[Rezension] Sie bewegen sich „zwischen Zonen“, zwischen politischer Intervention und ästhetischer Politisierung. Sie arbeiten im Spannungsfeld zwischen individuellen Biografien und zugeschriebenem Rollenbild, zwischen Heimatverbundenheit und Exil, zwischen künstlerischer Sprache und vielschichtigen Botschaften. Das Marta Herford zeigt in seiner Ausstellung „Zwischen Zonen. Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum“ Werke von neun Künstlerinnen des Nahen und Mittleren Ostens. Im begleitenden Ausstellungskatalog gibt das Museum zudem einen Einblick in ihre Arbeiten und Biografien.
Künstlerinnen zwischen Zonen
Die neun Künstlerinnen, die das Marta Herford in seiner Ausstellung „Zwischen Zonen“ mit ihren Werken zu Wort kommen lässt, unterscheiden sich in ihren künstlerischen Ansätzen und Herangehensweisen voneinander. Was sie verbindet, ist ihre Herkunft: Sie alle stammen aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens – aus Algerien, dem Iran, Kuwait, Libanon, Libyen und Tunesien. Zudem gehören die Künstlerinnen einer Generation an – sie alle sind zwischen 1972 und 1985 geboren. In Fotografien, Videos, Installationen und Objektarbeiten setzen sie sich mit persönlichen, aber auch mit allgemein gesellschaftlich relevanten Themen und Fragestellungen auseinander.
Pluralität künstlerischer Konzepte
Der Katalog, der begleitend zur Ausstellung erscheint, gibt einen Einblick in die Biografien der Künstlerinnen und stellt in kurzen Texten ihre Arbeiten vor. Zu den Künstlerinnen zählt die gebürtige Libyerin Arwa Abouon, die bereits als Kleinkind mit ihrer Familie ihre Heimat verließ. Familienbilder waren für Abouon die einzige Verbindung zu ihrem Geburtsland. Seit ihrer Kindheit verbindet sie daher das Medium der Fotografie mit einem „materiellen Archiv der Erinnerung“. [1] Mit ihren Familienfotografien lotet sie zwischenmenschliche Beziehungen aus, etwa ihr eigenes Verhältnis zu ihrer Mutter in der Arbeit „Mother Daughter“. Die Themen Kunst bzw. Moderne und Religion bilden hier keinen Kontrast, sondern verbinden sich in diesem und anderen Werken von Abouon.
Während es bei Abouon um das Zwischenmenschliche geht, steht ein menschenleerer Ort im Zentrum des Werkes von Amina Menia im Marta Herford. „Lost Qibla“ zeigt die Stadt Algier. Die kargen Fotografien der Künstlerin verweisen auf das vom Krieg geprägte Leben der Menschen, von der Zeit der Kolonialisierung bis hin zum islamistischen Terror in Algerien. Urbane Spuren werden bei Menia zu „Narben“ in der Landschaft. [2]
Neben zahlreichen Fotografien, z.B. auch von der gebürtigen Iranerin Sama Alshaibi [3], zeigt das Marta Herford in seiner Ausstellung „Zwischen Zonen“ auch Patchwork-Arbeiten von der Libanesin Mounira Al Solh [4] sowie Videos von der Iranerin Morehshin Allahyari [5] und von der Tunesierin Moufida Fedhila [6]. Daneben sind Installationen von der in Kuwait geborenen Saba Innab [7] zu sehen, ebenso wie Drucke von der der Libanesin Lamia Joreige [8] und von der Kuwaiterin Ala Younis [9]. Die Werke der Künstlerinnen sind auch im Begleitkatalog zur Ausstellung abgebildet.
Der Begleitband zur Ausstellung „Zwischen Zonen. Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum“, herausgegeben vom Marta Herford, ist 2017 im Verlag Kettler erschienen (ISBN: 978-3-86206-644-5). Der Band ist zweisprachig (Deutsch und Englisch) und enthält Texte über die Arbeiten der in der Ausstellung präsenten neun Künstlerinnen. Neben zahlreichen Werk-Abbildungen und einer Werkliste sind zudem die Biografien der Künstlerinnen sowie Autorenbiografien im Katalog enthalten.
musermeku dankt dem Marta Herford für die kostenfreie Überlassung des Ausstellungskatalogs als Rezensions-Exemplar.
Katalog-Bild: Angelika Schoder – Marta Herford, 2018
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Valerie Behiery: Arwa Abouon – Die Poesie und Politik des (multiplen) Werdens, In: Zwischen Zonen. Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum, Hg. v. Marta Herford, Verlag Kettler 2017, S. 24-39, hier S. 26
[2] Sarah Zürcher: Amina Menia – Die enthüllte Erinnerung, In: Ebd., S. 136-151, hier S. 138
[3] Maymanah Farhat: Sama Alshaibi – Wüstenleben (und Sterben) in Silsila, In: Ebd., S. 72-89
[4] Ana Siler: Mounira Al Solh – Ein Krieg, ein Wort, ein Lied, In: Ebd., S. 40-55
[5] Gretta Louw: Morehshin Allahyari – Die Macht, zwischen Machtpositionen zu sein, In: Ebd., S. 56-71
[6] Paul Ardenne: Moufida Fedhila – Ohne Illusionen, aber nicht ohne Hoffnung, In: Ebd., S. 90-103
[7] Roger Outa: Saba Innab – Über das Bewohnen eines Schwebezustands, In: Ebd., S. 104-117
[8] Marie-Laure Allain Bonilla: Lamia Joreige – Gedächtnisstützen, In: Ebd., S. 118-135
[9] Ala Younis: Enactment, In: Ebd., S. 152-169
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