[Debatte] Im Jahr 2023 wurde im Auftrag der Hamburger Behörde für Kultur und Medien eine umfangreiche Besucherbefragung in insgesamt 25 staatlichen und privaten Kultureinrichtungen in Hamburg durchgeführt. Als Besonderheit wurden auch Menschen befragt, die diese Kulturorte nicht besuchen, also Museums-Nichtbesucher. Wenig überraschend, sind die Nichtbesuchenden durchschnittlich jünger als das Publikum der Hamburger Kulturinstitutionen, weniger gebildet und verfügen über ein geringeres Einkommen. Sie nutzen in ihrer Freizeit andere Angebote wie Erlebniswelten und Tierparks oder verbringt die Zeit eher zu Hause im Freundeskreis oder mit der Familie. Die Befragten schätzten das Kulturangebot in Hamburg als weit weg vom eigenen Alltag und als unmodern ein, weshalb sie Kulturinstitutionen nicht besuchen. Grundsätzlich können die Beweggründe für Museums-Nichtbesucher durchaus sehr verschieden sein – vom Vermeiden nur bestimmter Museen bis hin zu komplettem Vorbehalt gegenüber der vermeintlichen „Hochkultur“.
Forschung zum Kulturpublikum in Hamburg
Im Auftrag der Hamburger Behörde für Kultur und Medien wurden insgesamt 13.600 Besuchende auf Basis eines Fragebogens interviewt. Der Fragebogen konnte analog oder digital ausgefüllt werden. Ergänzend wurden auch 1.000 Nicht-Besucher online befragt. Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass das Publikum der Hamburger Kultureinrichtungen überwiegend aus Frauen besteht (61 Prozent), während Männer 38 Prozent und Personen mit diverser Geschlechtsidentität 1 Prozent ausmachen. Der Altersdurchschnitt liegt bei 51 Jahren und die Mehrheit der Besuchenden ist gut ausgebildet: 64 Prozent besitzen einen Hochschulabschluss und 26 Prozent haben das Abitur oder eine Berufsausbildung. Ein Großteil der Befragten ist erwerbstätig (57 Prozent) oder befindet sich im Ruhestand (27 Prozent) und verfügt größtenteils über ein mittleres (54 Prozent) oder hohes Einkommen (31 Prozent). 83 Prozent der Befragten haben keinen Migrationshintergrund.
51 Prozent der Besuchenden stammen direkt aus Hamburg, 17 Prozent kommen aus der Metropolregion. Touristen machen einen Anteil von 32 Prozent aus, 5 Prozent davon kommen aus dem Ausland. 42 Prozent der touristischen Gäste gab bei der Befragung an, dass der Besuch einer Kultureinrichtung der Hauptgrund für ihren Aufenthalt in Hamburg war.
Viele der der Kultur-Besucher sind regelmäßige Gäste: 74 Prozent der Befragten planen, die besuchte Kulturinstitution erneut aufzusuchen. Die Umfrage ergab außerdem, dass etwa ein Viertel der Kulturinteressierten ein vielseitiges Interesse an verschiedenen kulturellen Angeboten zeigt: Sie besuchen gerne sowohl Theater- und Ballettaufführungen, Kunstausstellungen und Lesungen sowie Popkonzerte, Filmfestivals und Poetry Slams. 13 Prozent der Befragten interessieren sich sogar ausschließlich für Veranstaltungen der Hochkultur, während 18 Prozent nur popkulturelle Events besuchen.
Wer sind die Nichtbesucher?
In der parallel durchgeführten Befragung von Nichtbesuchern gaben 38 Prozent an, dass sie Kultureinrichtungen gar nicht oder nur sehr selten besuchen. Diese Gruppe ist im Durchschnitt etwas jünger als das typische Publikum der Hamburger Kulturinstitutionen, hat einen geringeren Bildungsabschluss und ein niedrigeres Einkommen. Etwa die Hälfte dieser Nichtbesucher bevorzugt in ihrer Freizeit andere Aktivitäten, wie den Besuch von Erlebniswelten oder Tierparks. Die andere Hälfte verzichtet ganz auf solche Angebote und verbringt ihre freie Zeit lieber zu Hause im Kreis von Freunden oder mit der Familie.
Obwohl die Hamburger Kultureinrichtungen, laut Befragung, von den Nichtbesuchern als positiv und sympathisch wahrgenommen werden, empfinden sie das kulturelle Angebot als wenig alltagsnah und nicht zeitgemäß. Der Hauptgrund für den Verzicht auf Kulturangebote sind andere Freizeitinteressen (38 Prozent). Zudem fühlen sich 36 Prozent nicht von den Angeboten der Kultureinrichtungen angesprochen. In ihrer Freizeit legen die Nichtbesucher vor allem Wert auf eine angenehme Zeit (77 Prozent), gemeinsame Aktivitäten mit Freunden oder mit der Familie (63 Prozent) und sie wollen Spaß haben (73 Prozent). Inspiration durch Kunst und Kultur oder der Wunsch, Neues zu entdecken, spielen mit jeweils 39 Prozent eine untergeordnete Rolle.
Auch die Eintrittspreise könnten ein Grund sein, warum Nichtbesucher keine Kulturinstitutionen aufsuchen: 36 Prozent von ihnen empfinden die Eintrittspreise für Kulturveranstaltungen als zu hoch. Gleichzeitig zeigte die Umfrage, dass vielen in dieser Gruppe die genauen Preise oft gar nicht bekannt sind. Im Vergleich dazu bewerteten die Besuchenden von Kultureinrichtungen die Eintrittspreise in der Umfrage überwiegend positiv: 61 Prozent der Befragten halten den Preis für eine besuchte Kulturveranstaltung für angemessen, während 24 Prozent ihn sogar als günstig oder sehr günstig einschätzen. Dies kann aber auch daran liegen, dass die Gruppe der Kulturbesucher durchschnittlich ein höheres Einkommen hat als die Nichtbesucher – natürlich erscheinen einem die Preise dann günstiger, wenn man mehr Geld zur Freizeitgestaltung ausgeben kann.
Die wichtigsten Gründe für Museums-Nichtbesucher
Menschen sehen sich mit Barrieren konfrontiert, die sie vom Museumsbesuch abhalten.
Offensichtliche Barrieren für Besucher sind zu hohe Eintrittsgelder, beschränkte Öffnungszeiten, mangelnde Barrierefreiheit vor Ort und eine schwierige Erreichbarkeit, etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Doch es gibt auch verdeckte Barrieren, etwa die Sorge, nicht richtig für einen Museumsbesuch angezogen zu sein, nicht zu wissen, wie man sich im Museum verhalten soll oder die Befürchtung, als Zielgruppe im Museum nicht willkommen zu sein.
Das Angebot des Museums ist nicht ausreichend bekannt.
Vielleicht kennen potenzielle Besucher das Museumsangebot gar nicht, weil die Kommunikation dazu nicht an die passende Zielgruppe gerichtet wurde.
Die Angebote können auch so speziell sein, dass sie nur für eine sehr kleine Zielgruppe interessant sind. Bei der breiteren Bevölkerung treffen diese dann gar nicht auf Interesse.
Eventuell wurden aber auch die Inhalte, Begleitprogramme und Events des Museums nicht richtig vorgestellt und potenzielle Besucher verstehen gar nicht, was sie im Museum erwarten wird.
Nicht alle Zielgruppen sehen für sich eine Relevanz in den Museumsangeboten.
Inhalte können als irrelevant empfunden werden, wenn sie keinen Bezug zu aktuellen Themen haben.
Es kann auch sein, dass ein Museum nicht als angemessener Ort empfunden wird, sich mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. Dem Museum wird dann nicht die Kompetenz zugesprochen, gewisse Inhalte angemessen zu vermitteln.
Vielleicht gibt es auch andere Museen, die das Thema umfangreicher und überzeugender behandeln. Sie können auch günstigere, besser zugängliche oder kinderfreundlichere Angebote bieten.
Menschen wollen ihren Besuch nicht wiederholen.
Ebenfalls kritisch ist es, wenn Besucher das Museum bereits kennen, aber nach einem Besuch nicht wieder kommen. Vielleicht waren sie mit den Inhalten des Museums nicht zufrieden und Erwartungen wurden enttäuscht.
Möglicherweise war das Angebot für Kinder nicht ansprechend oder das Aufsichtspersonal unfreundlich.
Vielleicht wurde den Besuchern aber auch im Anschluss an ihren ersten Besuch kein Grund geboten, noch einmal wieder zu kommen – etwa durch die Information über neue Ausstellungen oder weitere Veranstaltungen.
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Besucherforschung als Spurensuche
Die meisten Museen setzen sich damit auseinander, wie sie Besucher noch besser erreichen und langfristig für sich interessieren können. Ein wichtiges Instrument, um diese Frage zu beantworten, bietet hier die Besucherforschung. Um Besucher verstärkt in den Blick zu nehmen und sich mit ihren Bedürfnissen und Perspektiven auseinanderzusetzen, hat der Deutsche Museumsbund 2019 den Leitfaden „Hauptsache Publikum! Besucherforschung für die Museumspraxis“ herausgegeben. Diese Publikation war der Vorläufer des bundesweiten Netzwerks Besucherforschung e.V., das Ende August 2022 gegründet wurde.
Ziel des Netzwerks ist es, Besucher- und Publikumsforschung in den Museen zu stärken, Besucherforschung zu einer breiten, wissenschaftlich fundierten Anwendung zu bringen und Wissenstransfer zwischen Museen, Forschungseinrichtungen und Universitäten zu fördern. Ein wichtiger Aspekt sollte hier auch die Forschung zu Nichtbesuchern sein.
Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburger Kunsthalle, 2024
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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