Christian Warlich: Hamburger Ausstellung über den König der Tätowierer

Das Museum für Hamburgische Geschichte widmet der St. Pauli-Legende Christian Warlich, dem König der Tätowierer, eine Sonderausstellung.

Das Museum für Hamburgische Geschichte widmet der St. Pauli-Legende Christian Warlich, dem König der Tätowierer, eine Sonderausstellung.

[Ausstellung] Tätowierungen waren einst die vermeintliche Domäne von Seemännern und Gefängnis-Insassen. Doch vor rund 100 Jahren wandelte sich das Image. Tinte auf der Haut wurde langsam salonfähig und ist nun im 21. Jhd. kaum noch aus der Mainstream-Kultur wegzudenken. Spätestens seit David Beckham gehören auffällige Tattoos im Profi-Fußball einfach dazu. Und Musiker wie Post Malone beweisen, dass selbst ein tätowiertes Gesicht kein Karriere-Killer ist, sondern Star-Qualitäten hat. Vom Teenager bis zur Seniorin – heute verewigen immer mehr Menschen dauerhaft Bilder auf ihrer Haut. Diese Entwicklung wäre nicht denkbar ohne Tattoo-Pioniere wie Christian Warlich. Das Museum für Hamburgische Geschichte widmet der St. Pauli-Legende nun eine Sonderausstellung.


Der König der Tätowierer

Als die Kunst des Tätowierens zu Beginn des 20. Jhd. in der Hafenstadt Hamburg florierte, war Christian Warlich (1891-1964) einer der wichtigsten Vertreter dieser Zunft. Als „König der Tätowierer“ sollte er schließlich sogar internationale Bekanntheit erreichen. Es ist kein Zufall, dass das Museum für Hamburgische Geschichte dieser Persönlichkeit nun eine von Kurator Ole Wittmann aufwändig recherchierte Ausstellung widmet, immerhin befindet sich in der Sammlung des Museums das weltweit größte Warlich-Konvolut. Hierzu gehören vor allem handgemalte Vorlagenzeichnungen in Alben, sog. Flash Books, und Zeichnungen auf Einzelblättern. Warlichs Motive sind legendär und werden auf der ganzen Welt als Referenzen für Tätowierungen im Old-School-Stil genutzt: Schmetterlinge und Rosen, Schwalben und Dolche mit Schlangen, aber auch exotisierende Darstellungen von Japanischen Geishas im Kimono oder federgeschmückte Indianer.

Neben den von Christian Warlich gezeichneten Motiven sind in der Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte auch zahlreiche Fotografien zu sehen, die den Tätowier bei der Arbeit zeigen, etwa in seiner Kneipe auf St. Pauli. Einen detailreichen Einblick bieten zudem Maschinen und Utensilien aus Warlichs Tattoo-Atelier in der Ausstellung. Besonders interessant ist, dass Christian Warlich nicht nur Tätowier-Künstler war, sondern auch ein Talent im Marketing bewies. Er gestaltete etwa Werbe-Postkarten und Annoncen, die aber nicht nur darauf hinwiesen, wie man seine Haut mit Tinte verschönern lassen könnte. Warlich entwickelte auch verschiedene Methoden, um Tätowierungen wieder zu entfernen. Schließlich war es schon früher nicht unüblich, sich den Namen der oder des Liebsten stechen zu lassen. Doch was passiert, wenn die Beziehung in die Brüche geht? Christian Warlich erkannte den Bedarf seiner Kundschaft und experimentierte mit Säure oder Hautentfernung per Skalpell – auch an sich selbst, wie die Ausstellung zeigt.


Die Geschichte des Tätowierens

In der Ausstellung „Tattoo-Legenden“ geht es nicht nur um die Arbeit von Christian Warlich, sondern auch um die Tätowiergeschichte vor seiner Zeit. Das Museum für Hamburgische Geschichte bietet auch einen Einblick in die Tätowierkunst in Deutschland im 19. Jhd. Das Museum konnte hier auf einen Fundus von Fotografien der Hamburger Polizeibehörde mit Bildern von tätowierten Gefängnisinsassen zurückgreifen. Diese Portraits aus der Sammlung des Museums sind nun erstmals in einer Ausstellung zu sehen. Ergänzt werden diese Fotos durch Vorlagenblätter des Hamburger Tätowierers Karl Rodemich. Auch dieses Material aus den 1870er Jahren wird erstmals öffentlich zugänglich gemacht.

Das Museum bietet nicht nur einen Blick auf Christian Warlichs Vorgänger, sondern ordnet seinen Einfluss auch im Kontext seiner Nachfolger des 20. Jhd. ein. So wird auch ein Blick auf die Hamburger Szene geworfen, mit Vertretern wie Karl „Kuddl“ Finke (1866-1935), Willy Spiegel, Martin Ahlers oder Herbert Hoffmann (1919-2010).


Christian Warlich und die „blaue Kunst“

Christian Warlich kam 1891 auf die Welt, war aber kein gebürtiger „Hamburger Jung“. Auch wenn er den größten Teil seines Lebens in Hamburg verbrachte und hier 1964 verstarb, so stammte er eigentlich aus der Nähe von Hannover. Mit 14 zog er nach Dortmund; bereits als Jugendlicher begann er hier von Hand zu tätowieren. Später fuhr er zur See und lernte in den USA erstmals die Arbeit mit einer Tätowiermaschine kennen. Warlich heiratete 1914 in Hamburg und eröffnete 1919 in St. Pauli eine Gaststätte, in der er auch sein „Atelier moderner Tätowierungen“ einrichtete, in der früheren Kieler Straße 44. In dieser Zeit gab es übrigens kaum Berufstätowierer in Hamburg, entsprechend war es für potentielle Kunden schwer jemanden zu finden, der künstlerisches Talent, die technischen Fähigkeiten und ein Bewusstsein für Hygiene mitbrachte. Warlich versuchte sich deshalb von der Konkurrenz abzuheben und warb offensiv mit seinen Qualitäten.

Mit Reklame-Zetteln machte Warlich immer wieder auf sich aufmerksam, etwa mit Warnungen vor Mitbewerbern: „Gebt euren Körper nicht in die Hände von Pfuschern!“ titlten seine Flyer. Was seine Motive anbelangte, orientierte er sich am Geschmack seiner Kunden und setzte auch Trends. Warlich brachte seine Arbeit mit folgenden Worten auf den Punkt: „Alles, was der männliche Körper ausdrücken soll, steche ich ein: Politik, Erotik, Athletik, Aesthetik, Religiös!! in sämtl. Farben nur elektrisch an allen Stellen.“ [1] Wobei, „alle Stellen“ stimmte so wohl nicht. In einer Gerichtsverhandlung gegen den Tätowierer Albert Heinze, genannt „Peiken-Albert“, gab Warlich zu Protokoll: „Ein anständiger Tätowierer tätowiert nicht im Gesicht.“ [2] Der eine oder andere heute erfolgreiche Musiker hätte bei Christian Warlich also damals noch schlechte Chancen gehabt. Aber Tätowier-Trends ändern sich – auch das zeigt die Ausstellung „Tattoo-Legenden“ im Museum für Hamburgische Geschichte.


Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli

Museum für Hamburgische Geschichte
27.11.2019 – 25.05.2020


Fotos: Angelika Schoder – Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg 2020


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Siehe: Matthias Gretzschel: Kunst, die in die Haut geht, In: Hamburg History Live Magazin, Nr. 12 – 2019/2, S. 12-25, hier S. 16

[2] Schlange auf der Stirn, In: DER SPIEGEL 10/1951, S. 8f


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