Das PANOPTIKUM Hamburg: Das älteste Wachsfigurenkabinett in Deutschland

In Hamburg auf St. Pauli zeigt das PANOPTIKUM als ältestes Wachsfigurenkabinett Deutschlands neben Prominenten, historischen Persönlichkeiten und skurrilen Gestalten auch Medien- und Kulturgeschichte.

Das PANOPTIKUM Hamburg zeigt als ältestes Wachsfigurenkabinett Deutschlands neben skurrilen Gestalten auch Medien- und Kulturgeschichte.

[Ausstellung] Direkt an der Hamburger Reeperbahn, unweit der U-Bahn Station St. Pauli, liegt das PANOPTIKUM – das älteste Wachsfigurenkabinett Deutschlands. Eine solche Institution erscheint vielleicht auf den ersten Blick etwas altmodisch oder sogar ganz aus der Mode gekommen. Doch das stimmt nicht, denn neben Prominenten, historischen Persönlichkeiten und skurrilen Gestalten lässt sich hier auch Medien- und Kulturgeschichte entdecken.


Das PANOPTIKUM liegt direkt am Spielbudenplatz im Herzen von St. Pauli.
Das PANOPTIKUM liegt direkt am Spielbudenplatz im Herzen von St. Pauli.

Das älteste Wachsfigurenkabinett Deutschlands

Mit zunehmender Digitalisierung von Sammlungen und dem Nachdenken über den Einsatz von Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) in Museen – wie kann daneben ein traditionelles Wachsfigurenkabinett bestehen? Dass es geht, zeigt das PANOPTIKUM in Hamburg, das als Familienunternehmen schon seit 1879 existiert, also seit über 140 Jahren. Nicht viele Museen in Deutschland haben eine so lange Tradition vorzuweisen.

Bemerkenswert ist vor allem, dass das PANOPTIKUM bis heute seine Ausstellungsobjekte ganz traditionell präsentiert und sich damit – trotzdem oder vielleicht gerade deshalb – über die Jahre im Ringen um die Aufmerksamkeit der Besucher behaupten konnte. Um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland nämlich ursprünglich einige Wachsfigurenkabinette, doch mit dem Aufkommen des Kinos verschwanden schließlich alle. Das Hamburger PANOPTIKUM ist daher das einzige deutsche Wachsfigurenkabinett aus dieser Zeit, das bis heute noch besteht.


Das Wachsfigurenkabinett zeigt historische Persönlichkeiten aus verschiedenen Epochen, z.B. die Stars des alten Hollywood.
Das Wachsfigurenkabinett zeigt historische Persönlichkeiten aus verschiedenen Epochen, z.B. die Stars des alten Hollywood.

Das Wachsfigurenkabinett als Vorläufer Sozialer Medien

Wie alle Medien haben Wachsfigurenkabinette ein eigenes System, mit dem man sich als Besucher zunächst vertraut machen muss. Denn hier ist eine spannende Kombination aus Informationsebenen am Werk: Die Ausstellung im PANOPTIKUM verdeutlicht, dass Wachsfigurenkabinette ursprünglich als Orte der Kommunikation und des Wissensaustauschs entstanden sind – sozusagen als eine Art Urgroßväter von Social Media. Wie fast alle medialen Phänomene kombinieren sie Unterhaltsames, Politisches, Skurriles und Informatives und geben es weiter. Diese Charakteristika zeigen sich auch heute noch in der Institution in Hamburg. Wie an jedem Ort, an dem Kommunikation stattfindet, wird diese aber vom Wissenstand der Rezipienten bestimmt.

Auch im Wachsfigurenkabinett kann sich nicht jedem alles sofort erschließen. Für das Erkennen einiger Figuren der deutschen oder sogar der hamburgischen Geschichte wird dem einen oder anderen Besucher wahrscheinlich der kulturelle Hintergrund fehlen. Doch dafür gibt es knappe Texttafeln und einen Audioguide. Letztendlich funktioniert das PANOPTIKUM aber sehr intuitiv, ob man nun Altkanzler Helmut Schmidt beim Rauchen trifft oder den Schauspieler Christopher Lee in seiner Rolle als Dracula aus den Hammer Horror-Filmen entdeckt.

Ein Gang durch die Ausstellung verdeutlicht auch, dass sich ein traditionelles Wachsfigurenkabinett als historischer Vorläufer Sozialer Medien sehr gut mit zietgenössischen Social-Media-Netzwerken kombinieren lässt. Denn sogar echte Selfie-Muffel werden wohl nach dem Besuch das eine oder andere Bild für Instagram & Co. auf ihrem Smartphone haben.


Wer Queen Elisabeth II zu lebzeiten nicht treffen konnte, kann im PANOPTIKUM ein Selfie mit ihr nachholen.
Wer Queen Elisabeth II zu lebzeiten nicht treffen konnte, kann im PANOPTIKUM ein Selfie mit ihr nachholen.

Erinnerungskultur im PANOPTIKUM

Im 2. Stock des Museums gibt es einen Bereich, der sich mit dem Nationalsozialismus befasst: Tatsächlich sind hier Hitler, Goebbels und weitere historische Figuren des Faschismus zu sehen, etwa auch Francisco Franco. Im Raum direkt davor sind die beiden Figuren von Hans und Sophie Scholl platziert. Sie verteilen hier die Flugblätter der antifaschistischen Widerstandsgruppe Weiße Rose. Die Geschichte der Geschwister Scholl wird knapp in der Ausstellung erzählt und die Flugblätter werden sogar immer wieder nachgedruckt, weil die Besucher dazu animiert werden, die Blätter mitzunehmen.

Ergänzend erfährt man hier, dass es sich bei den NS-Figuren um Originale aus dem Jahr 1941 handelt. Die NSDAP hatte den Besitzern des Wachsfigurenkabinetts einst verboten, diese auszustellen. Die Figuren kamen ins Lager und überstanden so die Zerstörung des ersten PANOPTIKUM durch Brandbomben während des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1943. Die historischen Originalfiguren werden in diesem Kontext als zeitgeschichtliche Objekte gezeigt.


Im Abschnitt über die NS-Zeit sind die Geschwister Scholl und ihre Flugblätter vertreten.
Im Abschnitt über die NS-Zeit sind die Geschwister Scholl und ihre Flugblätter vertreten.

Die Meta-Ebenen: Kunst und Geschichte

Die ausgestellten Charaktere haben alle etwas zu erzählen, aber das PANOPTIKUM ist auch ein spannender historischer Ort für sich genommen. Die künstlerischen und historischen Seiten des Museums erschließen sich zwar, sobald man Richtung 1. Stock oder in den Keller geht, doch die Nutzung des kostenfreien Audioguide lohnt sich. Man erfährt etwa, wie eine Wachsfigur entsteht. Es handelt sich um einen komplexen Prozess, der noch heute ganz traditionell stattfindet: Das PANOPTIKUM erweitert nämlich kontinuierlich seine Sammlung um neue Figuren, etwa unlängst um eine Figur des britischen Sängers Ed Sheeran.

Es ist interessant zu merken, wie der Blick, den man auf die Figuren wirft, sich verändert, sobald man die Arbeit verstanden hat, die dahinter steckt. Doch auch die Geschichten hinter den jeweiligen Figuren und die Geschichte des Wachsfigurenkabinetts selbst ist interessant. Wer von den Figuren von Thomas Gottschalk oder Helene Fischer nicht besonders beeindruckt ist, sollte nach ein paar Schritten merken, dass im PANOPTIKUM nicht einfach Figuren von Prominenten zu sehen sind, sondern dass hier Medien- und Kulturgeschichte präsentiert wird.


PANOPTIKUM Hamburg

Spielbudenplatz 3
20359 Hamburg

Da das PANOPTIKUM in Hamburg mitten an der Reeperbahn liegt, hat das Wachsfigurenkabinett übrigens Kiez-freundliche Öffnungszeiten, am Samstag sogar bis in die Nacht.


Header-Bild: Angelika Schoder – PANOPTIKUM Hamburg, 2017


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Damian Moran Dauchez

Bei musermeku schreibt Damián Morán Dauchez über Geschichtsthemen, Ausstellungs- und Museumsdesign sowie über Erinnerungskultur.

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