Kino in Hamburg: Von Edgar Wallace bis Goldener Handschuh

In der Ausstellung „Close-up“ widmet sich das Altonaer Museum der Geschichte des Kinos in Hamburg, von den historischen Anfängen bis heute.

In der Ausstellung "Close-up" widmet sich das Altonaer Museum der Geschichte des Kinos in Hamburg, von den historischen Anfängen bis heute.

[Ausstellung] Hamburg kann vieles sein: Rotlicht-Kietz, Hafenkulisse oder pulsierende Großstadt. Manchmal ist Hamburg aber auch London, New York oder Berlin – zumindest im Film. Die Ausstellung „Close-up“ beleuchtet aktuell die Geschichte des Kinos in Hamburg und zeigt, dass die Hansestadt schon immer auch eine Filmstadt war. Hier wurden 1895 die ersten Vor-Ort-Aufnahmen in Deutschland gefilmt; 1901 eröffnete das erste Kino an einem festen Standort. Bis heute entstehen an der Elbe große und kleine Filmproduktionen, vom Independent-Streifen über Tatort-Folgen bis hin zu Hollywood-Filmen. In der Ausstellung im Altonaer Museum geht es allerdings weniger um große Blockbuster und eher um einen historischen Überblick zu Hamburgs Film- und Kinogeschichte, etwa um die Anfänge des Kinos um die Jahrhundertwende, um die unabhängige Filmszene ab den 1960er Jahren und um die traditionsreichen Kinos der Stadt.


Die Geschichte des Kinos in Hamburg

Viele Städte verbindet man mit dem Begriff „Kino“: Die Hollywood-Filmstudios in Los Angeles, Potsdam/Babelsberg oder auch die Pinewood-Studios bei London. An Hamburg denkt man eher nicht, wenn es ums Kino geht. Große Filmstudios gibt es hier nicht und auch mit Glanz und Glamour hat die Hansestadt weniger zu tun. Dennoch ist Hamburg eine echte Film- und Kinostadt – das zeigt das Altonaer Museum jetzt in der Ausstellung „Close-up. Hamburger Film- und Kinogeschichten“. Der Ort Altona spielt dabei keine zufällige Rolle: Der Stadtteil gilt als „Schaltstelle des Hamburger Filmschaffens“ mit Filmförderung und Medienzentren, mit Produktionsfirmen und als Wohnort zahlreicher Filmschaffender.

Die Anfänge des Kinos in Hamburg liegen nicht weit vom Altonaer Museum entfernt, auf St. Pauli: Hier entstand das erste Kino um 1900, und zwar in einer Kneipe auf der Reeperbahn. Wer an Hamburg als Drehort denkt, dem kommen noch heute vor allem St. Pauli, Hafen und Reeperbahn in den Sinn. Hier spielten in den 1950er Jahren Filme mit den Schlagersängern Freddy Quinn und Hans Albers; bis heute gelten „Freddy, die Gitarre und das Meer“ von 1959 oder „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ von 1954 als Kultfilme. Doch die Hansestadt hatte seit dem Beginn der Filmgeschichte noch mehr zu bieten: Auch Grindelviertel, Wilhelmsburg oder Altona haben Filmkarriere gemacht. Bekannt aus Film und Fernsehen sind außerdem auch die Speicherstadt, der Alte Elbtunnel, die Köhlbrandbrücke oder das Finanzamt am Schlump, wie die Ausstellung anhand von historischen Fotografien, zahlreichen Filmausschnitten und Dokumenten zeigt.


Die Hansestadt als Drehort

Als Besucher betritt man die Ausstellung „Close-up“ durch eine Kneipe. Es ist der „Goldene Handschuh“, die bekannte Kneipe auf St. Pauli – oder besser gesagt die Kulisse zum gleichnamigen Film. Kulissenbau, so will das Altonaer Museum hier zeigen, ist ein zentraler Bestandteil vieler Filmproduktionen. Im Mittelpunkt steht hier die detailgetreue Arbeit von Szenenbildner Tamo Kunz und Art Director Seth Turner. Was das Museum jedoch bewusst nicht zeigt, sind Ausschnitte des Films von Fatih Akin. Die Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka, die der Hamburger Künstler Heinz Strunk in seinem Roman „Der Goldene Handschuh“ aufgriff und die 2019 verfilmt wurde, ist zu brutal, um in einer familienfreundlichen Ausstellung gezeigt zu werden.

Neben Hamburg als Schauplatz eines Films musste die Hansestadt auch immer wieder als Double für andere Städte herhalten, wie die Ausstellung im Anschluss zeigt. In den zwischen 1965 und 1969 entstandenen acht Filmen über den FBI-Agenten Jerry Cotton wird Hamburg etwa als New York City inszeniert. So diente im Film „Schüsse aus dem Geigenkasten“ die Hamburger Kunsthalle als FBI-Hauptquartier und im Film „Der Mörderclub von Brooklyn“ wurde das Jenisch-Haus zur Bankiers-Villa. Auch „Der Hauptmann von Köpenick“ aus dem Jahr 1956 wurde in Hamburg gedreht, obwohl die Handlung eigentlich im Berlin des Jahres 1906 spielen soll. Die passende wilhelminische Architektur lieferte hier das Grindelviertel; das lokale Finanzamt diente als das Köpenicker Rathaus und das Altonaer Rathaus, vor dem noch heute ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I. steht, fungierte im Film als Bahnhof. Schließlich hatte Hamburg im Film auch einen Auftritt als die britische Hauptstadt, und zwar in den Edgar Wallace Filmen „Die toten Augen von London“ und „Der Fälscher von London“ aus dem Jahr 1961. Die Speicherstadt und die Villen an der Elbchaussee dienten hier als Kulisse; die Innenaufnahmen fanden bei Studio Hamburg statt. Als Themse trat die Elbe in Erscheinung.


Die Geschichte des Kinos

Im Obergeschoss des Altonaer Museums setzt sich die Ausstellung „Close-up“ mit einer Reise durch die Geschichte des Kinos in Hamburg fort. Am Anfang standen „lebende Photographien“, die man im 19. Jhd. durch Kinetoskope, Guckkastenkinos und andere Automaten betrachten konnte. Bald wurden bewegte Bilder auch auf großen Leinwänden gezeigt, etwa ab 1985 auf dem Hamburger Dom, in Variété-Theatern, in Kneipen oder in Gastsälen von Hotels. Auf St. Pauli und in Harburg entstanden ganze Unterhaltungsmeilen für Kinobegeisterte. Ab 1900 gab es erste ortsfeste Kinos, die als „Lichtspiele“ bekannt wurden. Zu den bekanntesten zählte E. Knopf’s Theater lebender Photographien, das im Februar 1901 als illegales Kneipenkino am Spielbudenplatz auf der Reeperbahn gegründet wurde. Im Laufe der Zeit wurde es zum Kinematographen-Theater; in der Kinokrise der 1960er-Jahre wandelte es sich zum Eros-Cine-Center für Pornos, danach zum nostalgischen Hollywood Kino und heute ist es ein Kietz-Club.

Wer sich schon immer gefragt hat, was die ersten datierbaren Filmaufnahmen Deutschlands zeigen, für den bietet die Ausstellung „Close-up“ die Antwort: Es sind Aufnahmen, die die Ankunft Kaiser Wilhelms II. am 19. Juni 1895 im Hamburger Dammtor-Bahnhof festhalten. Der Originalfilm gilt als verschollen; das Museum zeigt hier die Vergrößerung eines 35 mm-Nitratfilmstreifens, der vielleicht zum Zeitpunkt der ersten Filmaufnahmen entstand. Seit dem scheint der Aufstieg Hamburgs zur Filmstadt vorprogrammiert. Als besonders wichtige Drehorte gelten der Hamburger Hafen und das Gelände von Hagenbeck. Mit seiner „fremdländischen“ Flora und Fauna eignete sich der Tierpark zu Beginn des 20. Jhd. gut für die Bebilderung kolonialer Phantasien, wie die Ausstellung anhand von historischem Bildmaterial belegt. Teils wurden durch die hier entstandenen Filme auch rassistische Stereotype transportiert. Auf dem Gelände von Hagenbeck entstanden beispielsweise nachgestellte Jagd-Dokumentationen, aber auch Filme von Fritz Lang. In „Harakiri“ aus dem Jahr 1919 hielt der Regisseur etwa „exotische“ Eindrücke eines fiktiven Japan fest.

Die Ausstellung betrachtet nicht nur Filme, die in Hamburg entstanden, sondern auch die filmische Infrastruktur der Stadt. So werden beispielsweise die 1919 gegründeten Vera-Filmwerke vorgestellt, Hamburgs erstes großes Filmunternehmen. Gearbeitet wurde mit den Ensembles der Hamburger Theater, wie Schauspielhaus oder Thalia. Die meisten der damals entstandenen Filme gelten heute als verschollen. Auch die Geschichte der 1947 ins Leben gerufenen Real-Film wird aufgegriffen, durch die Hamburg in der Nachkriegszeit zur Filmstadt wurde. Gegründet wurde das Filmunternehmen von Gyula Trebitsch und Walter Koppel, zwei jüdische Holocaust-Überlebende. Sie verpflichteten Ufa-Stars wie Zarah Leander und Marika Rökk und wurden 1956 für die Produktion von „Der Hauptmann von Köpenick“ für einen Oscar nominiert. 1960 zerbrach das Unternehmen, da sich mit dem Siegeszug des Fernsehens kein großer Kinoerfolg mehr einstellte.


Filmproduktion und Kinos in Hamburg

Neben Filmproduktionsgesellschaften werden in der Ausstellung „Close-up“ auch bekannte historische Kinos in Hamburg vorgestellt, etwa der 1929 erbaute Ufa-Palast, der mit 2.665 Plätzen damals das größte Kino Europas war. Der Kinosaal wurde 1944 durch Bomben zerstört, ein Schicksal, das die meisten Hamburger Kinos traf. Die wenigen intakt geblieben wurden bereits im Juli 1945 von der britischen Militärregierung wiedereröffnet. In den 1950er-Jahren begann dann ein Kino-Boom, auch in Hamburg. In der Wirtschaftswunder-Zeit entstanden einige neue Kinos mit luxuriöser Ausstattung in der Hansestadt. Eines dieser Kinos war das Savoy, das 1957 eröffnete und bis heute – nach wechselvoller Geschichte und vielen Umbauten – am Steindamm hinter dem Hamburger Hauptbahnhof zu finden ist. So wie auch anderen historischen Kinos widmet das Altonaer Museum dem Savoy einen eigenen Ausstellungsbereich, der wie ein kleines Kino eingerichtet ist. Auf Klappstühlen können Besucher hier Ausschnitte aus historischen Filmen sehen.

Im letzten Abschnitt der Ausstellung geht es um die Entwicklung Hamburgs als Heimat des Independent-Films. 1967 schlossen sich Filmschaffende zur Hamburger Filmmacher-Cooperative zusammen und riefen „Das Andere Kino“ aus. An der HFBK, der Hochschule für bildende Künste und im „Arbeitskreis Film und Fernsehen“ der Universität Hamburg entstanden seit den 1960er Jahren zudem experimentelle Filme. Beeinflusst durch diese Entwicklung wurde 1970 das Abaton gegründet, das erste Programmkino Deutschlands. Im September 1979 fand das Filmfest der Filmemacher statt, bei dem auch filmpolitische Forderungen formuliert wurden. Als Ergebnis wurde die erste kulturelle Filmförderung Deutschlands in Selbstverwaltung der Filmschaffenden ins Leben gerufen. Eine Initiative setzte sich in Hamburg zudem für die Gründung eines kommunalen Kinos ein. Als Ergebnis eröffnete 1979 das Metropolis, das auch Filmarchiv sowie Ursprung der Lesbisch-Schwulen Filmtage und des Kurzfilmfestivals Hamburg ist.

Ebenso wichtig wie das Metropolis ist das Filmhaus auf dem Areal der ehemaligen Zeise-Hallen, das ab 1980 Mittelpunkt einer kreativen Filmszene in Hamburg wurde. Für einen der aktuell bekanntesten Hamburger Regisseure, Fatih Akin, sind die Zeise Kinos sein „zweites Wohnzimmer“, wie es in der Ausstellung heißt. Das Altonaer Museum widmet ihm das Ende der Ausstellung. Thematisiert wird hier sein umfangreiches Schaffen, u.a. sein Film „Gegen die Wand“, für den er 2004 einen Goldenen Bären gewann, und „Soul Kitchen“, der bei den Filmfestspielen 2009 in Venedig den Spezialpreis der Jury gewann.


Close-up. Hamburger Film- und Kinogeschichten

08.12.2021-18.07.2022
Altonaer Museum


Bilder: Angelika Schoder – Altonaer Museum, Hamburg 2022


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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