Welche Zukunft hat Influencer Marketing im Kulturbereich?

Durch Influencer Marketing können Kulturinstitutionen neue Perspektiven auf ihre Inhalte eröffnen. Aber die Zusammenarbeit mit Content Creators ist für viele noch immer ein kompliziertes Thema.

Durch Influencer Marketing können Kulturinstitutionen neue Perspektiven auf ihre Inhalte eröffnen. Aber die Zusammenarbeit mit Content Creators ist für viele noch immer ein kompliziertes Thema.

[Debatte] Um neue Zielgruppen zu erschließen und abwechslungsreiche Perspektiven auf Inhalte zu eröffnen, arbeiten Museen, Theater und diverse weitere Kulturinstitutionen auch im deutschsprachigen Raum schon seit einigen Jahren mit Content Creators zusammen. Insbesondere in Social Media, aber auch in Blogs und Online-Magazinen, soll durch diese Kooperationen den kulturellen Angeboten mehr Sichtbarkeit verliehen werden – und das, im Idealfall, auf eine authentische Art. Influencer Marketing kann damit eine wertvolle Ergänzung zu klassisch platzierter Werbung für Kulturangebote sein und auch eine ganz andere Reichweite und Interaktion erzielen, als es die eigene digitale Kommunikation als Kulturinstitution leisten kann. Für einige Museen gehört das Influencer Marketing deshalb bereits seit vielen Jahren zum festen Marketing-Mix, wie etwa für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Für andere Kulturinstitutionen ist das Thema hingegen noch immer ein eher schwieriges Thema…


Eine andere Art der Authentizität

Influencer sind in gewisser Weise digitale Kuratoren von Erlebnissen. Durch die Zusammenarbeit mit diesen Content Creators können Museen und andere Kulturinstitutionen eine ganz andere Art der authentischen Verbindung zu diversen Zielgruppen herstellen, die sich von der eigenen Social-Media-Kommunikation als Institution völlig unterscheidet. Im Idealfall teilen die Creators die Leidenschaft zu den kulturellen Inhalten mit der Institution, mit der sie zusammenarbeiten, und können sie mit einer persönlichen Perspektive verbinden, was das Kulturerlebnis für ihre Follower greifbarer macht.

Damit Influencer Marketing erfolgreich umgesetzt werden kann, sollten Kulturinstitutionen die passenden Creators auswählen. Dabei geht es nicht nur um eine möglichst große Anzahl an Followern, sondern auch um eine authentische Begeisterung für die jeweiligen Kunst- oder Kulturinhalte. Dies schafft nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Follower aktiv mit den Inhalten interagieren und sich so letztendlich auch mit der präsentierten Institution auseinandersetzen. Denn darum geht es ja letztendlich beim Influencer Marketing: um die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschließen und eine Reichweite über die traditionellen Besucherschichten hinaus zu erweitern. Indem Content Creators mit unterschiedlichem Hintergrund, Interessen und einer diversen Follower-Basis eingebunden werden, können Kulturinstitutionen gezielt Nutzergruppen ansprechen, die sie vielleicht über eigene Social-Media-Kanäle oder andere Kommunikationswege nicht erreichen können.


Persönliche Perspektiven finden

Influencer Marketing ermöglicht es Kulturinstitutionen, ihre Geschichten auf neue und packende Weisen erzählen zu lassen. Durch die Zusammenarbeit mit Content Creators kann dabei natürlich ganz klassisch für Veranstaltungen und Kulturangebote geworben werden, um mehr Besuche zu erzielen. Doch die Creators können auch aus ihrer Perspektive heraus diverse Hintergründe der Institution beleuchten, künstlerische Prozesse und kuratorische Entscheidungen in den Fokus rücken oder persönliche Geschichten erzählen, die mit den kulturellen Inhalten korrespondieren. Und das alles kann auf Social-Media-Plattformen erfolgen, auf denen die Institution vielleicht selbst gar nicht präsent ist oder auf der von der Institution selbst sonst völlig anders kommuniziert wird.

Langfristige Partnerschaften zu bestimmten Social-Media-Formaten oder sogar mit bestimmten Content Creators können für Kulturinstitutionen einen nachhaltigen Effekt auf die Markenbekanntheit und -reputation haben. Praktischerweise kann man dies auch messen, etwa durch einen Blick auf die Kennzahlen der Influencer was die Reichweite und Interaktion zu den jeweils erstellten Inhalten angeht. Aber auch durch gezielte Besucherbefragungen kann festgestellt werden, ob die Kooperationen den gewünschten Effekt hatten. So müssen Kulturinstitutionen nicht blind auf den Erfolg des Influencer Marketing vertrauen, sondern können nachverfolgen, ob zuvor definierte Ziele erreicht werden konnten – von einer breiteren Kommunikation bestimmter Inhalte bis hin zu einer gesteigerten Nachfrage bei bestimmten Zielgruppen.


Content Creators als Fokusgruppe

Um die digitale Kommunikation und Inhaltsvermittlung anlässlich ihres 200. Jubiläums zu begleiten, plant die National Gallery in London für 2024 umfangreiche Maßnahmen im Bereich des Influencer Marketing. Das Museum rief dafür bereits im Sommer 2023 das Programm der „200 Creators“ ins Leben. Hierbei geht es darum, ein Netzwerk aus 200 Influencern zu schaffen, die das Museum kreativ unterstützen sollen – sowohl beratend zu den Inhalten der National Gallery als auch indem die Creators selbst Inhalte für das Museum erstellen und mit ihren Followern über ihre Kanäle teilen.

Wer für das Netzwerk der „200 Creators“ auserwählt wird, bekommt die Möglichkeit, Mitarbeitende der National Gallery zu treffen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und außerhalb der Öffnungszeiten die Sammlung zu besuchen. Infolge dieser Besuche sollen die Creators dann Inhalte erstellen und mit ihrer Online-Community teilen. Aus dem Netzwerk der „200 Creators“ werden zudem 50 Personen ausgewählt, die in einem sogenannten Ideenlabor im Museum Konzepte für die National Gallery entwickeln sollen. Diese werden dann dem Museum vorgestellt, woraus letztendlich 20 sogenannte „Creative Collaborators“ ausgewählt werden. Alles in allem sucht die National Gallery also 180 Influencer, die generell die Inhalte des Museums mit ihrer Community teilen und zudem 20 konzeptstarke Akteure, die umfangreichere Inhalte für das Museum erstellen.

Im Prinzip ist das eine gute Idee des Museums, insbesondere da möglichst diverse Akteure im Sinne von Gleichstellung, Inklusion und kultureller Vielfalt angesprochen werden sollen, um wiederum ihre vielfältigen Communitys zu erreichen. Um für das Programm ausgewählt zu werden, genügt es jedoch nicht, einfach nur ein engagierter Online-Akteur mit einer treuen Community zu sein. Die Anforderungen an die Reichweite, die die National Gallery stellt, sind nicht bescheiden. Man wünscht sich etablierte und vor allem sehr erfolgreiche Influencer: Bewerbende brauchen mindestens bei YouTube 50.000 Abonnenten, oder bei TikTok mindestens 1 Million Likes auf ihrem Account und 50.000 Follower, oder bei Instagram mindestens 100.000 Follower. Zudem wird eine nachgewiesene internationale Reichweite in der jeweiligen Community erwartet, was über Screenshots der Statistiken aus den Plattformen nachgewiesen werden muss.


Hohe Ansprüche, geringes Budget

So gut die grundsätzliche Idee ist, im Rahmen eines strukturierten Programms mit Content Creators zusammenzuarbeiten, so bedenklich ist die Umsetzung im Fall der National Gallery. Jede Kulturinstitution sollte wissen, was die Kollaboration mit einem Influencer ab der Größenordnung kostet, die für das „200 Creators“ Programm gefordert wird. Die National Gallery versucht allerdings hier günstig wegzukommen: Wer die Anforderungen des Museums erfüllt und Teil des Creators Netzwerks wird, bekommt im Prinzip kostenlosen Eintritt und Gespräche mit Museums-Mitarbeitenden. Dazu muss man erwähnen, dass der Eintritt in die Sammlungsausstellung der National Gallery ohnehin kostenlos ist – nur die Sonderausstellungen kosten Eintritt. Es ist aus Sicht der Content Creators also nicht ganz klar, was der eigentliche Mehrwert der Kooperation für sie ist.

Die 200 zunächst ausgewählten Influencer müssen sich zudem einem weiteren Auswahlprozess im Museum stellen. Nur 50 von ihnen werden für die Teilnahme an einem Ideenlabor zugelassen – verbunden mit einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 200 Pfund. Dieser Betrag wird kaum die Kosten für Teilnehmende decken, die von außerhalb nach London anreisen, falls sie zu einem Bahnticket noch eine Hotelübernachtung benötigen. Wer von weiter weg aus Großbritannien anreist, wird nicht einmal die Bahnfahrt davon zahlen können. Die Teilnahme am Ideenlabor selbst, bei dem für das Museum Online-Konzepte entwickelt werden sollen, wird darüber hinaus nicht vergütet. Im Anschluss an das Ideenlabor erhalten die 50 Creators dann zwei Wochen Zeit, einen detaillieren Projektentwurf zu ihrem geplanten Content einzureichen. Das bedeutet zwei Wochen unbezahlte Arbeit.

Aus allen Projektentwürfen wählt das Museum schließlich 20 „Creative Collaborators“ aus, die ihre Konzepte umsetzen dürfen. Sie erhalten 4.000 Pfund; setzt man das Konzept im Team um, muss das Geld für das gesamte Team reichen. Auch Materialien oder technisches Equipment zur Umsetzung müssen davon bezahlt werden. Zur Umsetzung wird erwartet, dass man entweder für YouTube ein mindestens 10-minütiges Video und ein Short-Video erstellt, oder für TikTok mindestens 3 Videos, oder für Instagram mindestens ein Reel und eine Reihe an Storys. Zusätzlich muss im Juli und August 2024 weiterer Content zu den 200-Jahre-Feierlichkeiten der National Gallery gepostet werden, natürlich immer mit Verlinkung zur Institution.

Generell soll durch die 200 Creators auch zum ganzen Jubiläumsjahr mit den Inhalten des Museums in Social Media interagiert werden – eine gute Strategie aus Sicht der National Gallery, denn wenn große Accounts mit den Inhalten der Institution interagieren, erhält der Museumsaccount einen Reichweiten-Boost des Algorithmus. Und schließlich müssen natürlich zu allen geposteten Inhalten von den Creators auch Reportings an das Museum geliefert werden, damit der Erfolg der Influencer-Marketing-Kampagne auch gemessen werden kann.


Zur Planung einer Influencer-Marketing-Kampagne

Das Beispiel des „200 Creators“ Programms der National Gallery zeigt, wie ungleich manchmal das Verhältnis zwischen Kulturinstitution und Content Creator sein kann. Das Museum hat klare Vorstellungen von der Kooperation, die nicht nur hohe Anforderungen an die Vorauswahl der Influencer stellt, sondern die für die Creators auch mit einer Vielfalt an Aufgaben verbunden ist. Doch wenn wenn eine Institution als Auftraggeber klare Anforderungen zu einem Leistungsspektrum hat, muss sie dies auch bezahlen – zu einem angemessenen Stundensatz. Denn wird explizit geäußert, wie eine Berichterstattung erfolgen soll, dass ein Konzept erarbeitet werden soll oder werden eindeutige Vorgaben zur Kommunikation gemacht, ist das ein Auftrag. Von Handwerkern würde ein Museum auch nicht erwarten, dass sie Aufträge gegen eine kleine Aufwandsentschädigung erledigen. Warum etwartet man es dann von Menschen, die digitale Inhalte erstellen?

Dieser Aspekt der Budgetierung des Projektes ist sicher diskussionswürdig. Davon abgesehen zeigt die National Gallery aber, wie eine Influencer-Marketing-Kampagne aufgebaut sein kann: Die Kooperation mit den Content Creators wurde bereits im Vorfeld umfangreich geplant und soll währenddessen intensiv begleitet werden. Im Anschluss gilt es, den Output der Kooperation zu analysieren und die Ergebnisse sinnvoll aufzubereiten. Auch auf die Auswahl der richtigen Kooperationspartner wird geachtet. Hierbei ist es wichtig, nicht nur die Reichweite der Influencer zu berücksichtigen, sondern zu hinterfragen, ob sie überhaupt zur Marke passen. Denn Reichweite alleine garantiert nicht den Erfolg einer Kooperation. Es ist etwa wenig zielführend, wenn jemand engagiert wird, bei dem nur die Person wahrgenommen wird, nicht aber der kommunizierte Inhalt. Es ist außerdem auch nicht glaubwürdig, wenn Creators bisher keine Berührungspunkte mit den Inhalten oder zumindest dem grundsätzlichen Themenbereich der Institution hatten. Kulturinstututionen sollten deshalb ihre Kooperationspartner danach auswählen, welche Ziele mit einem Projekt erreicht werden sollen und welche Kommunikationskanäle sich am besten dafür eignen. Erst nach dieser Überlegung können die passenden Influencer gefunden werden.


Gemeinsame Ziele umsetzen

Bei gelungenem Influencer Marketing geht es letztendlich um nachhaltigen Beziehungsaufbau, um Wissens- und Erfahrungsaustausch und um das gemeinsame Hinarbeiten auf ein im Voraus definiertes Ziel. Und dieses Ziel sollte für eine Institution eben nicht sein, einfach nur „etwas mit Influencern zu machen“, sondern ein neues Publikum für sich zu gewinnen, die Bekanntheit in weiteren Zielgruppen zu steigern oder bestimmte Inhalte gezielt zu kommunizieren.

Konzepte für Influencer Kooperationen können vielfältig sein. Eines haben sie jedoch immer gemeinsam: Sie sind von der Planung über die Umsetzung bis hin zur Erfolgsmessung ausgearbeitet. Und sie sind mit den notwendigen Ressourcen verbunden, sowohl personell innerhalb der Institution als auch was das Budget angeht, um die Arbeit der Content Creators fair zu vergüten.


Header-Bild: Angelika Schoder – National Gallery, London 2023


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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