Virtual Reality im Museum: Wird VR-Technologie die Kunst revolutionieren?

Virtual Reality im Museum ist ein weltweiter Hype, der auch Deutschland erreicht hat. Doch auch Künstler setzen sich mit VR-Technologie auseinander.

Virtual Reality im Museum ist ein Hype, der auch Deutschland erreicht hat. Doch auch Künstler setzen sich mit VR-Technologie auseinander.

[Werbung] Virtuelle Realität wird eher früher als später zu einem Bestandteil unseres Alltags – zumindest wenn es nach Microsoft, Facebook oder Samsung geht, den Global Players im Bereich der VR-Technologie. Auch vor dem Kulturbereich macht diese Entwicklung nicht Halt. Institutionen wie das Smithsonian American Art Museum, das Städel Museum in Frankfurt oder das British Museum in London haben Virtual Reality bereits für sich entdeckt. Und auch Künstler setzen sich mit virtuellen Welten auseinander und machen sie zum Thema ihrer Werke, wie das Zeppelin Museum Friedrichshafen in seiner aktuellen Ausstellung zeigt.


VR-Technologie und virtuelle Kunsträume

Durch VR-Technologie erweckte das Skagens Museum im Sommer 2017 in seiner Sonderausstellung „At the table – People, food & nature morte“ ein Kunstwerk zu digitalem Leben. Das dänische Moesgaard Museum versetzte seine Besucher bereits 2016 in die Steinzeit und das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt lässt seit Anfang 2017 ein lebendiges Dinosaurier-Skelett auf seine Besucher los. All das ist dank Virtual Reality möglich. Das Städel Museum in Frankfurt hat gleich eine ganze VR-App entwickeln lassen. Eine virtuelle „Zeitreise“ nimmt den Besucher mit ins 19. Jahrhundert und zeigt, wie das Museum vor rund 140 Jahren aussah. An Virtual Reality kommt man als Kulturfan zur Zeit nicht vorbei, so scheint es.

Auch das British Museum mischte beim VR-Trend in diesem Jahr kräftig mit. Im April 2017 gab das Museum bekannt, dass es mit dem VR-Anbieter Oculus an Virtual-Reality-Touren arbeitet, durch die sich die beliebtesten Ausstellungen des Museums digital erkunden lassen. Die erste 360-Grad-Tour führt durch die Ägyptische Galerie des Museums. Die Tour kann über Facebook von jedem Computer oder Mobilgerät aus gestartet werden. Durch die zusätzliche Nutzung eines VR-Headsets können die virtuellen Besucher sogar völlig eintauchen. Für die VR-Tour wurde hochauflösende 360-Grad-Fotografie mit zusätzlichen Inhalten kombiniert, darunter Audiokommentare der Kuratoren und interaktive 3D-Modelle von den wichtigsten Objekten.


Virtuelle Kunstwerke und die Auseinandersetzung mit VR-Technologie in der Kunst

VR-Technologie ist nicht nur ein Thema für Institutionen, die Kunst ausstellen und vermitteln. Auch Künstler setzen sich mit Virtual Reality auseinander, dies zeigt das Zeppelin Museum Friedrichshafen in seiner aktuellen Ausstellung „Schöne neue Welten“ noch bis 8. April 2018. Im Schwerpunkt geht es dabei um die Verschränkung virtueller und realer Räume, wobei die gesellschaftspolitische Dimension von VR-Technologie eine besondere Rolle spielt. Was ist Illusion und wie kritisch sollte man Virtual Reality hinterfragen? Damit befassen sich in der Ausstellung u.a. Künstlerinnen und Künstler wie Halil Altindere, Trisha Baga, Forensic Architecture oder The Nest Collective. Es geht dabei etwa um die Anwendung von VR-Technologie in der Forensik, in der Pornoindustrie oder als Bestandteil der modernen Kriegsführung.


Die Kollision von realen und virtuellen Welten im Zeppelin Museum

Mit Ina Neddermeyer, der Kuratorin der Ausstellung „Schöne neue Welten“, sprach musermeku über die Aura virtueller Kunstwerke, über den Einfluss von VR-Technologie auf die Sehgewohnheiten des Publikums und darüber, wie man Virtual Reality als Ausstellungsthema szenografisch umsetzt.

Die Geschichte virtueller Welten

In der Forensik, in der Porno-Industrie oder im militärischen Bereich ist der Einsatz von VR-Technologie ein hochaktuelles Thema. Gleichzeitig sind immersive Technologie, wie Virtual Reality oder 3D-Installationen, jedoch nicht „geschichtslos“, wie Ina Neddermeyer, die Kuratorin der Ausstellung „Schöne neue Welten“, im Interview mit MusErMeKu betont: „Virtual Reality ist nicht aus dem Nichts heraus entstanden. Vielmehr ist die heutige VR-Technologie das Ergebnis einer historischen Entwicklung: Neben den Stereoskpien verdeutlichen Dioramen oder Panaromen das Interesse an immersiven Medien, das sich über Jahrhunderte erstreckt“, so Neddermeyer. Aus diesem Grund entschied sich auch das Zeppelin Museum dafür, die Stereoskopien, die die Geschichte und Entwicklung der Zeppeline Anfang des 20. Jahrhunderts begleiten, in der Ausstellung als Auftakt zu nutzen. Dieser Blick auf die Geschichte soll der Wahrnehmung entgegenwirken, dass das Interesse an virtuellen Räumen eine neue Erscheinung sei.

So alt und gleichzeitig so aktuell ist auch die Debatte um Kunst im virtuellen Raum. Angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklungen zeigte sich schon in Walter Benjamins Schrift „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ aus dem Jahr 1935 eine Sorge um die „Aura des Originals“. Lässt das Virtuelle also die Aura eines Werkes verkümmern? Zumindest im Feuilleton wurden erst in den letzten Monaten immer wieder Ansätze kritisiert, Kunst digital zugänglich zu machen bzw. scheinbar technisch zu reproduzieren. Im Prinzip werden diese Debatten zur technischen Reproduzierbarkeit und Digitalisierung schon sehr lange geführt, wie auch Ina Neddermeyer feststellt. „Immer geht es um die Angst, dass die digitale Bilderverfügbarkeit die Anziehungskraft von Kunstwerken einschränkt und die Leute nicht mehr ins Museum gehen“, so die Kuratorin. Eigentlich sei aber genau das Gegenteil der Fall: „Die Besucher kommen trotzdem, und zwar weil Museen als Orte des Austauschs auch eine Reflektion ermöglichen.“


VR-Technologie als körperliche Erfahrung

Den Nutzern bzw. Ausstellungsbesuchern ermöglich die VR-Technologie ein körperliches Eintauchen und eine ganzheitliche Art der Interaktion. Damit eröffnet die virtuelle Realität auch völlig neue Möglichkeiten, Kunst wahrzunehmen. Als Betrachter wird man direkt angesprochen. Man steht nicht mehr nur passiv vor Kunstobjekten, sondern befindet sich direkt in diesen und wird durch interaktive Elemente unmittelbar involviert. Ina Neddermeyer verweist hier darauf, dass dieses „Eintauchen“, das sehr stark körperlich ist, aber auch problematisch sein kann: „Eine kritische Distanz wird dadurch erschwert. Es stellt sich die Frage: Wie kann ich als Besucherin bzw. als Besucher überhaupt eine reflektierende Rolle einnehmen, wenn ich so überwältig bin von den neuen Technologien? Das ist eine Frage, die uns im Museum sehr stark beschäftigt hat und für die wir auch neue Vermittlungsformate entwickelt haben. Um einen Austausch in der Ausstellung anzuregen, stehen unter anderem Livespeaker bereit. Das sind Vermittlungspersonen, die die Besucher inhaltlich und technisch an die Kunstwerke heranführen und mit denen man ins Gespräch kommen kann.“

Die Besucher erleben die Ausstellung des Zeppelin Museums entlang eines Parcours, der zusammen mit dem Berliner Architekturbüro Kooperative für Darstellungspolitik entwickelt wurde. Beim Ausstellungsparcours war es dem Museum wichtig, die Verschränkung virtueller und physischer Räume für die Besucher erfahrbar zu machen: „Durch die Ausstellung zieht sich ein Leitsystem signalgelber Handläufe. Sie bieten Orientierung und geben als physische Objekte Halt, wenn man sich in den virtuellen Welten verliert“, so Ina Neddermeyer im Interview. Ziel der Ausstellung sei es, die ganze Bandbreite virtueller Welten sichtbar zu machen. Hierfür wechseln sich VR-Stationen mit klassischen Videoinstallationen ab und Simulationen treffen auf 3D-Installationen. „Sich mit seinem Körper durch diesen Parcours zu begeben, ist eine Reise“, stellt Neddermeyer fest. „Nicht nur räumlich, sondern vor allem auch technologisch und künstlerisch eröffnen sich in der Ausstellung verschiedene Welten.“


Szenografie für Virtuelle Räume

Das Zeppelin Museum befindet sich in einem denkmalgeschützten Hafenbahnhof. Dieser Ort stellte für die Szenografie der Ausstellung eine besondere Herausforderung dar, wie Kuratorin Ina Neddermeyer anmerkt: „Wir haben uns in der Ausstellung daher bewusst dazu entschieden, die Besucher nicht auf eine durchgängig virtuelle Reise zu schicken. Uns interessiert stattdessen die Überlagerung der virtuellen und der realen Welten. Das ist ja gerade die spannende Erfahrung: Was ist virtuell, was ist real und was ist nur ein Ausstellungsraum? Außerdem haben wir versucht, den technischen Apparat hinter den virtuellen Welten sichtbar zu machen: Computertower, Verkabelung und die Tracking-Systeme sind offengelegt. So wird deutlich, dass die scheinbar unbegrenzten virtuellen Welten doch eine ganz klar physische Präsenz haben, die beschränkt ist. Man spürt das Gewicht der Brille oder das Kabel, das immer noch notwendig ist, um u.a. eine Stromversorgung möglich zu machen.“

Die Ausstellung, und insbesondere ihr Aufbau, wurde übrigens auch im Museumsblog und bei Instagram unter @zeppelinmuseum begleitet. Die Kuratorin betont dazu, dass sich virtuelle Welten und Social Media auf vielen Ebenen sehr gut verbinden ließen: „Nicht nur, weil die Leute, die im digitalen Raum unterwegs sind, besonders technikaffin sind, sondern auch, weil der digitale Raum ein wichtiger Bestandteil des Diskurses um virtuelle Welten ist.“ Aus diesem Grund sei es wichtig, besonders zu diesem Thema Soziale Medien in die Vermittlung mit einzubeziehen. Und letztendlich würden sich die Interaktionsmöglichkeit bei Social Media Plattformen auch in den VR-Arbeiten wiederfinden, indem die Besucher zu Akteuren werden, so Neddermeyer.

Dieser Beitrag entstand im Auftrag des Zeppelin Museum Friedrichshafen.


Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburger Staatsoper, 2016


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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