Social-Media-Management im Museum: Tipps für den Krisenfall

Social-Media-Management kann im Museumsbereich eine Herausforderung sein, insbesondere wenn es um polarisierende Themen und ausufernde Diskussionen geht. Wir geben Tipps für den Krisenfall.

Social-Media-Management kann im Museumsbereich eine Herausforderung sein. Wir geben Tipps für den Krisenfall.

[Leitfaden] In Sozialen Medien läuft nicht immer alles harmonisch – auch nicht, wenn es um Kunst und Kultur geht. Gerade wenn kontroverse Inhalte eine Rolle spielen oder Krisenkommunikation notwendig wird, können auch im Kulturbereich die Online-Debatten schnell eskalieren. Vor diesem Hintergrund müssen Museen und andere Kultureinrichtungen Strategien bereit halten, um im Social-Media-Management den Überblick zu behalten.


Die Methoden der Trolls und Hater

Oft wird vermutet, dass Social-Media-Management im Kulturbereich relativ einfach und unkompliziert zu erledigen ist. Meist sind die Online-Nutzer den Museen und Kultureinrichtungen wohlgesonnen, geben positives Feedback zu Besuchen vor Ort, freuen sich über die Social-Media-Inhalte oder stellen interessierte Fragen. Doch nicht immer ist die Betreuung der Online-Kanäle so einfach. Gerade bei umstrittenen Themen kann es zu Diskussionen kommen, Kritik wird nicht immer sachlich vorgebracht und auch in kommunikativen Krisenfällen kann erheblicher Moderationsaufwand in den Social-Media-Kanälen entstehen. Auch bei Museen, Theatern, Bibliotheken & Co. gibt es Hater, Trolle und „besorgte Bürger“, die ihrem Ärger Luft machen oder ihre „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Positionen präsentieren wollen.

Von verabredeten Angriffen, bei denen sich Nutzer gegenseitig mit ihren Kommentaren pushen, bis hin zu spontanen Einwürfen einzelner Personen: Nicht immer folgen negative Kommentare und entgleisende Diskussionen in Social Media bewusst einer Methode. Doch ob bewusst oder unbewusst, es lassen sich bestimmte Mechanismen erkennen. Wer im Social-Media-Management mit diesen vertraut ist, kann sie schneller erkennen und entsprechend reagieren.


Sealioning

Das Prinzip hinter Sealioning ist es, in einer Diskussion konstant weiter nachzufragen und immer mehr Beweise und Quellen einzufordern, unabhängig davon, ob Nachfragen zu genau diesem Thema bereits beantwortet wurden oder wie viele Belege bereits vorgebracht wurden. Hierbei wird Unwissenheit und ehrliches Interesse an einem Thema nur vorgetäuscht. Sealioning erscheint auf den ersten Blick als eine Einladung zur Debatte bzw. als Bereitschaft zur Diskussion. In Wirklichkeit wird sich die nachfragende Person aber nie überzeugen lassen, sie wird sich mit keiner Antwort zufrieden geben und keine Quelle als ausreichend ansehen.

Der Begriff Sealioning stammt aus einem Comic von David Malki von 2014. Zu sehen ist hier ein Seelöwe (engl. sea lion, daher der Name Sealioning), der eine Frau verfolgt, die geäußert hat, dass sie Seelöwen nicht mag. Der Seelöwe fordert: „Ich würde gerne eine zivilisierte Konversation über Ihre Aussage führen. Würden Sie mir bitte Beweise zeigen über irgend etwas Negatives, das Ihnen je ein Seelöwe getan hat?“ Der Seelöwe lässt mit seinen Nachfragen nicht von der Frau ab, obwohl sie ihn mehrfach bittet, sie in Ruhe zu lassen. Er folgt ihr durch die Stadt, ins Restaurant und schließlich bis nach Hause, unablässig nachfragend. Am Ende des Comics kündigt der Seelöwe an, später wiederzukommen und dann weiter zu fragen.

Jemand der Sealioning betreibt, versucht durch vermeintlich höfliches Nachfragen und unter Ignoranz aller bisher vorgebrachten Inhalte den Diskussionspartner aus der Reserve zu locken. Sobald das Social-Media-Management sich provozieren lässt, kann der „Seelöwe“ sich selbst als das Opfer darstellen, das doch nur vernünftig diskutieren wollte, während die andere Seite ja offensichtlich die unvernünftige ist, die nicht sachlich diskutieren kann.


Argumentum Verbosum

Der „Beweis durch Einschüchterung“ kommt ursprünglich aus dem Bereich der Mathematik. Hierbei versucht man, dass der Diskussionspartner ein Argument einfach hinnimmt, indem man es als trivial darstellt oder indem man mit Fachbegriffen die eigene Aussage verschleiert. Das Gegenüber soll durch dieses Vorgehen eingeschüchtert werden, damit es eine Aussage ohne Beweis akzeptiert. Häufig genutzte Formulierungen sind in diesem Zusammenhang: „Es ist ja offensichtlich dass, …“ oder „Dass xy eine Tatsache ist, darüber müssen wir nicht diskutieren.“

In diesen Bereich fällt auch der sogenannte Gish Gallop, eine rhetorische Technik, bei der das Gegenüber überrumpelt werden soll, indem ein Schwall an Argumenten vorgebracht wird, ohne dass diese sinnvoll oder korrekt sein müssen. Der Begriff des Gish Gallop wurde 1994 von der Anthropologin Eugenie Scott geprägt, die ihn nach dem amerikanischen Kreationisten Duane Gish benannte. Er wendete diese Methode häufig an, um gegen die Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie zu argumentieren. Hier geht es darum, die Quantität von Argumenten über deren tatsächliche Qualität zu stellen. Von Halbwahrheiten, falschen Darstellungen bis hin zu Lügen kann hier alles Mögliche vorgebracht werden. Auch diese Methode dient der Einschüchterung des Diskussionspartners.


Whataboutism

Hier wird eine kritische Frage oder ein Argument nicht beantwortet oder diskutiert, sondern es wird mit einer kritischen Gegenfrage gekontert, die das ursprüngliche Argument vermeintlich als weniger relevant erscheinen lässt. Die Intention hinter Whataboutism ist es, vom eigentlichen Inhalt eines Themas abzulenken oder ein Argument zu diskreditieren. Ein Beispiel wäre, wenn Thema X angesprochen wird, dass dann als Kommentar „Und was ist mit Y?“ entgegnet wird. Die Gegenfrage zu Y dient hier oft nur als Scheinargument, um von Thema X abzulenken. Fast jeder im Social-Media-Management wird dieses Vorgehen kennen.

Um Ablenkung geht es übrigens auch in der sogenannten Chewbacca-Verteidigung. Der Begriff geht auf eine Folge der amerikanischen Zeichentrick-Serie South Park aus dem Jahr 1998 zurück. In einem Gerichtsprozess nutzt der Verteidiger hier einen Verweis auf den Star Wars Film „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und fragt, warum ein Wookie wie Chewbacca auf Endor wohnen wollen würde, zusammen mit den viel kleineren Ewoks. Weil das keinem Sinn machen würde, müsste sein Mandant freigesprochen werden. (In der Folge ging es um eine satirische Aufarbeitung des Mord-Prozesses von O.J. Simpson.) Auf Social Media übertragen, kann gemäß der Chewbacca-Verteidigung in einer Diskussion ein sinnloses Argument vorgebracht werden, um das Gegenüber völlig zu verwirren und vom eigentlichen Thema abzulenken.


Brandolinis Gesetz

Das auch als „Bullshit-Asymmetrie“ bekannte Prinzip besagt, dass es immer deutlich mehr Zeit braucht ein falsches Argument zu widerlegen, als es braucht, sich falsche Argumente auszudenken. Nach Brandolinis Gesetz, ein Begriff der auf einen Tweet des italienischen Programmierers Alberto Brandolini aus dem Jahr 2013 zurückgeht, wird man nie eine Diskussion gegen Falschbehauptungen gewinnen können, wenn man versucht, gegen diese argumentativ anzugehen, weil man nicht auf Augenhöhe bzw. mit gleichen Mitteln debattiert. Der Produzent der Falschaussagen wird einem schnell zeitlich weit voraus sein, man kommt irgendwann nicht mehr mit gegenteiligen Belegen hinterher. Am Ende erscheint es nach außen hin so, dass man mit seinen eigenen Argumenten unterliegen würde, weil der gesamte Fokus in der Debatte nur auf die Widerlegung der Falschaussagen des Anderen ausgerichtet ist.

Selbst wenn es im Laufe der Diskussion gelingt, die Falschaussagen zu entkräften, kann es sein, dass das Gegenüber dies nicht anerkennt. In diesem Fall spricht man von Taubenschach. Der Begriff geht angeblich zurück auf Scott D. Weitzenhoffer, der ein Buch von Eugenie Scott zum Thema Kreationismus mit den Worten kommentierte: „Mit Kreationisten über das Thema Evolution zu debattieren ist ungefähr so, als würde man versuchen, mit einer Taube Schach zu spielen – sie wirft die Figuren um, kackt auf das Brett und fliegt zurück zu ihrem Schwarm, um den Sieg zu beanspruchen.“


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Tipps für das Social-Media-Management

Ob bewusst platzierte Provokation oder unfreiwillige Debatten-Eskalation – für das Social-Media-Management kann die Betreuung von Sozialen Netzwerken zur Höchstbelastung werden. Wenn die Kommentare und Erwähnungen der Institution im Minutentakt das Smartphone zum vibrieren bringen, können diese Orientierungspunkte helfen:

1) Negatives Kommentarverhalten erkennen

Die erwähnten Methoden sind auf das Zermürben des Social-Media-Managers ausgelegt und binden dessen Ressourcen. Wenn man sie frühzeitig erkennt, kann man den Prozess abkürzen. Denn der vermeintliche Dialog wird immer damit enden, dass man nicht länger bereit dazu ist, die Diskussion fortzuführen und sich zurückzieht. Es ist daher Zeit- und Nerven-schonend, sich gar nicht erst auf eine solche nicht-zielführende Diskussion einzulassen und den Verlauf frühzeitig zu unterbinden.

2) Aufmerksamkeit für positive Kommentare

Bei Social-Media-Accounts kommentiert normalerweise nur ein kleiner Teil der Follower – die große Mehrheit liest schweigend mit. Insbesondere im Hinblick auf diese Mitleser, aber auch als Bestätigung positiver Kommentatoren, sollte man im Social-Media-Management zeigen, dass man positive Kommentare wertschätzt. Durch das Liken und Kommentieren dieser Inhalte lenkt man die Aufmerksamkeit anderer Follower auf diese.

Geht man hingegen auf negative Kommentare ein, kommt diesen mehr Aufmerksamkeit zu, als man eigentlich möchte. Aus diesem Grund sollte man auf negative Kommentare nicht zu ausführlich reagieren und sich nicht auf Diskussionen einlassen – siehe Punkt 1.

3) Arbeiten im Schichtbetrieb

Große Shitstorms und kleine eskalierende Diskussionen spielen sich nicht unbedingt während der regulären Bürozeiten ab. Ganz im Gegenteil: Mitunter können Nutzer bewusst abends oder an Wochenenden ihre Kommentare posten und weitere Nutzer aus ihrem Umfeld dazu animieren, sie zu unterstützen. Dahinter steht die Hoffnung, vom Social-Media-Management des Accounts zunächst unbeachtet zu bleiben und die negativen Kommentare möglichst lange sichtbar zu halten. Aus diesem Grund sollte, nach Möglichkeit, eine flexible Betreuung von Social-Media-Accounts durch eine Art Bereitschaftszeit gewährleistet werden.

Idealerweise bleibt diese Aufgabe nicht an einem einzigen Social-Media-Manager hängen. Mitarbeitende sollten an Wochenenden und abends im Wechsel eine Bereitschaftsschicht übernehmen. In dieser Zeit geht es nicht darum, sich aktiv um den Account zu kümmern, sondern nur im Notfall reagieren zu können.

4) Die richtige Wortwahl finden

Frech oder ironisch antworten wie das Social-Media-Management bekannter Firmen? Das kann in bestimmten Branchen witzig wirken, im Kulturbereich ist es oft unangebracht bzw. wird von vielen Community-Mitgliedern als unangemessen wahrgenommen. Wer Internet-Trollen, herablassenden Kommentatoren, Besserwissern oder Wirrköpfen auf dem gleichen Niveau antwortet, hinterlässt bei den übrigen Followern nicht unbedingt einen guten Eindruck.

Knappe Reaktionen mit sachlicher Wortwahl helfen, die Situation zu de-eskalieren. Je emotionaler ein negativer Kommentar, umso sachlicher sollte die Reaktion darauf sein. Keinesfalls sollten problematische Nutzer herabgewürdigt oder bloßgestellt werden.

5) Ruhe bewahren und Strategie besprechen

Eine Bedenkzeit ist auch in der eher schnellen Kommunikation in Social Media manchmal notwendig. Als Social-Media-Manager kann man so Abstand gewinnen und dann mit Bedacht reagieren. Die Bedenkzeit kann man auch nutzen, um sich mit Kollegen oder Vorgesetzten zur weiteren Vorgehensweise zu besprechen. So kann eine Strategie entwickelt werden, wie mit einem bestimmten Nutzer oder mit ähnlichen Beiträgen in Zukunft umgegangen wird.

6) Löschen und blockieren vs. stehen lassen oder verbergen

Bei fast allen Social-Media-Plattformen bietet sich die Möglichkeit, Beiträge oder Kommentare anderer Nutzer auf dem eigenen Profil bzw. unter geposteten Inhalten zu löschen. Von dieser Möglichkeit sollte man jedoch nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen. Mit Kritik oder negativem Feedback professionell umzugehen, gehört dazu. Erst wenn die Beiträge oder Kommentare beleidigend oder rechtswidrig sind, muss gelöscht werden. Konsequenterweise sollten die entsprechenden Nutzer zudem blockiert und ggf. gemeldet werden. Rechtswidrige Inhalte können zudem mit einem Screenshot dokumentiert und zur Anzeige gebracht werden.

Manche Plattformen bieten alternativ auch die Möglichkeit, Kommentare zu verbergen. Sie sind dann nicht mehr öffentlich sichtbar, sondern nur noch einsehbar für den eingeloggten Verfasser und für dessen Kontakte. Das Verbergen ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Kommentar in seiner Tonalität grenzwertig und/ oder auf Eskalation angelegt ist. Durch ein Verbergen kann die Debatte weiter geführt werden, ist aber zumindest öffentlich für andere Nutzer nicht mehr sichtbar.


Fazit zum Umgang mit eskalierenden Kommentaren

Letztendlich ist es das Wichtigste im Social-Media-Management, Erfahrungen im Umgang mit den hier präsenten Zielgruppen zu sammeln und eine gewisse Routine zu entwickeln. Aber Vorsicht: Auch wenn man denkt, man hätte alles schon erlebt, kann man noch immer überrascht werden…


Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburger Kunsthalle, 2024


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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