#EmptyMuseum: Wenn Museen leer bleiben

Menschenleere Ausstellungsräume? Was für viele Museen wie ein Alptraum klingt, ist bei EmptyMuseum-Events beabsichtigt, etwa in der Fondation Beyeler.

Menschenleere Ausstellungsräume? Was für viele Museen wie ein Alptraum klingt, ist bei EmptyMuseum-Events beabsichtigt, etwa in der Fondation Beyeler.

[Pressereise] In den Ausstellungsräumen herrscht gähnende Leere. Während am Ende des Flures eine Reinigungskraft mit dem Staubsauger zugange ist, versammelt sich das Aufsichtspersonal. Es gibt ohnehin niemanden, den man beaufsichtigen müsste. Von Besuchern ist weit und breit nichts zu sehen. Was für viele Museen wie der ultimative Alptraum klingt, ist in der Fondation Beyeler beabsichtigt: EmptyMuseum heißt das Konzept, bei dem man ein Museum fast ganz für sich alleine hat.


Menschenleere Ausstellungsräume in New York

Die Idee des “Empty Museum” geht auf ein Konzept des Metropolitan Museum of Art in New York zurück. Initiator war der Instagrammer Dave Krugman, der #emptymet gemeinsam mit dem Museum entwickelte, um letztendlich eine Instagram Community für die Institution aufzubauen. Die Idee entstand, als Krugman bei einem Museumsbesuch feststellte, wie enthusiastisch Museumsbesucher ihre Eindrücke aus der Ausstellung festhielten und sie über Social Media anderen online zugänglich machten. Krugmans Ansatz war es, diesen Zugang durch die Fokussierung auf Instagram und die Kooperation mit bekannten Fotografen der Plattform weiter zu verstärken, wie er in seinem Blog schreibt:

I decided to use Instagram as a way to bring people from all over the world into the Museum, even if they couldn’t be there physically. The Museum would benefit from the incredibly wide exposure that top Instagrammer’s can provide, and the photographers would benefit from unprecedented access to the Museum during closed hours. It was a win-win situation.

Dave Krugman

Das erste #emptymet fand an einem Montag statt, da das Museum dann eigentlich geschlossen ist. Im Gegenzug für den exklusiven Zugang zum menschenleeren Museum – und damit zu Fotomotiven, die sonst nie möglich wären – machten die Instagrammer auf  das MET und auf dessen Instagram-Account aufmerksam. Dies erweiterte die Zielgruppe des Museums und führte letztendlich zu einer Vielzahl neuer On- und Offline-Fans. Mittlerweile kann die EmptyMET-Tour als „VIP-Event“ für 125,- Dollar von jedem gebucht werden. Die Teilnehmeranzahl für die 90-minütigen Ausstellungsbesuche, die durch einen Museumspädagogen begleitet werden, ist dabei auf 25 Personen beschränkt. Es soll schließlich auch wirklich „empty“ bleiben.


Leerstellen in Hamburg

In den letzten Jahren wurde das Konzept des EmptyMuseum in zahlreichen Institutionen auf der ganzen Welt aufgegriffen. Immer geht es darum, einer kleinen Gruppe die einzigartige Möglichkeit einzuräumen, ein ganzes Museum samt seiner Ausstellungsobjekte für sich alleine zu haben – ohne drängelnde Touristengruppen, welche die Sicht auf die Kunstwerke verstellen. Das Museum muss dafür außerhalb der regulären Öffnungszeiten zugänglich gemacht werden. Meist geschieht dies entweder morgens, wenn das Museumspersonal schon im Haus ist und hinter den Kulissen noch Vorbereitungen für den Tag laufen. Alternativ kann auch abends exklusiv für Teilnehmer eines EmptyMuseum-Events geöffnet bleiben, wie im Fall der Hamburger Kunsthalle. Diese veranstaltete am Abend des 20. Juni 2015 das erste Event dieser Art in Deutschland.

Geladen waren 40 Instagrammer, wobei 30 Influencer aus ganz Deutschland gezielt eingeladen wurden. Für die 10 weiteren Plätze konnten sich Follower des Museums bei Instagram an einer Auslosung beteiligen. Der Hintergrund des Events war, dass die Kunsthalle Hamburg zu dieser Zeit umgebaut wurde und sich auch in Social Media neu ausrichtete. Ähnlich wie im Fall des MET ging es dem Museum darum, über das EmptyMuseum-Event neue Zielgruppen bei Instagram zu erreichen und die Followerzahl für den eigenen Account zu erhöhen.


#EmptyBeyeler in Basel

Auch wenn man Schweizern nachsagt, sie seien etwas gemächlicher als die Deutschen: Was ein EmptyMuseum im deutschsprachigen Raum angeht, waren sie schneller. Kurz vor den Kollegen in Hamburg veranstaltete die Fondation Beyeler am 17. Juni 2015 ein entsprechendes Event. Unter dem Hashtag ‪#‎EmptyBeyeler ging es morgens 8 Uhr auf Entdeckungstour durch die Ausstellungsräume – bevor das Museum dann um 10 Uhr regulär öffnete. Die Instagrammer inszenierten sich u.a. in der Ausstellung „The Image as Burden“ von Marlene Dumas und vor Tobias Rehbergers Wandgestaltung mit dem Titel “1661–1910 from Nagasaki, Meiji, Setti” und machten auf den Account @fondationbeyeler aufmerksam.

Anlässlich der Ausstellung „Der Blaue Reiter“ fand am 16. Oktober 2016 nun zum zweiten mal ein #EmptyBeyeler statt, und zwar im Rahmen der Bloggerreise #BlauerReiterBasel. Ebenso wie beim ersten Event wurde auch das zweite EmptyMuseum morgens veranstaltet, bevor der sonntägliche Ansturm auf die Institution einsetzte. Ergänzt wurde die exklusive Tour durch das menschenleere Gebäude mit einer Führung, die im Anschluss während der regulären Öffnungszeiten stattfand. Fotografieren war zu diesem Zeitpunkt kaum noch ungestört möglich, da die Ausstellung bereits wenige Minuten nach 10 Uhr völlig überfüllt war. Auch aus der Interaktion mit Besuchern können sich natürlich reizvolle Motive ergeben – diese unterscheiden sich jedoch von Fotos, die ohne Besucher möglich sind.


Gähnende Leere ist kein EmptyMuseum

Das Beispiel der Fondation Beyeler zeigt sehr gut, was ein EmptyMuseum-Event ausmacht: Attraktiv wird eine solche Veranstaltung für Teilnehmer nur, wenn sich sonst keine Möglichkeit bietet, in (fast) menschenleeren Ausstellungsräumen zu fotografieren. Wer in völlig überfüllten Museen schon den Versuch unternommen hat, eine Raumansicht zu fotografieren, bei der man einen guten Überblick über die Werke oder einen freien Blick auf ein bestimmtes Objekt hat, versteht die Herausforderung. Meist bleiben dann nur Bilder von #artwatchers – von Personen, die Kunstwerke betrachten.

Doch nicht alle Museen haben das Glück, sich vor Besuchern kaum retten zu können. Häufig genug bekommt man das EmptyMuseum-Erlebnis bereits bei einem regulären Ausstellungsbesuch. Das Phänomen tritt besonders dann auf, wenn Sonderausstellungen gezeigt werden. Während sich dann dort die Besucher teilweise stapeln, lassen sich die Dauerausstellungen zeitgleich oft menschenleer betrachten – besonders wenn man diese nicht am Wochenende aufsucht. Wenn eine Institution an Besuchermangel leidet, wird es mit einem EmptyMuseum-Event also wohl nicht punkten können.


Nichts zu sehen im Museum

Kein EmptyMuseum im oben genannten Sinne, sondern das Konzept einer Vorab-Besichtigung taucht über die Jahre immer wieder im Berliner Raum auf. Den Start machte das Jüdische Museum Berlin, das 1999 Architekturführungen anbot, bevor die Ausstellungen eingerichtet wurden. Das Neue Museum auf der Museumsinsel zog 2009 nach und ließ Besucher bereits vor der offiziellen Eröffnung in die Räumlichkeiten. Im selben Jahr folgte das Bauhaus Archiv mit einer gleichen Aktion. Nun ist das Museum Barberini an der Reihe, das am 23. Januar 2017 in Potsdam eröffnet werden soll. Das leere Gebäude kann vom 28. November bis 4. Dezember 2016 an „Besuchertagen“ jeweils von 12 bis 21 Uhr mit einem Zeitfenster-Ticket erkundet werden.

Auch hier fällt die Bezeichnung „EmptyMuseum“ – wobei es tatsächlich um das inhaltlich leere Museumsgebäude gehen soll, in dem Führungen zur Geschichte und Architektur angeboten werden. Empty ist eben nicht gleich EmptyMuseum, wenn plötzlich nicht die Ausstellungsräume, sondern die Ausstellung selbst leer ist. Wobei auch dies letztendlich Instagrammern egal sein dürfte, die das leere Museum aufsuchen werden. Immerhin interessieren sie sich eher selten für die Kunst an den Wänden und statt dessen um so mehr für Treppenhäuser, wie Anika Meier im Juni bei Monopol polemisch anmerkte. Treppen bringen bei Instagram eben jede Menge Likes, ganz anders als Fotos von Kunstwerken. Als hätte das Museum Barberini dies geahnt – ein Treppenhaus hat es jedenfalls…

musermeku dankt der Fondation Beyeler sowie Art & Design Museums Basel für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Bilder: Angelika Schoder – Fondation Beyeler, Riehen 2016


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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