[Ausstellung] Schwarze Kleidung mit Leder und Nieten, dämonisch wirkendes Make-Up und gelegentlich auch ein Schwert oder eine Spitzhacke als Accessoire: Einige Metal-Bands aus Nordeuropa pflegen eine extreme Ästhetik. Musikalisch haben sie längst weltweite Fans und tauchen immer wieder auch dort auf, wo man es nicht erwarten würde, zum Beispiel beim ESC, dem Eurovision Song Contest. Wie die meisten subkulturellen Musikrichtungen, begann Metal im Untergrund und entwickelte sich zu einer gigantischen Industrie, die heute Milliarden mit Musikverkäufen, Merchandise und Konzerten umsetzt. Vor allem in Nordeuropa gilt Metal mittlerweile als nationales Kulturgut; einige Bands kooperieren mit etablierten Kultureinrichtungen, von Opernhäusern bis hin zu Museen, und werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt. Die Ausstellung „Der harte Norden“ in den Nordische Botschaften in Berlin betrachtet nun das Phänomen des Extreme Metal in Nordeuropa und gibt einen Überblick darüber, wie sich der Musikstil im Laufe der Jahrzehnte entwickelte, was die Ästhetik und die Musik ausmacht und welche gesellschaftlichen Kontroversen damit verbunden sind.
„Stell dir vor, dich überfährt ein Bulldozer: So sollte sich Death Metal beim Hören anfühlen.“
Ika Johannesson, Kuratorin der Ausstellung „Der harte Norden“
Ikonen des Metal
Heavy Metal entstand als musikalische Subkultur in Großbritannien und in den USA in den späten 1960er Jahren. Hintergrund war eine komplexe Kombination kultureller Einflüsse. Über Generationen hinweg entwickelte sich Metal weiter und brachte wiederum weitere Subkulturen hervor, die sich weltweit ausbreiteten. In diesem Prozess schufen die regionalen Szenen ihre eigenen Identitäten. In den 1990er Jahren gewannen besonders die Szenen, die in den nordischen Ländern Europas in den 1980er Jahren entstanden waren, weltweit an Einfluss im globalen Mainstreams der Metal-Subkultur. Schon dieser vermeintliche Widerspruch zwischen Mainstream und Subkultur wirft die Frage auf, ob Heavy Metal heute überhaupt noch als Subkultur betrachtet werden kann.
Was die Gegenkulturbewegung der späten 1960er Jahre aus dem Rock’n’Roll und dem Rhythm & Blues entwickelte, hatte bis in die 1980er spektakuläre Veränderungen erfahren. Synergien mit anderen Subkulturen und eine Gegenreaktion auf die „Satanic Panic“ hatten extreme und radikale Ausdrucksformen hervorgebracht, während der erstaunliche kommerzielle Erfolg vieler Bands in den 1970er Jahren den Heavy Metal in jeden Winkel der Welt gebracht hatte, den westliche kulturelle Einflüsse erreichen konnten. In diesem Umfeld brachten die nordischen Länder zwei besonders einflussreiche Bands hervor, die das Gesicht des Metal für immer verändern sollten: 1981 wurde Mercyful Fate, angeführt von King Diamond, in Dänemark gegründet. Und im Jahr 1983 gründete Quorthon in Schweden die Band Bathory. Dies könnte als der Beginn einer Geschichte des nordischen Metal angesehen werden, die noch heute geschrieben wird.
Der satanisch anmutende Ziegenkopf, der das Cover des selbstbetitelten Debüts von Bathory im Jahr 1984 zierte, gehört zu den bekanntesten Ikonen der Heavy-Metal-Subkultur. Genau dieses Motiv stimmt als überdimensionales Banner auch auf die Ausstellung „Der harte Norden“ im Felleshus in Berlin ein. Das Gebäude, Sitz der Nordischen Botschaften in der Bundeshauptstadt, steht mit seiner modernen skandinavischen Architektur, verbunden mit klaren Linien und einer hellen minimalistischen Gestaltung, in interessantem Kontrast zur hier gezeigten Ausstellung.
Rebellion gegen das Alltagsrau
Längst wird Metal als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen analysiert und erforscht. Auch immer mehr Publikationen und Ausstellungen widmen sich dieser Musik-Szene. In der Ausstellung „Der harte Norden“, die aktuell in Berlin zu sehen ist, konzentrieren sich Kuratorin Ika Johannesson und ihr Team um Silje Wergeland und Torgrim Øyre nun vor allem auf die beiden Extreme-Metal-Szenen, die sich im Norden Europas entwickelt haben: Death Metal und Black Metal. Im Zentrum stehen dabei Bands aus allen nordeuropäischen Ländern: Norwegen, Finnland, Schweden, Island und Dänemark. Sie alle verbindet die Musik und die Subkultur, die sie umgibt. Extreme Metal, das zeigt die Ausstellung deutlich, will in erster Linie polarisieren: „Bei dieser Musik geht es um Opposition; sie rebelliert gegen eine graue Gesellschaft voller Zwänge, gegen die Banalitäten des Alltags und in manchen Fällen gegen Religion. Sie erkundet die dunkle Seite des Menschseins. Sie will uns erschüttern und fordern und uns Kraft schenken“, betont Kuratorin Ika Johannesson.
Mit vielen persönlichen Leihgaben, von handgemachten Fanzines, selbstbespielten Kassetten und historischen Bandshirts bis hin zu original Bühnenoutfits, Zeitzeugen-Interviews und jeder Menge Musik in Form von kenntnisreich kuratierten Playlists, ist die Ausstellung vor allem etwas für echte Metal-Fans. Doch auch diejenigen, die noch nicht so vertraut mit dieser Musik-Szene sind, erhalten einen guten Überblick über das, was Extreme Metal ausmacht. „Der harte Norden“ spart dabei auch die düsteren Aspekte der Szene nicht aus. Es wird gezeigt, wie einige Akteure teils die Grenzen der Provokation überschritten, schwerwiegende Straftaten begingen und wie die mediale Öffentlichkeit auf diese reagierte. Dem gegenüber steht als Kontrast die Entwicklung einer vielfältigen Community, die Metal nutzt, um musikalisch und ästhetisch neue Ausdrucksformen auszuleben und sich weltweit mit anderen Fans zu vernetzen.
Vom Kinderzimmer in die Welt
Metal fing als Phänomen im Kleinen an, im Kinderzimmer und in Jugendzentren. Bands nahmen ihre Musik zu Hause auf dem Kassettenrecorder auf, malten für ihre Konzerte Plakate von Hand und Fans tippten Fanzines auf Schreibmaschinen, malten gruselige Motive dazu und versendeten Kopien davon per Brief an andere Fans in die ganze Welt. Die Ausstellung „Der harte Norden“ zeigt, wie auf diese Art in vielen kleinen Orten in ganz Nordeuropa lokale Metal-Szenen in den 1980ern und 90ern entstanden und sich von da aus in der ganzen Welt vernetzten. Mit zu den Pionieren gehörte die schwedische Band Entombed, die mit ihrem Debütalbum „Left Hand Path“ den Death Metal aus Nordeuropa weltweit bekannt machte. Seitdem zählen Bands aus nordischen Ländern mit zu den wichtigsten in der Metal-Szene, etwa Volbeat, Ghost oder Amorphis.
Als Gegenreaktion auf den kommerziellen Erfolg des Death Metal entwickelte sich Black Metal, ein noch extremeres Subgenre, das vor allem in Norwegen florierte. Der Sound war härter und düsterer, inhaltlich ging es um Tod, das Böse und um Okkultismus; die Vokals reichten von Kreischen bis Knurren. Zu den bekanntesten Bands in diesem Bereich zählten Mayhem, deren Gitarrist „Euronymous“ Aarseth auch ein eigenes Plattenlabel und einen Plattenladen betrieb.
In diesem Umfeld ging es allerdings leider nicht nur um Musik. 1992 kam es zu extremen Ausschreitungen, inspiriert durch die anti-christliche Musik: In Norwegen wurden rund 10 Kirchen angezündet, ein Mann wurde von von einem Szene-Mitglied erstochen. 1993 wurde Aarseth von seinem Bandkollegen Varg Vikernes ermordet. Auch in Schweden kam es in den 90er Jahren zu einem Mord in der Metal-Szene und in ganz Nordeuropa wurde Brandstiftung an Kirchen verübt. Auch dieses Kapitel gehört zu den Anfängen der Metal-Szene in nordischen Ländern. Es ist einerseits ein Stigma für alle Metal-Bands, die in keiner Verbindung zu dieser Gewalt stehen. Allerdings ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass durch das hervorgerufene Medieninteresse die Black-Metal-Szene weltweit Aufmerksamkeit erfuhr und dadurch auch größere Bekanntheit erlangte.
Metal in Mainstream und Underground
Heute ist Metal mit eines der wichtigsten Musik-Genres weltweit. Extreme Metal blickt mittlerweile auf eine über 40-jährige Geschichte zurück und neben weiterhin aktiven Urgesteinen entwickelt sich auch in Nordeuropa die Szene ständig durch neue Bands weiter. Neben düsterer und immer extremer werdendem Death Metal entstanden Sub-Genres mit Orchester-Instrumenten oder Operngesang. Metal ist in Nordeuropa heute so beliebt, dass es hier weltweit pro Kopf die meisten Metal-Bands gibt, wobei Finnland den ersten Platz belegt.
Mittlerweile scheint Metal auch im Mainstream angekommen zu sein, wie die Ausstellung zeigt. Bereits 2002 verschmolz die Königliche Oper in Stockholm für das Ballettstück „Unreal Estates“ klassisches Ballet mit Death Metal von Entombed. Die schwedische Band spielte die Musik dabei live im Orchestergraben der Oper und auf der Bühne in der Lautstärke eines regulären Death-Metal-Konzerts; dem Publikum wurde Gehörschutz zur Verfügung gestellt. Auch Museen beschäftigen sich mit Extreme Metal. So wurde im Frühjahr 2023 unter dem Titel „Bad Vibes“ in der Osloer Nationalbibliothek eine große Ausstellung über norwegischen Black Metal eröffnet und das Munch-Museum Oslo kooperierte bereits 2022 mit der Metal-Band Satyricon für die Ausstellung „Satyricon & Munch“, inklusive eines extra zur Ausstellung komponierten einstündigen Musikstücks. Seit die finnische Monster-Metal-Band Lordi im Jahr 2006 den Eurovision Song Contest gewann, gehören Metal-Bands außerdem zum festen Bestandteil des ESC.
Damit schon Kinder ihre Liebe zum Metal entwickeln können, gibt es seit 2009 zudem die finnische Metal-Band Hevisaurus, die mittlerweile auch einen Ableger in Deutschland hat. Die Bandmitglieder stehen, ähnlich wie Lordi, in aufwändigen Kostümen auf der Bühne – allerdings nicht als düstere Dämonen, sondern als freundliche Dinosaurier. Auch das ist nordischer Metal heute. Gleichzeitig gibt es weiterhin eine aktive Underground-Szene, die den Extreme Metal musikalisch und ästhetisch ständig weiterentwickelt und alles andere als Mainstream-kompatibel ist.
Der harte Norden – Heavy Metal aus den Nordischen Ländern
09.06.-29.09.2023
Nordische Botschaften – Felleshus
Rauchstraße 1, 10787 Berlin
Bilder: Angelika Schoder – Ausstellung „Der harte Norden“ im Felleshus, Berlin 2023
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Bei musermeku schreibt Damián Morán Dauchez über Geschichtsthemen, Ausstellungs- und Museumsdesign sowie über Erinnerungskultur.
Literatur-Tipps
- Ika Johannesson, Jon Jefferson Klingberg: Blood, Fire, Death: The Swedish Metal Story, Feral House 2018 (ISBN: 978-1627310673)
- Markus Makkonen, Kim Strömsholm: Rotting Ways To Misery: History Of Finnish Death Metal, Cult Never Dies 2020 (ISBN: 978-1916020641)
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