Umbequeme Perspektiven: Bauhaus und Nationalsozialismus

Mit gleich drei Ausstellungen und einer Publikation blickt die Klassik Stiftung Weimar auf ein dunkles Kapitel der Bauhaus-Geschichte. „Bauhaus und Nationalsozialismus“ zeigt, dass unter den Bauhaus-Akteuren nicht nur Opfer des NS-Regimes waren, sondern auch Mitläufer und Sympathisanten.

Mit drei Ausstellungen und einer Publikation blickt die Klassik Stiftung Weimar auf die Geschichte des Bauhaus im Nationalsozialismus.

[Rezension] Als das Bauhaus im Jahr 2019 sein 100. Jubiläum feierte, blickten viele Ausstellungen und Publikationen auf die künstlerischen Arbeiten der bekannten Akteure in Kunst, Architektur oder Design zurück. Es ging um regionale oder internationale Einflüsse des Bauhaus, um das hier entstandene Design oder um die Architektur, deren Prägung heute in vielen Ländern zu finden ist. Der Nationalsozialismus wurde in diesen Ausstellungen und Publikationen meist nur im Hinblick auf das Ende des Bauhaus thematisiert, vor allem mit Verweis auf das Exil einiger Bauhaus-Akteure. Die Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ der Klassik Stiftung Weimar wählt nun, fünf Jahre nach dem Jubiläum, einen ganz anderen Ansatz. In drei Teilen beleuchtet sie die verschiedenen Wege, welche die Kunstschaffende im Umgang mit dem Nationalsozialismus eingeschlagen haben und untersucht auch erstmals das Verhältnis zwischen der Institution Bauhaus und dem NS-Regime, das teils auch kollaborativ und sympathisierend war. Wissenschaftlich begleitet wird die Ausstellungsreihe „Bauhaus und Nationalsozialismus“ von einer im Hirmer Verlag erschienenen Publikation, die dieses Kapitel der Bauhaus-Geschichte umfangreich beleuchtet.


„Die Beziehungsgeschichte zwischen dem Bauhaus und der höchst widersprüchlichen, von propagandistischen, rassenideologischen Zielen bestimmten NS-Kunst und -Kulturpolitik ist wesentlich komplexer, als es die mit der Identitätskonstruktion des Bauhauses einhergehende eindimensionale und im Sinne der kollektiven Entlastungserzählung fast sakral überhöhte Rezeption der verfolgten Moderne glauben machte.“ [1]

Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar

Eine Ausstellung an drei Orten

Die Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ hat es sich zum Ziel gemacht, neue und vor allem auch unbequeme Perspektiven auf die Bauhaus-Geschichte zu eröffnen. Sie will dabei zeigen, dass eine innovative künstlerische Haltung keinen Schutz vor der Verführbarkeit durch den Faschismus bietet. An drei Orten in Weimar werden hierfür rund 450 Kunst- und Designobjekte aus Privatsammlungen und renommierten Museen in Europa und den USA präsentiert. Die Werke verdeutlichen die komplexe politische Geschichte des Bauhaus, von seiner Gründung 1919 in Weimar, über sein Bestehen in Dessau, bis hin zu seiner Schließung 1933 in Berlin. Dabei fokussiert sich die Ausstellung auf die unterschiedlichen Lebenswege der Bauhäusler während der Zeit des Nationalsozialismus.

Unter dem Titel „Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919−1933“ werden zunächst im Museum Neues Weimar die künstlerischen und politischen Konflikte dargestellt, die bereits mit der Gründung der Institution in Weimar begannen und sich in Dessau und Berlin fortsetzten. Das Bauhaus Museum widmet sich dann unter der Überschrift „Abgehängt-Beschlagnahmt-Angepasst 1930/1937“ der Beschlagnahmung von „Entarteter Kunst“ im Jahr 1937 und einer Vorläufer-Aktion in Weimar, bei der 1930 über 70 Werke entfernt wurden. Die Beschlagnahmung von über 450 Werken im Jahr 1937 wird dabei als ein bis heute spürbarer kultureller Verlust dargestellt. Der Hauptteil der Ausstellung im Schiller-Museum beleuchtet die „Lebenswege in der Diktatur 1933−1945“ der Bauhaus-Mitglieder. Viele verloren ihre Arbeit und flohen ins Exil, während mindestens einundzwanzig Bauhäusler in NS-Gefängnissen oder Konzentrationslagern ermordet wurden. Die Mehrheit der Bauhaus-Studierenden und einige Lehrende blieben allerdings in Deutschland und beteiligte sich an nationalsozialistischen Propaganda-Ausstellungen oder Design-Messen. Sie waren Mitläufer und standen oft auch ideologisch voll hinter dem NS-Regime.

Die dreiteilige Ausstellung in Weimar wird durch die Installation „Denkmal über Ehrlichkeit“ von Friedrich von Borries, Frieder Bohaumilitzky und Jens-Uwe Fischer ergänzt. Das Werk besteht aus den bekannten Typenmöbeln 602 des Bauhaus-Künstlers Franz Ehrlich und soll die vielschichtige Biografie des Bauhaus-Architekten, Grafikers und Designers dekonstruieren. Der Bauhäusler war nicht nur Widerstandskämpfer und Häftling im Konzentrationslager Buchenwald, sondern auch SS-Architekt, Stasi-Informant und Hochstapler. Ausgehend von seiner Lebensgeschichte will das Denkmal nicht nur die Person Franz Ehrlich hinterfragen, sondern auch dazu anregen, über die vorherrschenden Selbstverständnisse der Gegenwart nachzudenken.


Aktuelle Forschung zu Bauhaus und Nationalsozialismus

Die Publikation zur Ausstellung beginnt mit 14 Aufsätzen über das Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin. Hier wird die gesellschaftliche Bedeutung der Institution beleuchtet, die heute als bedeutendste Avantgarde-Kunstschule des frühen 20. Jahrhunderts gilt. Die Beiträge zeigen, wie das Bauhaus von 1919 bis 1933 die künstlerische Moderne der 1920er Jahre prägte und wie die Institution mit ihren vielfältigen Disziplinen wie Möbeldesign, Architektur, Fotografie, Textil und Werbegrafik die Kunst und Kultur in Europa und darüber hinaus beeinflusste. Dabei wird auch das Bauhaus-Bild zurecht gerückt, dass die Nationalsozialisten ab 1933 alles Moderne bekämpft und alle Mitglieder des Bauhaus verfolgt oder ins Exil getrieben hätten. Tatsächlich richtete sich die NS-Kulturpolitik zwar in der bildenden Kunst konsequent gegen die Moderne, etwa durch die Diffamierung und Zerstörung „Entarteter Kunst“. In Bereichen wie Design und Kunsthandwerk galten jedoch andere Maßstäbe. Ein Beispiel ist „Wunder des Lebens“, eine Ausstellung zur NS-Rassenideologie von 1935, in der Bauhaus-Designs wie Marcel Breuers Stahlrohrstühle verwendet wurden. Das NS-Regime hatte also eine durchaus widersprüchliche Haltung zur Moderne und war den Werken von Bauhäuslern nicht grundsätzlich abgeneigt.

Im Anschluss widmet sich der Begleitband zur Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ einzelnen Biografien und Lebenswegen von Bauhäuslern. Die Inhalte bauen auf diversen Weimarer Ausstellungsprojekte auf, etwa „Franz Ehrlich. Ein Bauhäusler in Widerstand und Konzentrationslager“ (2009), oder „Wege aus dem Bauhaus. Gerhard Marcks und sein Freundeskreis“ (2017). Auch die Ausstellung „Vergessene Bauhaus-Frauen. Lebensschicksale in den 1930er und 1940er Jahren“ (2021/22) und das dahinter stehende Forschungsprojekt „Bewegte Netze. Bauhausangehörige und ihre Beziehungsnetzwerke in den 1930er und 1940er Jahren“ war ein wichtiger Vorläufer. In dem Projekt wurden 1.400 Biografien von Bauhaus-Studierenden und Lehrenden erfasst und ihre Beziehungen zum Nationalsozialismus untersucht.

Wie die Publikation zeigt, änderte sich die Lebenssituation für die Bauhaus-Mitglieder, die nach 1933 in Deutschland blieben. Einige wurden antisemitisch oder politisch verfolgt, wie die Weberin Otti Berger, die 1936 ein Berufsverbot erhielt. [2] Andere mussten entscheiden, ob sie sich anpassen, kollaborieren oder alternative Wege im Nationalsozialismus finden konnten. Ein extremes Beispiel ist der Bauhaus-Absolvent Fritz Ertl, der später als SS-Architekt an der Planung des KZ Auschwitz beteiligt war. [3] Die Beiträge im Buch zeigen, dass man bei vielen Bauhäuslern nicht in starren Kategorien von Täter, Opfer und Mitläufer trennen kann, sondern es gilt, vielfältige Formen der Komplizenschaft zu untersuchen. Die Publikation beleuchtet dabei verschiedene Lebenswege und Schicksale von Bauhaus-Angehörigen im Nationalsozialismus, etwa die Geschichte der Tierillustrationen von Alice Glaser, die als jüdische Mutter ein Quartettspiel für ihre Tochter als Geschenk für deren Flucht nach Südamerika gestaltete. [4]

In insgesamt 72 Beiträgen von 45 Forschenden wird der aktuelle Stand zum Thema „Bauhaus und Nationalsozialismus“ präsentiert, von historischen Verflechtungen der Institution bis hin zu persönlichen Schicksalen von Bauhäuslern. Dabei wird deutlich, dass das Bauhaus im Nationalsozialismus nicht nur Ablehnung erfuhr. Wenn es um die internationalen Verbindungen der wenigen deutschen Designfirmen ging, galt Bauhaus auch als Qualitätssigel.


Der Begleitband zur Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“, herausgegeben von Anke Blümm, Elisabeth Otto und Patrick Rössler für die Klassik Stiftung Weimar, ist 2024 im Hirmer Verlag erschienen (ISBN: 978-3-7774-4337-9). Die Publikation bietet einen umfangreichen Überblick zur Tätigkeit ehemaliger Bauhaus-Angehöriger vor und nach 1933 und enthält Texte von u.a. Regina Bittner, Sylvia Claus, Magdalena Droste, Christian Fuhrmeister, Philipp Oswalt, Elisabeth Otto, Miriam-Esther Owesle, Patrick Rössler, Rolf Sachsse, Aya Soika, Nader Vossoughian und Christoph Zuschlag.


Bauhaus und Nationalsozialismus

09.05.-15.09.2024

Museum Neues Weimar: Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919-1933
Bauhaus-Museum Weimar: Abgehängt-Beschlagnahmt-Angepasst 1930/1937
Schiller-Museum: Lebenswege in der Diktatur 1933-1945


Header-Bild: Angelika Schoder – Bauhaus Museum, Weimar 2019


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Annette Ludwig: Zur Einführung. Bauhaus und Nationalsozialismus – Brüche, Widersprüche, Kontinuitäten. In: Bauhaus und Nationalsozialismus, Hg.v. Anke Blümm, Elisabeth Otto und Patrick Rössler, 2024, S. 8.

[2] Dazu: Ebd., S. 152f.

[3] Dazu: Ebd., S. 82-85.

[4] Dazu: Ebd, S. 160-163.


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