[Rezension] Sie lagerten auf Dachböden und in Schränken, wurden zu Dekorationsobjekten umfunktioniert oder landeten im Altmetall – lange wusste niemand so genau, was aus den zahlreichen ausgemusterten wissenschaftlichen Instrumenten des Museums für Naturkunde Berlin eigentlich geworden war. Doch seit einigen Jahren werden diese Schätze der Wissenschaftsgeschichte im Museum zentral gesammelt und inventarisiert. Aus einer Idee eines Sammlungsschranks mit diesen historischen Instrumenten für das Museum entwickelte sich schließlich die Publikation „Sonnenmikroskope – Winkelmesser – Drehapparate“. Sie wirft einen Blick auf die Entwicklung diverser Mikroskope und Apperaturen, die im Laufe der Geschichte des Museums zum Einsatz kamen – vom Sonnenmikroskop bis hin zum Comptertomographen.
„Den Wert und die Gültigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse kann man immer nur beurteilen, wenn man die Methode, mit der sie gewonnen wurden, in das Urteil mit einbezieht. Dafür ist die Kenntnis der Untersuchungsinstrumente und deren Möglichkeiten unabdingbar.“ [1]
Ferdinand Damaschun
Instrumente als Begleiter der Sammlung
Bereits seit der Gründung der Berliner Universität im Jahr 1810 waren naturhistorische Sammlungen ein zentraler Bestandteil. Heute sind die Sammlungen Teil des Museums für Naturkunde Berlin, doch auch weiterhin dienen sie in erster Linie einem Bildungs- und Forschungszweck. Verbunden mit dieser wissenschaftlichen Forschung sind auch entsprechende Instrumente. So verfügt das Museum heute nicht nur über Mineralien- und Fischsammlungen, über Sammlungen von Hölzern und Versteinerungen sowie über einen umfangreichen Buchbestand, sondern auch über zahlreiche Geräte, die der Erforschung der Sammlungsobjekte dienen.
Bereits die 1773 gegründete Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin nutzte in Sitzungen verschiedene Mikroskope und Sonnenmikroskope zur Projektion für ein größeres Publikum. Neben den Instrumenten der Gesellschaft ist das älteste datierbare Mikroskop im Sammlungsbestand des Museums ein Modell aus dem Jahr 1854, das in der Werkstatt von Cristian Friedrich Belthle in Wetzlar hergestellt wurde, einem Vorgänger der Firma Ernst Leitz, die bis heute Mikroskope produziert. Ob Trommelmikroskop, Reflexionsgoniometer, Theodolith-Mikroskop oder Polarisationsmikroskop – viele wissenschaftliche Erkenntnisse wären an der Berliner Universität ohne diese Instrumente nicht möglich gewesen.
Bis heute sind Stereomikroskope die am häufigsten im Museum für Naturkunde verwendeten Instrumente und stehen an zahlreichen Arbeitsplätzen. Seit den 1990er Jahren ermöglichen zudem elektronisch gestützte Methoden neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Museum.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Um naturhistorische Sammlungen zu erforschen, sind Mikroskope unverzichtbar. Ohne optische Hilfsmittel blieben viele Details oder Strukturen von Objekten unsichtbar. Bereits in der Antike nutze man mit Wasser gefüllte Glasschalen, um damit Dinge zu vergrößern. Gegen Ende des 16. Jhd. entstanden dann frühe Mikroskope; die erste überlieferte Abbildung eines solchen Instruments stammt von 1630. Rund 200 Jahre lang wurden Mikroskope ohne optisch-wissenschaftliche Berechnungen hergestellt. Erst ab 1846 begann Carl Zeiss Jena mit der Herstellung von Mikroskopen mit berechneter Optik. Mit diesen Lichtmikroskopen wurde der Grundstein für moderne Mikroskope gelegt: zum einen Einfache Mikroskope mit einer Linse oder Linsensystem und zum anderen Zusammengesetzte Mikroskope mit zwei optischen Systemen.
Neben verschiedenen Arten von Mikroskopen stellt die Publikation „Sonnenmikroskope – Winkelmesser – Drehapparate“ auch Instrumente vor, die für kristallographische und chemische, aber auch für petrographische und lagerstättenkundliche Untersuchungen im Museum für Naturkunde Berlin bzw. zuvor an der Universität Berlin genutzt wurden. Hierzu zählen Polarisationsapparate, Refraktometer, Spektralapparate oder Goniometer. Das Buch beleuchtet zudem Instrumente zur Bilddokumentation von Exkursionen und Forschungsergebnissen, allen voran Apparate zur Fotografie – von der Plattenkamera bis zu elektronischen Kameras, mit denen heute fast jedes Forschungsmikroskop ausgerüstet ist.
Die Publikation „Sonnenmikroskope – Winkelmesser – Drehapparate. Historische Instrumente aus dem Museum für Naturkunde Berlin“, herausgegeben von Ferdinand Damaschun, ist 2021 im Dietrich Reimer Verlag erschienen (ISBN: 978-3-496-01670-0). Der Band beinhaltet neben Fotografien von Hwa Ja Götz auch eine Bibliographie sowie ein Personen- und ein Firmenregister.
musermeku dankt dem Museum für Naturkunde Berlin für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.
Header-Bild: Mary Kingdon Heslop. Foto der Press Photographic Agency – Wellcome Collection – Public Domain, beschnitten und bearbeitet
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnote
[1] Ferdinand Damaschun: Vom Sonnenmikroskop zum Computertomographen – Instrumente in der wissenschaftlichen Arbeit am Museum für Naturkunde, In: Sonnenmikroskope – Winkelmesser – Drehapparate. Historische Instrumente aus dem Museum für Naturkunde Berlin, Hg.v. Ders., 2021, S. 8-12, hier S. 12.
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