[Ausstellung] Wie kann in der Kunst ein Konzept von „Raum“ definiert und konstruiert werden? Die Hamburger Kunsthalle stellt in der Ausstellung „Out of Space“ Positionen der Minimal Art und der Konzeptkunst den Arbeiten junger zeitgenössischer Kunstakteure gegenüber, die sich in ihren Werken mit dem physischen Raum auseinandersetzen und dabei auch das Digitale mit einbeziehen. Dies umfasst sogar ein Kunstwerk, das als NFT (Non-Fungible Token) nun in die Sammlung des Museums aufgenommen wurde. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Skulpturen, multisensorische Installationen und digitale Werke, u.a. von Angela Anzi, Jacqueline Hen, Axel Loytved, Robert Morris, Bruce Nauman, Charlotte Posenenske, Manuel Rossner und Monika Sosnowska.
Raum ist mehr als physische Begrenzung
Die Antwort auf die Frage „Was ist Raum?“ erscheint zunächst leicht zu beantworten: Ein Raum wird durch seine Begrenzungen definiert. Aber wie und aus was kann man Raum konstruieren? Und ergeben sich aus unterschiedlichen Ansätzen der Konstruktion auch neue bzw. abweichende Definitionen des Konzepts von „Raum“? Klar wird, dass Raum viel mehr sein muss als eine rein physikalisch begriffene Einheit.
Mit dem Spatial Turn Ende der 1980er Jahre wurden Räume nicht nur in physischer und geographischer Hinsicht verstanden, sondern auch als soziale Konstrukte, die einer gesellschaftlichen Ordnung unterliegen. Besonders die Künstler der US-amerikanischen Minimal Art setzten sich mit diesen Überlegungen auseinander. Ausgangspunkt der von den beiden Volontären Jan Steinke und Ifee Tack kuratierten Ausstellung „Out of Space“ ist vor diesem Hintergrund die performative Arbeit „Untitled“ (1968) des Künstlers Robert Morris, einem der wichtigsten Vertreter des Minimalismus.
Seine in der Hamburger Kunsthalle gezeigte Arbeit besteht aus 16 verschachtelt angeordneten, industriell hergestellten Aluminiumgittern, die im Raum aufgestellt sind. Durch diese kann man sich als Besucher (immer einzeln) wie durch ein Labyrinth bewegen. Sobald sich eine Person in der Skulptur befindet, wird sie so selbst zum Teil des Kunstwerks. Es geht also gar nicht darum, das Werk nur zu betrachten – man muss sich hinein begeben, um den hier dargestellten Raum wirklich erfahren zu können. Der Betrachter wird so zum Akteur und nimmt den von Morris erschaffen Raum aus durchlässigen Gittern als Struktur wahr, die sich zum einen von der Umwelt trennt, sich aber gleichzeitig auch mit ihr verbindet.
Physischer und Virtueller Raum
Die Installation „Untitled“ von Robert Morris ist erstmals in der Hamburger Kunsthalle zu sehen, zusammen mit weiteren Schenkungen und Neuerwerbungen für die Sammlung des Museums. Hinzu kommen einige Arbeiten, die eigens für die Ausstellung „Out of Space“ angefertigt wurden und die verdeutlichen, wie sich unser Leben seit der Ausbreitung des Internets immer mehr in den Virtuellen Raum verlagert hat.
Raum wird zunehmend medial konstruiert und löst sich so von jeder physischen Definition dessen, wie Räume bisher verstanden wurden. So ermöglicht es etwa die Arbeit von Armin Keplinger den Museumsbesuchern, neue virtuelle Perspektiven einzunehmen. Seiner physisch im Ausstellungsraum existierenden Skulptur stellt er einen digitalen Körper gegenüber, der die bildhauerischen Möglichkeiten des virtuellen Raumes erkundet.
In der ortsspezifischen Installation von Manuel Rossner, der aktuell Fellow der Philipp Otto Runge Stiftung ist, kann man zudem den Lichthof der Galerie der Gegenwart über Virtual Reality erfahren. Wer eine der hier platzierten VR-Brillen aufsetzt, kann sich mit seinen Händen durch den digital nachgebildeten Museumsraum bewegen und die Skulptur „How Did We Get Here?“ (2021) betrachten. Die Arbeit erinnert übrigens an Rossners Projekt „Surprisingly This Rather Works“ für die Berliner König Galerie.
Den Raum mit allen Sinnen erfahren
Die Ausstellung „Out of Space“ zeigt die Arbeiten von insgesamt 20 internationalen Kunstakteuren in vier Themenkomplexen: Es geht um den eigenen Körper als Medium der Raumwahrnehmung, um die (multimediale) Erweiterung des Raumes, um Raum als Medium der Architektur oder um den Raum als Sinneserfahrung. So lässt die Performance-Künstlerin Angela Anzi turmartige Tongebilde in den Ausstellungsraum ragen, deren eingebaute Subwoofer nicht wahrnehmbare Sinustöne produzieren. Diese lassen vibrierend Objekt und Klang verschmelzen und den Raum auch körperlich spürbar werden. Die Künstlerin Jacqueline Hen zeigt mit ihrer raumgreifenden Licht- und Soundinstallation „Inflect“ (2018) hingegen, wie Wahrnehmungen in Grenzbereiche geführt werden und wie räumliche Installationen auch Bewusstseinszustände beeinflussen können.
Die Hamburger Kunsthalle greift mit der Ausstellung „Out of Space“ übrigens auch das aktuelle Trend-Thema der NFT (Non-Fungible Token) auf. Der Künstler Manuel Rossner schenkte dem Museum seine Arbeit „How did we get here?“; damit ging erstmals ein NFT in die Sammlung der Kunsthalle über. Auch Ausstellungsbesucher können übrigens Eigentümer eines NFT von Rossner werden: Der Künstler vergibt 15 NFTs, versteckt in seiner digitalen Arbeit, die auch über die App der Hamburger Kunsthalle betrachtet werden kann.
Out of Space
Hamburger Kunsthalle
18.06.-28.11.2021
Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburger Kunsthalle, 2021
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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