant Dullaart, Olia Lialina, Jillian Mayer oder Molly Soda.


Trainingseinheiten mit Digitalkunst

Fitnessstudios, Museen und Galerien haben eines gemeinsam: Sie alle mussten im März 2020 schließen, um die Ausbreitung der Corona-Virus Pandemie einzudämmen. Wo das Erlebnis vor Ort nicht mehr möglich war, wurde schnell digitale Abhilfe geschaffen. Museen und Galerien konzentrierten sich stärker auf Online-Angebote oder virtuellen Ausstellungen. Und im Sport-Bereich boomten Fitness-Apps, die das Trainieren zu Hause begleiten und anleiten sollten.

Mit der App FitArt verbindet die Galerie Roehrs & Boetsch nun beide Phänomene. Seit Juni 2020 können sich Nutzer den Fitness Art Club nach Hause holen, in dem Kunst als Trainingseinheit präsentiert wird. In der ersten Ausstellung „Connected in Isolation“ verbinden sich ingesamt 14 je 30-sekündige Übungen zu einem kompletten Workout. Kunst lässt sich hier in Zeiten von Social Distancing gemeinsam online erleben. Die gezeigten Übungen können natürlich zum einen nachgemacht werden. Zum anderen regen die Arbeiten aber auch zum Nachdenken darüber an, wie Soziale Medien und Technik den Umgang mit unserem Körper beeinflussen.


Connected in Isolation: 7-Minuten Workout

Petra Cortright: 911 King (2011)

Übung 1: Das Workout von FitArt beginnt mit einer Arbeit der amerikanischen Künstlerin Petra Cortright (*1986). In ihrer Übung „911 King“ tanzt sie im Sport-Outfit und in einer pixeligen Strand-Kulisse zum Song „Fire Burning On The Dance Floor“ von Sean Kingston.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Für Profis. Wer Corona-bedingt aus der Übung ist oder sich ohnehin dem Sofa mehr verbunden fühlt als dem Gym, kommt bei Petra Cortright direkt an seine Grenzen. Was nach Spaß und lockeren Dance-Moves aussieht, ist ein knallharter Einstieg ins Workout.


Jeremy Bailey: Tassel Twirl (2020)

Übung 2: Der Kanadier Jeremy Bailey (*1979) bietet mit seiner Übung „Tassel Twirl“ Lockerungen zwischendurch. Digital werden vor die Brust zwei kugeln platziert, unter denen eine Reihe kleiner bunter Würfel schwebt. Durch Bewegungen bringt man die virtuellen Würfel-Ketten zum schwingen und kreisen.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Für Einsteiger. Immer locker aus der Hüfte, mehr braucht es nicht um die virtuellen Quasten (engl. tassel) schwingen und kreisen zu lassen. Burlesque-Trainig für Anfänger sozusagen.


Olia Lialina: Animated GIF Model – Hula Hoop (2005)

Übung 3: Als kleines buntes GIF auf schwarzem Hintergrund lässt NetArt-Pionierin Olia Lialina den Hula-Hoop-Reifen kreisen. Das GIF wirkt fast hypnotisch mit seinem dynamischen Rhythmus. Es erinnert an die frühe Zeit des Internet, als Websites von animierten GIFs bevölkert waren.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Der Klassiker. Das sogenannte „Hula Hooping“ stärkt die Rückenmuskulatur und festigt das Gewebe an Bauch und Hüfte. Zu Hause sollte man allerdings für ausreichend Platz sorgen und Zerbrechliches aus dem Weg räumen – sicher ist sicher.


Damjanski: Present Memories (2017/2020)

Übung 4: In der Übung „Present Memories“ trägt Damjanski (*1987) ein hübsches weißes Shirt mit der Aufschrift „Internet“. Er ist dabei zu beobachten, wie er in die Luft spuckt und dies dann mit dem Mund wieder auffängt. Zum Glück ist die Spucke nur digital – das Geräusch ist dennoch eindrücklich.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Safety first. In vielen Sportarten gehört Spuken dazu, z.B. im Männer-Fußball. In Zeiten von Corona ist das Verbreiten von Körperflüssigkeiten aus dem Rachen aber auch ein Gesundheitsrisiko. Vorbildlich, wer seine Spucke also nicht auf dem Boden verteilt, sondern sie sich wieder einverleibt.


Sebastian Schmieg: Speed Reading (2020)

Übung 5: In seiner Übung „Speed Reading“ zeigt Sebastian Schmieg ein Emoji-Auge um das mehrere Begriffe kreisen. Die Pupille der Emoji-Person folgt dabei den Begriffen, aus denen sich vermeintlich Sätze zusammenfügen.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Anspruchsvolles Gehirntraining. Mentale und körperliche Fitness gehören bekanntlich zusammen und so ist dies eine Übung zum Schnell-Lesen, die gleichzeitig als Augentraining dient – Selbstoptimierung bei der Kunstbetrachtung also.


Jilian Mayer: Surveillance Training (2020)

Übung 6: Die Metal-Musik in Übung 6 macht deutlich: Hier wird es ernst! Bei den „Basic Calisthenics for Surveillance Training“ geht es darum, die Nachbarschaft von zu Hause aus zu überwachen. Die amerikanische Künstlerin Jilian Mayer (*1984) zeigt, wie man das Ganze sportlich gestalten kann: Eine Leiter besteigen, balancieren, einen Hindernisparcours bewältigen – stets mit Fernglas in der Hand.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Fitter Zeitvertreib. Wenn man Corona-bedingt nicht mit anderen Menschen zusammenkommen kann, bleibt einem die Möglichkeit, Menschen aus der Ferne zu beobachten – oder zu observieren. Wer einige Hindernisse in den Überwachungsprozess einbaut, bleibt dabei sogar fit.


Molly Soda: Tap to Change (2020)

Übung 7: In der Übung „Tap to Change“ blickt die amerikanische Künstlerin Molly Soda (*1989) direkt in die Smartphone-Kamera. Eine Berührung mit dem Finger (engl. tap) wechselt verschiedene Augmented Reality Filter auf ihrem Gesicht: Große Wimpern, Tränen, Ölflecken oder ein kompletter Avatar-Look wechseln sich ab.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Der Corona-Klassiker. Als aufgrund der Corona-Pandemie das öffentliche Leben zum Erliegen kam und man auch andere Menschen nicht mehr persönlich treffen konnte, fand für viele das Leben überwiegend online statt. Die Finger sollten vom Bedienen des Smartphone-Displays also bereits gut trainiert sein. Hier heisst es dennoch: Weiter im Training bleiben, um Verspannungen vorzubeugen.


Constant Dullaart: Human Saver (DVD Guy) (2009)

Übung 8: Der niederländische Künstler Constant Dullaart (*1979) zeigt in seiner Übung „Human Saver“, wie man zum lebenden Desktop-Bildschirmschoner wird. Im legeren Corona-tauglichen Outfit (weißes Feinripp-Unterhemd) vollführt er in seiner Küche eine kreisende Choreographie, in der er bunte Pappschilder mit dem DVD-Logo hochhält.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Entspannende Lockerung. Auch diese Übung lässt sich wieder leicht und auch von Ungeübten zu Hause nachmachen. Am besten vor dem Fenster, auf dem Balkon oder im Garten – damit die Nachbarn auch die Show genießen können.


Elisa Giardina Papa: Labor of Sleep (2017/2020)

Übung 9: „Verbessere deinen Schlaf mit einer schönen und magischen Übung“ verkündet eine weibliche Computerstimme zu Beginn dieses Videos der italienischen Künstlerin Elisa Giardina Papa (*1979). Rote Haarbüschel schwingen im „Labor of Sleep“ rhythmisch hin und her. „Konntest du deine Gewohnheiten verändern?“ fragt die Computerstimme abschließend.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Traumhaft sportlich. Guter Schlaf ist so wichtig, um fit zu bleiben. Ob schwingende Zöpfe zu entspannenden Träumen animieren? Vielleicht…


Evan Roth: Dances For Mobile Phones (2015/2020)

Übung 10: Hier bittet der Amerikaner Evan Roth (*1978) um einen Tanz. In der Übung „Dances For Mobile Phones“ schwingen eine Frauenhand und eine Männerhand den Zeigefinger zu elektronischen Geräuschen auf einem Smartphone-Display, dessen Anzeige für den Betrachter nicht sichtbar ist.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Sportliche Fingerübung. Die Clubs sind wegen Corona geschlossen, die Tanzflächen bleiben leer. Wer dennoch einen Tanz wagen möchte, begibt sich aufs Display des Smartphone.

  • @evanroth_

Lauren Huret: Cosmic Blending (2020)

Übung 11: Die Französin Lauren Huret (*1984) animiert in der Übung „Cosmic Blending“ zum schwungvollen Kopfschütteln. Ein AR-Filter überzeichnet ihr Gesicht in der Bewegung mit einem Bildausschnitt aus den Weiten des Weltalls. So verschmilzt man nicht nur dem Universum – man entgeht auch der Gesichtserkennung von Überwachungssystemen.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Lockerer Genick-Sport. Corona bedeutet Homeoffice in oft ungünstiger Haltung. Ob im Bett, auf dem Sofa oder am Küchentisch – keine einfachen Zeiten fürs Genick. Hier kommen diese Lockerungsübungen für Hals und Schultern genau richtig.


Sam Lavigne: Proper Behavior (2019/2020)

Übung 12: Der amerikanische Künstler Sam Lavigne (*1981) zeigt in der Übung „Proper Behavior“ Personen vom Hals abwärts, die verschiedene Posen einnehmen. Das Interessante dabei: Die Körperhaltung der Personen spiegeln Bilder einer Datenbasis, die für das Training von AI-basierter Bilderkennung genutzt wird.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Geübt für Instagram. Sport dient vielen dazu, vor allem auf Instagram gut auszusehen. Doch für den richtigen Insta-Look braucht es nicht nur einen guten Style und einen fitten Körper, sondern natürlich auch die richtige Pose. Diese Übung sollte man häufig wiederholen, bis alles sitzt.


Jodi: ZYX (2012/2020)

Übung 13: Jodi bzw. jodi.org (gegründet 1995) halten es in der Übung „ZYX“ schlicht, aber effektiv. Ein Smartphone-haltendes Strichmännchen zeigt, wie es geht: Spring 10 mal nach oben, dreh dich 10 mal linksherum im Kreis, strecke das Smartphone 10 mal nach oben und unten und drücke es schließlich noch 10 mal nach vorne.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Smartphone-Training. Kurz vor Schluss wird es noch einmal richtig anstrengend im Workout von FitArt. Zum Glück werden die Übungen aber nicht mit schweren Hanteln durchgeführt, sondern mit dem Smartphone.


exonemo: Higher Self (2020)

Übung 14: In der letzten Übung des Workout zeigt das japanische Künstlerkollektiv exonemo (gegründet 1996), dass sich selbst eine Meditation am Meer sehr gut für einen Social-Media-Livestream eignet. Während man sich konzentriert und mit seinem „Higher Self“ verbindet, gibt es Feedback der Follower: „I feel energy“ oder „I love this“ rauscht durch die Kommentare, der Zähler der Views schießt in die Höhe.

Dauer: 30 Sekunden

Fazit: Live-Entspannung. Viele Workouts werden mit einer Entspannungsübung beendet, so ist es auch bei FitArt. Doch wer meditiert, kann ruhig zeigen, wie toll das ist – am besten als Livestream in Social Media. Herzchen und Likes der Follower sorgen für ein besseres Gefühl als jede Entspannungsübung.


Connected in Isolation

FitArt – Fitness Art Club
Roehrs & Boetsch
16.06.2020 – 16.06.2021

Ebenfalls in der FitArt-App verfügbar ist die Ausstellung „Female Body“ (08.12.2020 – 08.12.2021).


Header-Bild: Angelika Schoder, 2020


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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