The Museum of Skeletons: Knochige Kunst

Im Museum of Skeletons lassen wir die Knochen klappern und zeigen Skelett-Kunst aus den Online-Sammlungen von #openGLAM Institutionen.

Im Museum of Skeletons lassen wir die Knochen klappern und zeigen Skelett-Kunst aus den Online-Sammlungen von #openGLAM Institutionen.

[Social Media] Von den mittelalterlichen Totentänzen über die umfangreichen anatomischen Studien der Renaissance bis hin zu modernen Interpretationen durch Künstler wie James Ensor: Das Skelett zählt über Epochen und Kulturen hinweg mit zu den am häufigsten in der Kunst genutzten Motiven. Dabei reichen erste Darstellungen über Tausende von Jahren in die Vergangenheit und finden sich von Mittelamerika und Afrika über Europa bis nach Asien. Es überrascht daher kaum, dass sich auch in den meisten Sammlungen von Museen, Archiven und Bibliotheken diverse Objekte, Bilder, Skulpturen und Dokumente befinden, die Skelette zeigen. Mit unserem Social-Media-Projekt The Museum of Skeletons wollen wir diese Kunstwerke in den Mittelpunkt stellen. Bei Instagram und Bluesky zeigen wir ab jetzt ausgewählte Skelett-Kunst aus den Online-Sammlungen von #openGLAM Institutionen.


Flasche, Skelett-Paar mit Kind (Moche / Peru, 3.-7. Jahrhundert) - Metropolitan Museum of Art
In der Keramik der Moche (Peru) wurden häufig skelettierte Personen dargestellt, die wahrscheinlich das Zusammenspiel von Leben und Tod symbolisieren.

Flasche, Skelett-Paar mit Kind (Moche / Peru, 3.-7. Jahrhundert) – Metropolitan Museum of Art – Public Domain

Skelett-Darstellungen in der Ur- und Frühgeschichte

Die ersten Darstellungen von Skeletten tauchten in der späten Altsteinzeit (Paläolithikum) auf. Ein Beispiel sind gravierte Knochen oder Felsmalereien, die häufig stilisierte Formen von Tieren und Menschen zeigten, bei denen teilweise innere Strukturen wie Rippen oder die Wirbelsäule angedeutet wurden. Die Darstellung von Skeletten dürfte dabei nicht rein auf anatomisches Interesse zurück gehen, sondern hatte wahrscheinlich rituelle oder mythologische Bedeutungen. Im Neolithikum, mit dem Übergang zu sesshaften Lebensweisen, nahmen Skelett-Darstellungen dann eine wichtigere Bedeutung ein. Kunstwerke dieser Zeit, wie Keramiken oder megalithische Grabbauten, zeigen gelegentlich stilisierte Darstellungen von Knochen oder Skelettformen. Diese könnten symbolische Hinweise auf die Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten gewesen sein.

In der Frühgeschichte, mit der Entstehung erster Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten oder im Mittelmeerraum, wurden Skelett-Darstellungen in weiteren Zusammenhängen verwendet. Neben ihrer Präsenz im Bestattungskontext erschienen Skelette auch in mythologischen Szenen oder als Teil von Reliefs und Wandmalereien. Ein Beispiel sind Darstellungen von Totengöttern oder Unterweltsfiguren, die oft durch skelettartige Formen repräsentiert wurden. In den präkolumbianischen Kulturen Mesoamerikas, wie bei den Maya oder Azteken, fanden sich ebenfalls zahlreiche Skelett-Darstellungen. Hier standen Skelette als Symbole für den Tod, aber auch für die Erneuerung des Lebens. Solche Darstellungen fanden sich auf Keramiken, in Schriften und in monumentalen Skulpturen. Ein bekanntes Beispiel ist die aztekische Totengöttin Mictlancihuatl, deren Darstellungen oft anatomisch detaillierte Skelette zeigen.


Das Becken eines gelenkigen Skeletts (Zeichnung, ca. 1560 ?) - Wellcome Collection
Ab dem 15. Jahrhundert wurde die menschliche Anatomie in Zeichnungen festgehalten, die wissenschaftliches Interesse und künstlerische Darstellung vereinten.

Das Becken eines gelenkigen Skeletts (Zeichnung, ca. 1560 ?) – Wellcome Collection – Public Domain

Die anatomischen Zeichnungen der Renaissance

Im Laufe des 15. Jahrhunderts nahm das wissenschaftliche Interesse an der menschlichen Anatomie stark zu, die Epoche der Renaissance war geprägt von einem neuen Verständnis der Natur und des Körpers. Künstler und Wissenschaftler wie Leonardo da Vinci (1452-1519) oder Andreas Vesalius (1514-1564) schufen in dieser Zeit bahnbrechende Werke, die Kunst und Medizin vereinten. Insbesondere Leonardo da Vinci wurde zum Vorreiter in der Erforschung des menschlichen Körpers. Seine Studien des Skelettsystems sind Teil seines umfangreichen anatomischen Werkes, das von präzisen Darstellungen des Schädels bis zu detaillierten Untersuchungen der Wirbelsäule reicht.

Leonardos Zeichnungen, wie die berühmten anatomischen Studien eines Skeletts, waren nicht nur künstlerische Meisterwerke, sondern auch ein Versuch, das Zusammenspiel von Knochenstruktur und Funktion zu verstehen. Ebenso wichtig ist das Werk „De Humani Corporis Fabrica Libri Septem“, das Andreas Vesalius im Jahr 1543 veröffentlichte. Die Publikation basiert auf medizinischer Forschung und zeigt Kupferstiche von Skeletten in oft dramatischen Posen. Die Darstellungen erinnern an klassische Skulpturen, eine Verbindung aus wissenschaftlichem Zweck und einer künstlerischen Ästhetik.


Der Todtentanz in der St. Marien Kirche zu Lübeck (1463) - Wellcome Collection
Der Totentanz in der St. Marien Kirche in Lübeck bestand aus 24 Skeletten und verschiedenen Vertretern sozialer Klassen. Das Fresko von 1463 umfasste alle vier Wände der „Kapelle der Toten“ an der Nordseite der Kirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Der Todtentanz in der St. Marien Kirche zu Lübeck (1463) – Wellcome Collection – Public Domain

Totentanz: Das Skelett als Personifikation des Todes

Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit wurde das Skelett in Europa vor allem als Allegorie des Todes gezeigt. Die Darstellungen verwiesen auf die allgegenwärtige Bedrohung durch Krankheiten, Kriege und die begrenzte Lebenserwartung der Zeit. Besonders eindrucksvoll ist das Motiv des Totentanzes (Danse Macabre), das den universellen Charakter des Todes betont, der keine Unterschiede zwischen sozialen Klassen macht. Der Totentanz hat seinen Ursprung in mittelalterlichen Theaterstücken und Volksritualen aus dem 14. Jahrhundert. Im 15. Jahrhundert erreichte das Motiv mit Darstellungen wie dem Fresko in der Abtei von La Chaise-Dieu (1460) oder mit dem Totentanz von Basel (um 1440) seinen künstlerischen Höhepunkt.

In den Darstellungen tanzt der Tod in Form eines Skeletts (mal mit und mal ohne Haut über den Knochen) nacheinander mit Menschen, die bestimmte soziale Stände repräsentieren: von Papst und Kaiser über reiche Bürger bis hin zum Bauern. Die Darstellung verdeutlicht die Gleichheit aller Menschen im Angesicht des Todes. Im Jahr 1485 wurde der Totentanz zum ersten Mal auch in Form einer Serie von Holzschnitten veröffentlicht, und zwar von Hans Holbein d.J. (1497–1543). Hier überraschen Skelette verschiedene Menschen in ihrem Alltag – ein Kommentar zur Vergänglichkeit. Holbeins Werke zeigen den Tod auf humorvolle Art, was ihn weniger erschreckend erscheinen lässt, aber auch die Nichtigkeit des weltlichen Strebens betont.


Pieter Claesz: Stilleben mit einem Totenkopf und einer Schreibfeder (1628) - Metropolitan Museum of Art
Das gestürzte Glas und der Schädel dienen in diesem Vanitas-Bild von Pieter Claesz als Symbole der Kürze des Lebens.

Pieter Claesz: Stilleben mit einem Totenkopf und einer Schreibfeder (1628) – Metropolitan Museum of Art – Public Domain

Skelette als Vanitas-Symbole und moderne Interpretationen

Neben der Darstellung des Todes hat das Skelett viele andere Bedeutungen in der Kunst. Im Barock wurde die Vergänglichkeit des Lebens zu einem zentralen Thema; Vanitas-Stillleben, die oft Totenschädel oder Skelette enthielten, sollten an die Flüchtigkeit von Reichtum, Macht und Schönheit erinnern. Künstler wie Pieter Claesz (1597-1661) kombinierten Skelett-Elemente mit verwelkten Blumen, zerbrochenen Gläsern oder erloschenen Kerzen, um auf die Vergänglichkeit hinzuweisen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erfuhr das Skelett dann eine Neuinterpretation in der Kunst. So nutzte etwa James Ensor, ein belgischer Symbolist, Skelette in grotesken Szenen, um die menschliche Eitelkeit, Gier und Heuchelei zu kritisieren. Sein Gemälde „Skelette kämpfen um einen Hering“ (1891) zeigt die Absurdität und Lächerlichkeit menschlicher Konflikte.

Ein weiteres Beispiel für die künstlerische Darstellung von Skeletten findet sich in der mexikanischen Kunst. Beim Día de los Muertos werden Skelette nicht als furchteinflößende Symbole des Todes, sondern als fröhliche Begleiter des Lebens dargestellt. José Guadalupe Posada (1852–1913) schuf zum Beispiel mit der „La Catrina“ ein ikonisches Bild eines skelettierten Charakters, das die soziale Kritik an der mexikanischen Oberschicht mit der kulturellen Bedeutung des Tags der Toten verbindet.


José Guadalupe Posada: Zwei elegant gekleidete Skelette - MET
Der Künstler José Guadalupe Posada zeigte in seinen Werken Skelette als Vertreter verschiedener sozialer Schichten.

José Guadalupe Posada: Zwei elegant gekleidete Skelette, Metallstich aus „El Gran Panteon Amoroso“, herausgegeben von Antonio Vanegas Arroyo (1894) – Metropolitan Museum of Art – Public Domain

The Museum of Skeletons

Ob zur wissenschaftlichen Anschauung, als Symbol für Vergänglichkeit oder als Mittel zur Reflexion über den Tod – das Skelett ist in der Kunst weit mehr als ein anatomisches Gebilde. In unserem Projekt The Museum of Skeletons (@museumofskeletons) bei Instagram und Bluesky wollen wir diese Vielfalt zeigen – von skeletteigen Objekten bis hin zu knochigen Kunstwerken.

Im Hintergrund steht hier für uns die Idee des #openGLAM (Galleries, Libraries, Archives, Museums), die darauf abzielt, kulturelles Erbe im digitalen Raum zugänglich zu machen und seine Nutzung für Bildung, Forschung und kreatives Schaffen zu fördern. Im Museum of Skeletons teilen wir Bildmaterial aus Kulturinstitutionen, die ihre Sammlung ganz oder teilweise als frei zugängliche digitale Ressourcen zur Verfügung stellen.


Header-Bild: Jacopo Ligozzi: Allegory of Avarice (ca. 1590) – Metropolitan Museum of Art – Public Domain, bearbeitet


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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