[Pressereise] Tobias Rehbergers „Wetterfahne“, eine Art flaches blaues Wolkengebilde auf einem gelben Mast, erinnert an einen Wegweiser. An jeder Seite ist ein Pfeil angebracht, ein D, das auf Deutschland verweisen soll, und ein S, das in entgegengesetzter Richtung auf die Schweiz zeigen könnte. Doch die Wetterfahne dreht sich im Wind, je nach dessen Richtung im Uhrzeigersinn oder entgegen. Wo die Schweiz anfängt und Deutschland aufhört, lässt sich so nicht erkennen. Genau um dieses Prinzip geht es beim Rehbergerweg, einem Skulpturen-Projekt, das zwei Länder, aber auch zwei Museen miteinander verbindet: Die Fondation Beyeler auf schweizer Seite und das Vitra Design Museum auf deutscher Seite.
Der Rehbergerweg als grenzüberschreitende Verbindung
Initiiert wurde der Rehbergerweg im Rahmen der IBA Basel 2020. Die Internationale Bauausstellung erstreckt sich über den Zeitraum 2010 bis 2020 und steht unter dem Motto „Gemeinsam über Grenzen wachsen“, ganz im Sinne eines länderübergreifenden Austauschs im Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Schweiz.
Im Zentrum steht dabei nicht nur eine nachhaltige politische und infrastrukturelle Zusammenarbeit, sondern auch die Gestaltung eines gemeinsamen kulturellen Raumes. Eine Verbindung stellt der Rehbergerweg dar, eine Kooperation der schweizer Fondation Beyeler und der Gemeinde Riehen mit der Stadt Weil am Rhein und Vitra bzw. dem Vitra Design Museum auf deutscher Seite.
„24 Stops“ zwischen der Schweiz und Deutschland
Hinter den 24 Wegmarken steht der deutsche Künstler Tobias Rehberger. Bereits im September 2015 wurden nach rund 4 Jahren Planungsarbeit die ersten 12 Wegmarken installiert, bei denen es sich teilweise um einzelne Skulpturen und teilweise um Skulpturengruppen handelt. Im Juni 2016 wurde der Rehbergerweg mit „24 Stops“ offiziell eröffnet. Start- und Stop-Punkte sind zwei Skulpturen, die jeweils als „Glocke“ benannt sind und die sich am Eingang zum Grundstück der Fondation Beyeler (Stop 1) und am Vitra Campus (Stop 24) befinden.
Auf rund 5 km zwischen diesen beiden Kulturinstitutionen befinden sich Skulpturen, die sich in ihrer Funktion in die Natur einfügen, durch ihre auffällige Farbigkeit und die verwendeten Materialien zugleich aber auch deutlich von ihrem Umfeld abheben. So würde man Straßenlaternen (Stop 16 und 17), Mülleimer (Stop 20), einen Unterstand (Stop 21) oder einen Hochsitz (Stop 22) wohl an den meisten Wanderwegen vermuten. Bei Rehberger sind diese alltäglichen Objekte jedoch nicht nur Beiwerk, sondern Sehenswürdigkeit und Wegmarkierung zugleich. Teilweise sind die „Stops“ auf dem Rehbergerweg dabei voll funktionsfähig, wie etwa das „Fernglas“ (Stop 18), teils sind die Objekte aber auch ihrer Funktion komplett enthoben, wie etwa die „Vogelhäuser“ (Stop 23), in deren Öffnungen vermutlich kein Vogel nisten können wird.
Tatsächlich lässt sich ohne die passende Wanderkarte oder die entsprechende App „24 Stops“ oft sogar nicht einmal entschlüsseln, worum es sich bei den Skulpturen handeln könnte, etwa bei den „Bienenhäusern“ (Stop 6 und 7), bei denen sich zunächst rätseln lässt, wozu die kleinen Öffnungen in den Skulpturen gedacht sein könnten. Auch der „Baum“ (Stop 19) gibt sich erst zu erkennen, wenn man ihn in einer Reihe mit seinen Artgenossen betrachtet.
Der Kuckuck steckt im Detail
Zu seiner offiziellen Eröffnung im Juni 2016 wurde der Rehbergerweg mit seinen 24 Stops um einen Stop erweitert – das sogenannte „Cuckoolus Nest“. Hintergrund ist eine Kooperation mit der schweizer Uhrenmarke swatch, dem Partner des Projekts. Hierzu wurde für 10 Tage in einem Zollhaus auf der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz eine Art gelber Plastik-Holzstapel errichtet, um als Verkaufspavillon für eine Uhr zu fungieren, die in Zusammenarbeit mit Rehberger als „Art Special“ entstand.
Der schwarze Zeitmesser mit zwei schnabelig-orangen Zeigern spielt dabei auf verschiedene Aspekte des Weges an. Zum einen ist es das Motiv des Kuckucks, denn auf dem Rehbergerweg sind auch zwei „Kuckucksuhren“ präsent, die zu jeder vollen Stunde entweder ihre Zeiger zu einem Schnabel formen (Stop 9) oder Kuckucksrufe (Stop 8) ertönen lassen. Zum anderen ist die „Cuckoolus“-Uhr eigentlich auch kein „richtiger“ Zeitmesser, da sie weder über Stunden- noch über Minuten-Markierungen verfügt und da ihre Zeiger gleichlang sind. Die Frage, wie spät es gerade ist, wird damit ebenso dem Interpretationsspielraum überlassen, wie die Interpretation einiger Skulpturen auf dem Rehbergerweg.
Von der Konflikt- zur gemeinsamen Kulturregion
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, so Sam Keller bei der Eröffnung des „Cuckoolus Nest“ an der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland. In seiner Ansprache verwies der Direktor der Fondation Beyeler auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges, als die Menschen der Region getrennt wurden, obwohl sie eine gemeinsame Geschichte und Kultur teilen. In den letzten Jahrzehnten fand die Region langsam wieder zusammen und der Rehbergerweg stellt hier ein zusätzliches Element dar, Menschen und Natur noch weiter miteinander zu verbinden. Die Botschaft des Weges, Grenzen abzubauen und zusammenzuwachsen, scheint dabei vor diesem historischen Hintergrund in Europa heute aktueller denn je zu sein.
musermeku dankt Art & Design Museums Basel, der Fondation Beyeler, dem Vitra Design Museum sowie Swatch für die Einladung zum Besuch des Rehbergerwegs und für die Übernahme der Kosten der Reise.
Bilder: Angelika Schoder – Rehbergerweg, Riehen / Weil am Rhein, 2016
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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