Secessionen: München, Wien und Berlin als Kunstmetropolen um 1900

Die Ausstellung „Secessionen“ vergleicht erstmals München, Wien und Berlin als Metropolen des künstlerischen Aufbruchs um 1900 mit Gustav Klimt, Franz von Stuck und Max Liebermann als zentralen Akteuren.

Die Ausstellung Secessionen vergleicht erstmals München, Wien und Berlin als Metropolen des künstlerischen Aufbruchs um 1900.

[Rezension] Ab dem Ende des 19. Jhd. begann in der europäischen Kunst der Aufbruch in die Moderne. Eine zentrale Rolle kam hier den Secessions-Ausstellungen zu, auf denen Kunstschaffende des Symbolismus, des Jugendstil und des Impressionismus ihre Werke zeigten. Erstmals nimmt nun die Ausstellung „Secessionen“, die zunächst in der Alten Nationalgalerie in Berlin und 2024 im Wien Museum gezeigt wird, drei Orte wichtiger Künstlervereinigungen vergleichend in den Blick: die österreichische Hauptstadt Wien und die beiden deutschen Kunstmetropolen Berlin und München. Anhand von etwa 200 Gemälden, Skulpturen und Grafiken von insgesamt rund 80 Kunstschaffenden werden in der Ausstellung sowie im parallel dazu erschienenen Begleitband die künstlerischen Entwicklungen, die zentralen Akteure und die gemeinsamen Motive der Secessionen betrachtet. Im Mittelpunkt stehen dabei die drei wohl bekanntesten künstlerischen Vertreter: Gustav Klimt, Franz von Stuck und Max Liebermann.


Gustav Klimt: Bildnis Emilie Flöge
Gustav Klimt: Bildnis Emilie Flöge (1902), Wien Museum (Inv.-Nr. 45677), CC BY 4.0, Foto: TimTom – beschnitten

„Die namensgebende Ablösung [= Secession] vom alten Kunstsystem der akademischen Ausstellungen und von den traditionellen Künstlergenossenschaften wurde zum Kennzeichen eines neuen Ausstellens.“ [1]


Aufbruch in die Moderne

Als Gegenentwurf zu etablierten Künstlervereinen und zum breit angelegten Ausbildungs- und Ausstellungsprogramm von Kunstakademien, gründeten junge Kunstschaffende 1892 in München, 1897 in Wien und 1899 in Berlin sogenannte Secessionen, um neue Ausstellungsformate zu erproben. Diese waren geprägt von einem strikten Fokus, sollten aber zugleich auch die Vielfalt von Kunststilen, die Internationalisierung und die künstlerische Freiheit fördern. Die Ausstellung „Secessionen“ ermöglicht nun eine Gegenüberstellung dieser drei Vereinigungen, indem gemeinsame Ziele betrachtet werden, die über jeweils regionale Eigenheiten hinaus gehen. Durch das Aufzeigen persönlicher Vernetzungen zwischen den Kunstschaffenden wird zudem die künstlerische Bedeutung der Secessionen deutlich, die den zentralen Kunstströmungen wie Impressionismus oder Symbolismus zu einer Verbreitung im deutschsprachigen Raum verhalf. [2]

Um dies zu befördern, hatten die Secessionen es sich zum Ziel gesetzt, progressive Kunst aus dem Ausland vorzustellen und nationale Kunstschaffende auch international zu vernetzen. Schnell wurden die Ausstellung damit zum Ort, an dem die neueste avantgardistische Kunst anzutreffen war und es ums Sehen und Gesehen-werden ging; ein kulturelles Ereignis, das man sich in Kunst- und Künstlerkreisen nicht entgehen lassen durfte. Die Aura des Elitären, die diese Ausstellungen aufgrund von strengen Auswahlverfahren umgab, trug dabei eher noch zu ihrer Anziehungskraft bei. In gewisser Weise waren die Secessions-Ausstellungen damit übrigens auch Vorläufer heutiger Kunstbiennalen. [3]


Akseli Gallén-Kallela: Frühjahr
Akseli Gallén-Kallela: Frühjahr (um 1900), Belvedere Museum – beschnitten

Mehr als Stuck, Klimt und Liebermann

Die Ausstellung und auch die begleitende Publikation, die im Hirmer Verlag erschienen ist, räumt mit einigen Vorurteilen auf, etwa dass die Wiener Secession die einzige ihrer Art war. Tatsächlich gab es in Europa weitere vergleichbare Initiativen; „Secessionen“ betrachtet nun die drei wichtigsten im deutschsprachigen Raum. Ein weiteres Vorurteil ist, dass einzelne Vereinigungen bestimmten Kunststilen zugeordnet werden können, mit je einem prominenten Vertreter: Die Wiener Secession wird oft als deckungsgleich mit dem Jugendstil und Gustav Klimt gesehen; die Münchner Secession wird meist mit dem Symbolismus und Franz von Stuck in Verbindung gebracht und die Berliner Secession wird mit dem deutschen Impressionismus und allen voran mit Max Liebermann assoziiert.

Mit diesem Vorurteil spielt auch die Ausstellung „Secessionen“, die den Untertitel „Klimt, Stuck, Liebermann“ trägt. Tatsächlich gehen die jeweiligen Secessionen aber weit darüber hinaus; sie waren weniger lokal und vielmehr international orientiert und stellten auch diverse andere Künstler wie Edvard Munch, Jan Toorop, Ferdinand Hodler oder Auguste Rodin aus. Entsprechend ermöglicht die Ausstellung auch einen Blick auf diese Vielfalt der beteiligten Kunstschaffenden, die neben berühmten Namen auch weniger bekannte Meisterwerke aus der Zeit um 1900 zeigt. Hierzu zählen übrigens auch einige Werke von Künstlerinnen, etwa von Teresa Feodorowna Ries, Emilie von Hallavanya oder Elena Luksch-Makowsky.


Ferdinand Schmutzer: Reigen/Tanz
Ferdinand Schmutzer: Reigen/Tanz (um 1895), Wien Museum (Inv.-Nr. 25006), CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz – beschnitten

Secessionen im Vergleich

Auch wenn die Ausstellung versucht, den Blick über die zentralen Vertreter der drei Secessionen hinaus zu lenken, stehen zunächst aber doch Stuck, Klimt und Liebermann im Zentrum der Betrachtung. Immerhin wurden die Secessionen in München, Wien und Berlin von den drei Künstlerpersönlichkeiten stark geprägt, allen voran vom Münchner Gründungsmitglied Franz von Stuck. Als Schutzheilige der Secession wählte er die Figur der Pallas Athene aus, die Göttin der Weisheit, der Kunst und des Kampfes. Sie sollte als Symbolgestalt der Secession eine Vorkämpferin der künstlerischen Avantgarde verkörpern. Seine Darstellungen von ihr auf Plakaten und in Publikationen dienten später weiteren Kunstschaffenden als Vorbild für eigene Werke, auch Gustav Klimt.

Klimt prägte mit seinem ornamentalen Stil wiederum die Wiener Secession maßgeblich und übernahm Athene in seinem Plakat für die erste Secessions-Schau in Wien 1898. Die Ausstellung „Secessionen“ zeigt hier nicht nur Klimts bekannteste Porträts, allegorische Werke und Landschaften, sondern auch Skizzen, Studien und Detailzeichnungen, die Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers geben, etwa zur Planung des Beethoven-Fries, den Klimt 1902 für die 14. Ausstellung der Wiener Secession direkt auf die Wand malte.

Neben einem Schwerpunkt auf den Werken von Stuck und Klimt setzt die Ausstellung den dritten Fokus auf die Arbeiten von Max Liebermann als treibendem Akteur der Berliner Secession. Diese hatte übrigens nicht eine martialisch-kämpferisch auftretende Pallas Athene als Leitmotiv sondern nutzte auf Ausstellungskatalogen und auf Gebrauchsgrafiken als Signet ein eher verspieltes Motiv. Es geht auf ein Plakat von Thomas Theodor Heine von 1901 zurück und zeigt einen Berliner Bären, der das konservative Publikum der Stadt symbolisieren soll. Geküsst wird er von einer Frau, die zugleich Muse ist, aber auch Künstlerin, wie eine Farbpalette und Pinsel in ihrer Hand verraten. Die Berliner Secession war übrigens die erste große Künstlervereinigung, bei der auch weibliche Mitglieder von Anfang an mit dazugehörten, etwa die Malerinnen Dora Hitz, Sabine Lepsius und Clara Siewert oder die Grafikerin Käthe Kollwitz.


Otto Wagner: Akademie der bildenden Künste, Ehrenhalle
Otto Wagner: Akademie der bildenden Künste, Ehrenhalle (1898), Wien Museum (Inv.-Nr. 96287), CC0 – beschnitten

Vielfältige Stile, zentrale Motive

Von Ferdinand Andri bis Andres Zorn: „Secessionen“ bietet einen umfangreichen Überblick über die diversen Kunstschaffenden, die in Verbindung mit den drei Künstlervereinigungen in München, Berlin und Wien standen. Die Secessionen umfassten jeweils etwa 100 ordentliche und noch einmal so viele korrespondierende Mitglieder, hinzu kamen zahlreiche weitere ausstellende Kunstschaffende, die keine Mitglieder waren. Für einige damals noch aufstrebende Künstler wie Lovis Corinth, Max Slevogt oder Edvard Munch dienten die progressiven Secessions-Ausstellungen als Karrieresprungbrett im deutschsprachigen Raum. Die aktuelle Ausstellung sowie die begleitende Publikation werfen darüber hinaus aber auch einen Blick auf diejenigen, die heute eher nicht zu den bekannten Namen der Kunstwelt zählen – unter ihnen auch einige Künstlerinnen.

Anhand von zahlreichen Porträts und Selbstbildnissen der Kunstakteure wird die große Vielfalt der Künstlervereinigungen gezeigt. Sie sind nicht nur von einer deutlichen Betonung von Individualität gekennzeichnet, sondern spiegeln auch das weite Spektrum an künstlerischen und stilistischen Ausdrucksformen innerhalb der Secessionen wider. Schließlich wird auch die Vielfalt von Motiven in den verschiedenen Künstlervereinigungen in der Ausstellung betrachtet: In Themenschwerpunkten werden allegorische Frühlingsbilder, Kinder- und Familiendarstellungen, Blicken ins private Heim, Natur- und Landschaftsdarstellungen, Impressionen von gesellschaftlichen Ereignissen und Darstellungen vom Arbeits- und Alltagsleben in Zeiten der Industrialisierung gezeigt. So ergibt sich das Bild einer vielfältigen Kunstbewegung, die letztendlich auch über die Ländergrenzen viel miteinander verband.


Anlässlich der Ausstellung „Secessionen: Klimt, Stuck, Liebermann“ erschien die gleichnamige Publikation, herausgegeben von Ralph Gleis und Ursula Storch für die Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin und das Wien Museum, 2023 im Hirmer Verlag (ISBN: 978-3-7774-4163-4). Der Ausstellungskatalog mit zahlreichen farbigen Werkabbildungen beinhaltet auch eine Liste ausgewählter Literatur sowie Essays von u.a. Ralph Gleis und Ursula Storch, Karin Althaus und Anke Matelowski.


Secessionen: Klimt, Stuck, Liebermann

23.06.-05.11.2023
Alte Nationalgalerie Berlin

Die Ausstellung wird vom 22. Mai bis 13. Oktober 2024 im Wien Museum gezeigt.

musermeku dankt dem Hirmer Verlag für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.


Header-Bild: Max Kurzweil: Dame in Gelb (1899), Wien Museum (Inv.-Nr. 117376), CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz – beschnitten


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Ralph Gleis: Vorwort, In: Secessionen: Klimt, Stuck, Liebermann, Hg.v. Ralph Gleis und Ursula Storch, Hirmer Verlag 2023, S. 15.

[2] Siehe dazu: Gabriele Quandt: Grußwort, In: Ebd., S. 11.

[3] Siehe dazu: Ralph Gleis: Vorwort, In: Ebd., S. 15.


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