Picasso und die Alten Meister

Das Museo Bellas Artes de Sevilla betrachtet in einer Ausstellung die Beziehung von Pablo Picasso zu den Alten Meistern des Goldenen Zeitalters Spaniens.

Das Museo Bellas Artes de Sevilla betrachtet in einer Ausstellung die Beziehung von Pablo Picasso zu den Alten Meistern des Goldenen Zeitalters Spaniens.

[Ausstellung] Welchen Einfluss hatte die Kunst der Alten Meister des Goldenen Zeitalters Spaniens auf das Werk von Pablo Picasso? Dieser Frage geht das Museo Bellas Artes de Sevilla mit seiner Ausstellung „Cara a Cara“ nach. Den Arbeiten von El Greco, Zurbarán oder von Pacheco werden jeweils passende Gemälde Picassos gegenübergestellt. Der Dialog der Gemälde zieht sich dabei durch die gesamte Dauerausstellung des Museums; immer wieder werden die bekannten Werke der Sammlung durch eingestreute Werke Picassos unterbrochen. Manchmal ist diese Intervention schon von Weitem sichtbar, manchmal fügen sich die Bilder des 20. Jhd. aber auch harmonisch in ihr Umfeld aus Gemälden der Alten Meister ein.


Picasso und El Greco

Pablo Picasso gilt als einer der revolutionärsten Künstler des 20. Jhd. Unterrichtet wurde der 1881 in Málaga geborene Picasso von seinem Vater, dem Maler und Lehrer José Ruiz Blasco, der ihn mit den spanischen Alten Meistern vertraut machte. So zeigt sich im Laufe der langen Schaffenszeit von Picasso immer wieder seine Hingabe an die spanische Kunst und Kultur. Er behauptete sogar, dass der von ihm geprägte Stil des Kubismus einen „spanischen Ursprung“ hätte.

Vor allem in seinen späten Jahren verglich Picasso seine Arbeiten immer wieder mit dem Werk der spanischen Meister, die er verehrte. Besonders El Greco nahm für ihn eine wichtige Position ein; für Picasso repräsentierte dieser die höchste künstlerische Vollkommenheit. Bereits gegen Ende der 1890er Jahre zeichnete Picasso in seiner Jugend viele Skizzen nach El Grecos Vorbild. Er beschriftete sogar eine dieser Zeichnungen mit „Yo, el Greco“ – also „Ich, El Greco“. Im Jahr 1950 brachte er seine anhaltende Faszination für den Künstler zum Ausdruck, indem er eine eigene Version von El Grecos 1600-1605 entstandenem Porträt seines Sohnes Jorge Manuel Theotocópuli malte. Der anhaltende Einfluss des Porträts auf Picasso wird im Bild „Büste eines Mannes“ (1970) deutlich, wie die Ausstellung „Cara a Cara“ durch eine Gegenüberstellung beider Gemälde deutlich macht.

Beide Werke zeigen einen förmlich gekleideten Mann, der eine Halskrause trägt, die auf einen hohen Status hinweist. Während Picasso sein Modell mit dem Schwert eines Ritters zeigt, präsentiert El Greco sein Modell mit Farbpalette und Pinseln als Künstler. Besonders auffällig ist, wie Picasso El Grecos Gemälde übertreibt und umgestaltet. Im Stil des Kubismus wird Jorge Manuels Gesicht sowohl in der Frontal- als auch in der Profilansicht gezeigt; Picasso erschafft damit ein Bild, das nicht mehr versucht, die Natur zu imitieren.


Porträts im Dialog

Die Ausstellung „Cara a Cara“ zieht sich durch die gesamte Dauerausstellung des Museo de Bellas Artes. In Raum 4, der sich mit dem Naturalismus des Frühbarock auseinandersetzt und Werke von Diego Velázquez, Alonso Cano und Juan de Roelas zeigt, werden zwei Werke Picassos präsentiert: „Olga Khokhlova mit Mantel“ (1917) und „Kopf eines Mannes“ (1971). Gegenübergestellt werden die beiden Gemälde dem Bild „Porträt einer betenden Dame und eines betenden Herrn“ aus dem Jahr 1623 von Francisco Pacheco (1564-1644). 

Die beiden in diesem Ausstellungsabschnitt gezeigten Porträts von Picasso – ein reales und ein imaginäres – liegen mehr als fünfzig Jahre auseinander. Sie zeigen die tiefe Verwurzelung Picassos in der Tradition der spanischen Porträtmalerei, die auch in Pachecos Porträt eines Ehepaars zum Ausdruck kommt. Pacheco untersuchte als Wissenschaftler und Künstler den scheinbaren Widerspruch zwischen der Schaffung eines überzeugenden Porträts und dem ästhetischen Anspruch eines Künstlers, ein realistisches Abbild zu schaffen.

Pachecos Aufmerksamkeit für die Kleidung als Ausdruck der sozialen Stellung ist zentral für Picassos Porträt seiner späteren Ehefrau Olga Khokhlova. Picasso spielt in seinem Gemälde mit den kulturellen Konventionen und drapiert die russische Ballerina Khokhlova in einen spanischen Mantel. Dem gegenüber übertreibt Picasso in seinem imaginären Porträt eines Mannes den harten Realismus von Pachecos Porträts, indem er die Gesichtszüge des Mannes in die Farbe des Gemäldes ritzt. So stehen sich hier Bilder gegenüber, die die Grenzen des Realismus bis zur Unkenntlichkeit ausreizen und die den Wandel von Picassos Stil im Laufe seiner langen Karriere zeigen.


Märtyrer und Vanitas

Picasso griff oft auf die sehr gewalttätigen Themen der religiösen Kunst zurück, um die politischen Ereignisse seiner Zeit zu erfassen und mit schwarzem Humor zu reflektieren. Ein solches Thema ist etwa die Geschichte von Johannes dem Täufer. In der Ausstellung wird dem Bild „Salome mit dem Kopf des Täufers“ von Giovanni Battista Caracciolo (1578-1637) aus dem Jahr 1630 zum einen Picassos Bild „Stilleben mit Hahn und Messer“ (1947) und zum anderen das Bild „Composición“ (1933) gegenübergestellt.

Das Gemälde von Caracciolo zeigt eine dramatisch beleuchtete Szene der Ermordung von Johannes dem Täufer durch eine Nahaufnahme des Henkers, der sowohl den Kopf des Täufers als auch das Schwert trägt, mit dem er ihn enthauptet hat, begleitet von Salomé und zwei Dienern. Picassos Version der Szene ist im Vergleich dazu abstrakt abgewandelt. Sein Stillleben zeigt einen fast enthaupteten Hahn auf einem Tisch liegend, neben ihm ein Messer, mit dem ihm die Kehle durchgeschnitten wurde, und eine Schale zum Auffangen des Blutes. Die explizite Brutalität dieses Motivs verbindet traditionelle Bilder von Märtyrern mit Picassos Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, der zwei Jahre vor Entstehung des Bildes zu Ende gegangen war. Picasso scheint in seinem Bild der Tragödie noch eine gewisse Komik zu verleihen. Dies gilt auch für sein Bild „Composición“, in dem der Totenkopf – ein Symbol des Todes – eher Lachen als Angst erweckt.

In Ausstellungsraum 9, in dem Werke des Europäischen Barock gezeigt werden, ist Picassos „Restaurant“ (1914) dem Gemälde „Vanitas“ von Cornelius Norbertus Gijsbrechts (1610-1675) aus dem Jahr 1660 gegenübergestellt. Gijsbrechts Gemälde verweist mit verwelkenden Blumen und einem menschlichen Schädel auf die Vergänglichkeit allen Lebens. Dem gegenüber steht Picassos „Restaurant“, in dem er die Tradition der Stilllebenmalerei aufgreift, jedoch ohne jedes Moralisieren. Er zeigt Gaumenfreuden, befreit von jedem Realismus. Spielerisch arbeitet Picasso mit fettgedruckten Buchstaben, wie auf Restaurantschildern der Zeit.


Picassos Anlehnung an klassische Motive

Wie unvollendet wirkt Picassos Werk „Nackter Mann starrt auf schlafenden Partner“ (1922), das dem Gemälde „Der Junge mit dem Dorn“ von Francisco de Zurbarán (1598-1664) aus dem Jahr 1645 in der Ausstellung gegenübergestellt wird. In beiden Gemälden steht der Umgang mit Linien und Farben im Mittelpunkt, wobei jeder der beiden Künstler hier ganz unterschiedliche Wege geht. Zurbarán zeigt detailreich einen jungen Christus mit der symbolischen Dornenkrone; die Architektur im Hintergrund verweist auf die Zeit der griechisch-römischen Antike. Für Picasso waren wiederum die Darstellungen junger Männer aus dem antiken Rom und Griechenland eine Inspiration für sein Bild. Indem er das Werk scheinbar unvollendet belässt, zeigt er eine Kombination aus Zeichnung und Farbgebung. Für Kurator Michael FitzGerald erscheint Picassos Bild damit wie ein Fragment eines Wandgemäldes aus Pompeji.

In Raum 11, in dem Spanische und Sevillianische Malerei des 18. Jhd. gezeigt wird, werden Picassos „Porträt eines Mannes“ (1970) und das „Porträt des Infanten Don Felipe“ (1729-35) von Bernardo Lorente Germán (1680-1759) einander gegenübergestellt. Beide Gemälde zeigen Männer in aufrechter Haltung, doch sie könnten nicht unterschiedlicher sein: Während die aufwendig bestickte Kleidung des Infanten seine soziale Stellung hervorhebt, wird die Figur in Picassos Bild kaum von breiten Farbstrichen zusammengehalten und vermittelt dennoch eine starke Präsenz. Für Ausstellungskurator Michael FitzGerald zeigt dies, dass Picasso am Ende seiner Karriere so in der Tradition der spanischen Malerei verhaftet war, dass er eine ebenso eindringliche Wirkung in seinen Bildern erzielen konnte, ohne die Techniken seiner Vorbilder zu imitieren.

Schließlich wird in der Ausstellung noch Picassos „Pescado“ von 1914 neben Diego Bejaranos „Trampantojo“ aus der zweiten Hälfte des 18. Jhd. gezeigt. Bejarano erschafft die Illusion von Drucken oder Zeichnungen, die an eine Holztafel geheftet sind. Picasso war von dieser Technik fasziniert und verfremdet diese. Statt Ölfarbe zu verwenden, um den dreidimensionalen Effekt anderer Materialien zu erzeugen, nutzte er die Technik der Collage in Kombination mit Zeichnung. Sein Bild aus Karton und Papierausschnitten zeigt einen Fisch, der auf einem gestreiften und gepunkteten Teller zu liegen scheint. Picasso wollte damit „den Geist täuschen“, wie er es formulierte, und nicht nur das Auge.


Cara a Cara. Picasso y los Maestros Antiguos

Museo de Bellas Artes de Sevilla
07.10.2021-06.02.2022


Bilder: Angelika Schoder – Museo de Bellas Artes de Sevilla, 2021


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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