Ignacio Zuloaga: Tänzerinnen und Toreros

In der Ausstellung „Mythos Spanien“ widmet sich das Bucerius Kunst Forum in Hamburg dem Maler Ignacio Zuloaga und geht der Frage nach, warum der bedeutende spanische Künstler in Deutschland heute kaum bekannt ist.

Die Gemälde von Ignacio Zuloaga prägten den Mythos Spaniens. Eine Ausstellung zeigt das Werk des in Deutschland eher unbekannten Künstlers.

[Ausstellung] Er malte Mitglieder der Bourgeoisie und Prostituierte in Paris, Stierkämpfer und Flamenco-Tänzerinnen in Sevilla, seine in Tracht gekleideten Cousinen oder die karge Landschaft Spaniens: Ignacio Zuloaga (1870-1945) schuf um 1900 faszinierende Gemälde, die schnell auf großes Interesse in der Kunstwelt stießen und internationale Sammler begeisterten. Dennoch ist der Künstler heute in Deutschland fast nicht bekannt. Warum das so ist, darauf geht nun die Ausstellung „Mythos Spanien“ im Bucerius Kunst Forum ein. Die Schau in Hamburg, die in Kooperation mit der Kunsthalle München entstand, versammelt rund 80 Werke aus dem Zeitraum von 1890 bis 1941, darunter Leihgaben aus dem Belvedere Museum in Wien, dem Musée d’Orsay und dem Musée Rodin in Paris, dem Museo Nacional Reina Sofía in Madrid oder der Berliner Nationalgalerie.


„Ihr Werk war für mich, seit ich in Berlin einige Bilder, und später in Dresden im Jahre 1901 mehrere Meisterwerke gesehen habe – also: dieses Werk war und ist für mich eine Quelle der Schönheit, der Freude, – der Ewigkeit…“.

Rainer Maria Rilke in einem Brief an Ignacio Zuloaga, 1902

Spanische Mythen

Was macht den „Mythos Spanien“ aus? Stellt man sich Klischees vor, wie Spanien vor über 100 Jahren ausgesehen haben könnte, von der Landschaft bis hin zu den dort lebenden Menschen, findet man diese vielleicht etwas stereotypen Vorurteile in den Gemälden von Ignacio Zuloaga bestätigt. In einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels infolge der Industrialisierung und der Annäherung Spaniens an die europäische Moderne zeigt der Künstler das, was für ihn „das Authentische“ des Landes verkörpern sollte: das Leben in den kleinen Dörfern, Menschen in traditionellen Gewändern, Akteurinnen des Flamenco und ikonische Stierkämpfer. Sie alle wirken wie eine Manifestation von Bräuchen und Legenden Spaniens.

Zuloagas Ziel war es, die „spanische Seele“ in seinen Werken zu zeigen. Zahlreiche seiner Bilder spiegeln dabei eine Symbolik wider, die die Identität des Landes einzufangen scheint – zumindest so, wie sich auch die Kunstwelt und potenzielle Sammler um die Jahrhundertwende die idealisierten und ursprünglichen Darstellungen von Spanien vorstellten. Immer wieder entsteht in der Ausstellung der Eindruck, Zuloaga wollte durchaus auch das bieten, was im Kunstmarkt seiner Zeit gut ankommen würde – unabhängig davon, ob es der Realität in Spanien entsprach.


Zwischen Frankreich und Spanien

Als Sohn eines Kunstschmieds wurde Zuloaga 1870 im baskischen Eibar geboren. Schon früh zog es ihn nach Paris, wo er enge Beziehungen zur Kunst-, Literatur- und Musikszene pflegte. In den 1890er Jahren verlegte er seinen Wohnsitz erst nach Sevilla, wo er sich an der Escuela Taurina von Manuel Carmona zum Stierkämpfer ausbilden ließ und sich mit Gitanos, den in Andalusien lebenden Roma, anfreundete. Später zog er nach Segovia und widmete der kastilischen Landschaft und der dörflichen Bevölkerung zahlreiche seiner Werke. Auch seine Familie tauchte in seinen Gemälden auf, so standen ihm seine Cousinen und sein Onkel immer wieder Modell.

Seine „typisch spanischen“ Motive verhalfen Ignacio Zuloaga schnell zu internationalem Erfolg. Bereits 1899 kaufte der französische Staat das Gemälde „Mein Onkel und meine beiden Cousinen“ für die Sammlung des Musée du Luxembourg, nachdem Zuloaga es im Salon de la Société Nationale des Beaux-Arts ausgestellt hatte. 1900 zeigte der Künstler auch erstmals seine Gemälde in Deutschland, im Berliner Kunstsalon Schulte. Bereits ein Jahr später präsentierte Zuloaga sieben Werke in der Internationalen Kunstausstellung Dresden, bei der er mit der Großen Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. 1903 erhielt er zudem die Goldmedaille der Biennale von Venedig.

Auf Empfehlung von Auguste Rodin, der selbst Zuloagas Arbeiten für seine Privatsammlung erwarb, beteiligte sich der Künstler 1904 auch an der Internationalen Kunstausstellung in Düsseldorf. Im Jahr 1905 widmete sich die Münchner Zeitschrift Jugend in einer Ausgabe dem Werk des Malers und neben zahlreichen internationalen Ausstellungen wurden Werke von Zuloaga 1912/13 auch in der Münchener Secession gezeigt.


Zuloaga und das Geschenk an Hitler

Wenn Ignacio Zuloaga also bereits zu Lebzeiten in Deutschland präsent war und als Künstler große Wertschätzung erfuhr, wie kommt es, dass der Maler heute in deutschen Museen fast nicht vertreten ist? Eine mögliche Erklärung liefert die Ausstellung „Mythos Spanien“: Hier wird erwähnt, dass Zuloagas Gemälde nicht nur von Auguste Rodin, Rainer Maria Rilke, August Macke, Paul Klee oder Paula Modersohn-Becker bewundert wurden, sondern aufgrund ihrer traditionalistischen Motive auch bei Faschisten großen Anklang fanden.

So wurde Zuloaga nicht nur 1938 der Gran Premio Mussolini der Biennale von Venedig verliehen. Ein Jahr später schenkte Francisco Franco auch drei Gemälde Zuloagas an Adolf Hitler – vermutlich zum Dank für die Unterstützung durch die deutsche Legion Condor, die im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der putschenden Nationalisten gegen die spanische Republik kämpfte. Während des Franco-Regimes war Zuloaga zudem immer wieder für den spanischen Diktator tätig. In den letzten Jahren vor seinem Tod 1945 porträtierte der Maler nicht nur Franco selbst, sondern auch dessen Familie und weitere hohe Funktionäre des faschistischen spanischen Staatsapparates.

Heute sind Zuloagas Gemälde in Deutschland nur noch in den Sammlungen des Arp Museum Bahnhof Rolandseck in der Sammlung Rau und in der Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin in der Nationalgalerie zu finden.


Pariser Prostituierte und Spanische Schriftsteller

Außerhalb Deutschlands genießt Zuloagas Werk bis heute einen hohen Stellenwert, das zeigen die rund 80 Leihgaben in der Ausstellung „Mythos Spanien“, die aus der ganzen Welt stammen – neben Italien, Schweden und Mexiko auch aus Argentinien und den USA sowie natürlich aus Spanien. Anhand der meist lebensgroßen Gemälde folgt die Ausstellung Zuloagas Schaffen chronologisch, beginnend mit seinen Anfängen als Künstler in Paris und seiner Auseinandersetzung mit den großen spanischen Meistern, insbesondere Velázquez, El Greco und Goya.

Es folgen Darstellungen rund um den Stierkampf und den Flamenco, die während Zuloagas Zeit in Sevilla entstanden. Aus seiner bedeutendsten Schaffensperiode, die mit seinem Umzug nach Segovia im Jahr 1898 begann, sind Gemälde der kargen Landschaft von Kastilien sowie ihrer Bewohner zu sehen. Die Ausstellung beleuchtet zudem die Verbindungen von Ignacio Zuloaga zu prominenten Persönlichkeiten der Musik-, Tanz- und Theaterwelt und zeigt auch diverse religiöse Szenen, die den Zugang zum Katholizismus in Spanien reflektieren.

Die beiden letzten Abschnitte der Ausstellung beschäftigen sich mit Auftragsporträts, privaten Darstellungen von Freunden und Kollegen sowie dem Verhältnis von Porträt und Landschaft, die Zuloaga umsetzte wie kaum ein anderer Künstler.


Die Publikation „Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga“, herausgegeben von Roger Diederen, Nerina Sartorius und Carlos Alonso Pérez-Fajardo, ist 2023 im Deutschen Kunstverlag erschienen (ISBN: 978-3-422-80094-6). Der Band ist die erste umfassende monografische Publikation zu Zuloaga in deutscher Sprache und enthält, neben zahlreichen Werk-Abbildungen, einer Biographie und einer Liste ausgewählter Literatur, auch Texte u.a. von Birgit Thiemann, Mikel Lertxundi Galiana, Katrin Dyballa, Charlotte Ewers, Johanna Schumm, Helena Pereña, Ralf Junkerjürgen sowie von den Herausgebern.


Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga 1870-1945

Bucerius Kunst Forum, Hamburg
17.02.-25.05.2024

In München war die Ausstellung vom 15.09.2023 bis 04.02.2024 zu sehen.


Header-Bild: Angelika Schoder – Ignacio Zuloaga: Das Opfer der Fiesta (1910) – Museo de Bellas Artes de Bilbao – „Mythos Spanien“ im Bucerius Kunst Forum, 2024


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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