Der Fantastische Gustave Doré

Die Publikation „Der Fantastische Gustave Doré“ wirft einen Blick auf das Schaffen des Künstlers als Zeichner, Karikaturist und Maler. Im Fokus stehen dabei die wichtigsten Arbeiten seines mehr als 11.000 Arbeiten umfassenden Werks.

Die Publikation "Der Fantastische Gustave Doré" wirft einen Blick auf das Schaffen des Künstlers als Zeichner, Karikaturist und Maler.

[Rezension] Es gab kaum ein Thema, das der französische Künstler Gustave Doré (1832-1883) nicht zeichnete oder malte: er karikierte Zeitgenossen, illustrierte Kriegsberichte, schuf Bilder zu Fabeln, Gedichten oder Erzählungen und dokumentierte Landschaften. Seine Werke konnten ernst und düster sein, fantastisch und fantasievoll oder ins komisch-lächerliche abgleiten. Insgesamt schuf Doré rund 11.000 Werke; eine Auswahl daraus stellt nun die englischsprachige Publikation „Der Fantastische Gustave Doré“ vor. Der umfangreiche Bildband kommentiert dabei nicht nur ausgewählte Arbeiten des Künstlers, sondern beleuchtet auch die von ihm genutzten Techniken, wie etwa Lithographie, Radierung oder Holzschnitt.

Neben der handwerklichen Seite wirft das Buch auch einen analytischen Blick auf Dorés ikonische Werke, von Satan als gefallenem Engel in John Miltons „Das verlorene Paradies“, über biblische Darstellungen des Jüngsten Gerichts bis hin zum Motiv vom „Tod auf einem blassen Pferd“, das nicht nur von der norwegischen Metal-Band Emperor bereits für ein Album-Cover genutzt wurde. Ob zerklüftete Landschaften und Märchenschlösser, skurrile Kreaturen und Seeungeheuer oder Darstellungen des Himmels und der Hölle: Die beiden Autoren Alix Paré und Valérie Sueur-Hermel zeigen mit ihrer Publikation, wie sehr die Ästhetik von Gustave Doré bis heute unsere Kultur prägt.


Gustave Doré: The Monkey and the Dolphin (1867) - New York Public Library
Gustave Doré: The Monkey and the Dolphin (1867) – New York Public LibraryPublic Domain (beschnitten)

Von Wagner bis London: Dorés Inspiration

Gustave Doré führte ein sehr aktives gesellschaftliches Leben in Paris und stand in engem Austausch mit wichtigen Künstlerpersönlichkeiten wie dem Schriftsteller Theophile Gautier oder den Komponisten Franz Liszt, Gioachino Rossini und Richard Wagner. Auch mehrere prominente Affären aus dem Kunstbereich wurden ihm nachgesagt, etwa mit den Opernsängerinnen Hortense Schneider, Christina Nilsson und Adelina Patti sowie mit der Bühnenlegende Sarah Bernhardt. Wenn Doré für seinen künstlerischen Freundeskreis keine Salons oder gesellschaftliche Soireen veranstaltete, reiste er. Seine Ferien verbrachte er regelmäßig in den Alpen, in Savoyen, in der Schweiz oder in Italien. Doch seine Reisen führten ihn auch in die Bretagne, in die Niederlande, nach Köln und Belgien, in die Pyrenäen und nach Spanien. Auch Großbritannien besuchte er häufig und hielt sich dort vor allem in London und in Schottland auf.

All diese Eindrücke beeinflussten Doré; er fertigte zahlreiche Landschaftsdarstellungen von seinen Reisen an, erstellte Karikaturen von Persönlichkeiten aus seinem Pariser Salon-Umfeld, illustrierte Szenen aus dem Krimkrieg oder aus den italienischen Unabhängigkeitskriegen und begann sich für Gedichte, Erzählungen und Sagen zu interessieren, die auch seine Freunde künstlerisch bearbeiteten, etwa die Nibelungensage, der Richard Wagner einen Opernzyklus widmete. Dorés Inspirationen waren schier unerschöpflich, sein künstlerischer Output entsprechend beachtlich. Als im Jahr 1931 Henri Leblanc einen Gesamtkatalog von Gustave Dorés Werken erstellte, zählte dieser insgesamt 11.013 Arbeiten. Das wären durchschnittlich 290 Werke pro Jahr.

Bei rund 90 Prozent von Dorés Gesamtwerk handelt es sich um druckgrafische Arbeiten, die im Zeitraum von etwas mehr als drei Jahrzehnten entstanden, von 1845 bis 1879. Doré bediente sich dabei aller Hauptgattungen der Druckgrafik: er nutzte den Reliefdruck (Holzschnitt), den Tiefdruck (Radierung) und den Flachdruck (Lithografie). Trotz einiger bedeutender Kupferstiche und Lithografien nach eigenen Motiven, gelten Dorés Illustrationen zu Erzählungen, Dichtungen und Märchen heute als seine wichtigsten Arbeiten. Von der illustrierten Ausgabe der Werke von François Rabelais im Jahr 1854 bis zu seiner Illustration des Versepos „Der rasende Roland“ von Ludovico Ariosto, die vier Jahre vor seinem Tod im Jahr 1879 erschien, schuf der Künstler insgesamt rund 9.850 solcher Zeichnungen für Bücher und Zeitschriften. [2]


Gustave Doré: Liberty (1865–75) - Cleveland Museum of Art
Gustave Doré: Liberty (1865–75) – Cleveland Museum of Artcc0 (beschnitten)

Von Ovid bis Goethe: Dorés Wunschliste

Im Jahr 1865 diktierte Gustave Doré seiner Mutter eine Liste mit den literarischen Werken, die er bereits illustriert hatte und die er in Zukunft noch illustrieren wollte. Sein Ziel war es, in einem einheitlichen Stil eine Ausgabe aller „Meisterwerke der Literatur“ zu erstellen. Doch alle Verleger, denen Doré seine Pläne vorstellte, lehnten ab: So ein Unterfangen sei nicht praktikabel. „Sie versuchten mir zu beweisen, dass sie es nicht wagen konnten, in einer Zeit, in der das Geschäft der Buchhändler und Verleger auf extremer Billigkeit beruhte, der Öffentlichkeit Werke anzubieten, die mindestens hundert französische Franc pro Band kosten mussten“, so Doré. [1]

Die Verleger versuchten den Künstler davon zu überzeugen, dass er für so aufwändig gestaltete, und damit sehr teure Bücher nie Abnehmer finden würde. Doré hingegen beharrte auf seinem Standpunkt: Seiner Überzeugung nach würde es in jedem Zeitalter immer einige Personen geben, die bereit sein würden, für qualitativ hochwertige Publikationen auch gutes Geld auszugeben. Um dies zu beweisen, ging der Künstler in Vorleistung und veröffentlichte Dante Alighieris „Inferno“ (der erste Teil der „Göttlichen Komödie“) auf eigene Kosten. Doré sollte am Ende Recht behalten: Die Publikation wurde zum kommerziellen Erfolg. Dies überzeugte seine Verleger und so konnte der Künstler noch zahlreiche weitere aufwändig gestaltete Bücher publizieren.

Am Ende sollte Doré nicht alle 30 Werke seiner Wunschliste schaffen, auf der von Ovid, Virgil und Homer bis hin zu E.T.A. Hoffmann, Goethe und dem Nibelungenlied alles vertreten war, was im 19. Jhd. fest zum literarischen Kanon zählte. Doch die Arbeiten die er gestalten konnte, etwa zu „Münchhausens Abenteuer“ von Rudolf Erich Raspe, zu „Das verlorene Paradies“ von John Milton oder zu „Don Quixote“ von Miguel de Cervantes, gehören heute mit zu den wichtigsten Illustrationen der Literaturgeschichte.


Gustave Doré: There Minos stands (1800-1809) - New York Public Library
Gustave Doré: There Minos stands (1800-1809) – New York Public LibraryPublic Domain (beschnitten)

Die englischsprachige Publikation „The Fantastic Gustave Doré“ von Alix Paré und Valérie Sueur-Hermel ist 2023 im Prestel Verlag erschienen (ISBN: 978-3-7913-7963-0). Neben zahlreichen, teils farbigen Werkabbildungen umfasst der 480 Seiten starke Band eine Biografie zu Doré sowie erklärende Texte zu seinen vier künstlerischen Schaffensfeldern: Radierung, Zeichnung, Karikaturen und Malerei. Darüber hinaus werden ausgewählte Einzelwerke kommentiert.

musermeku dankt dem Prestel Verlag für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.


Header-Bild: Gustave Doré: Bluebeard gives Fatima the keys (1871) – New York Public LibraryPublic Domain (beschnitten, bearbeitet)


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Gustave Doré`s List, In: Alix Paré und Valérie Sueur-Hermel: The Fantastic Gustave Doré, 2023, S. 7.

[2] Dazu: Ebd., S. 16.


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