[Rezension] Er war einer der ersten deutschen Künstler, der die Einflüsse des französischen Fauvismus aufgriff. Er prägte in Dresden und Berlin die Bildung des „Brücke“-Stils und galt in der NS-Zeit als „entarteter Künstler“. Er ließ sich vom Kubismus inspirieren und griff in seinem Werk das pulsierende Großstadtleben ebenso auf wie die Einsamkeit der Natur. Jetzt zeigt das Bucerius Kunst Forum erstmals eine Einzelschau zu Max Pechstein in Hamburg.
Der Mann mit der Pfeife
Max Pechstein (1881-1955) ist als Pfeifenraucher in bester Gesellschaft. Gustave Courbet nutzte die Pfeife als Erkennungsmerkmal und auch Vincent van Gogh bildete sie immer wieder als Symbol der Ruhe und Konzentration ab. Auch für Max Pechstein hatte die Pfeife eine wichtige Bedeutung, nicht nur als Rauchwerkzeug, sondern auch als Gegenstand der Inspiration. Ohne Pfeife im Mundwinkel traf man den Künstler praktisch nicht an – 23 seiner insgesamt 29 heute bekannten Selbstportraits zeigen ihn als Raucher. [1] Konsequenterweise erwartet den Besucher zu Beginn der Ausstellung „Max Pechstein. Künstler der Moderne“ auch ein Portrait des Expressionisten mit Pfeife.
Wegbereiter der Moderne
Pechstein gilt als wegweisender Vertreter der Moderne. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg widmet dem Künstler jetzt vom 20. Mai bis 3. September 2017 eine Ausstellung, in der die Entwicklung seines Stils anhand biografischer und geografischer Stationen nachvollzogen wird. Die Schau gliedert sich dazu in fünf Schwerpunkte.
Paris 1907/08
Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss des Museums mit Max Pechstein in Paris. Von Anfang Dezember 1907 bis zum Beginn des Frühjahrs 1908 verbrachte der Künstler knapp ein viertel Jahr in der Metropole an der Seine. Hier kam er in Kontakt mit den Arbeiten der Fauves und ließ sich durch zahlreiche Museums- und Galeriebesuche inspirieren.
Die „Brücke“. Dresden und Berlin
Im Jahr 1906 wurde Max Pechstein offizielles Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“, zu der auch Zeitgenossen wie Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff zählten. Da sich Pechstein nicht an Absprachen hielt, nur noch in der Gruppe auszustellen, wurde er 1912 aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Bildsprache, die Max Pechstein in den sechs Jahren mit der „Brücke“ entwickelt hatte, prägte sein weiteres Werk jedoch noch mehrere Jahre. Anklang findet hier etwa der Stil des Neo-Impressionismus oder der Einfluss des Kubismus.
Nidden und Monterosso al Mare
Ab 1909 verbrachte der Künstler immer wieder seine Sommer im kleinen Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung. Hier entstanden in erster Linie Landschaftsgemälde in leuchtenden „kurischen Farben“ mit sehr viel Blau. Nach seiner Hochzeit mit Charlotte Kaprolat stand diese ihm ab 1911 häufig Modell.
Palau
Im zweiten Geschoss des Museums setzt sich die Ausstellung zunächst mit den Werken Pechsteins auseinander, die durch seinen Aufenthalt in der Südsee beeinflusst wurden. Im Sommer 1914 reiste der Künstler zu den mikronesischen Palauinseln, um Abstand von der Zivilisation in Europa zu bekommen. Drei Monate verbrachte Pechstein mit seiner Frau in der ursprünglichen Natur und in Kontakt mit den Inselbewohnern. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Palau jedoch von japanischen Truppen besetzt und das Ehepaar geriet in Kriegsgefangenschaft. [2]
Pechsteins Bilder, die während seines Inselaufenthalts, aber auch danach entstanden, gelten heute teilweise als verschollen. Das Bucerius Kunst Forum zeigt eine kleine Auswahl an Werken, die Pechstein später nach seiner Rückkehr in Deutschland malte, inspiriert von seinen Eindrücken aus dem Sommer 1914.
Leba und Rowe
Ab 1921 entdeckte Max Pechstein den Küstenort Leba im östlichen Hinterpommern für sich. Um sich der politischen Lage zu entziehen, verbrachte er ab 1933 dort und im nahegelegenen Fischerdorf Rowe immer mehr Zeit. Hauptmotive seiner surreal wirkenden, farbintensiven Gemälde waren menschenleere Landschaften, Sonnenuntergänge und die Häuser und Boote in den Häfen.
Die Konzeption der Ausstellung
Bereits vor drei Jahren nahm die Planung der Ausstellung im Bucerius Kunst Forum ihren Anfang, wie Kuratorin Kathrin Baumstark im Interview mit uns berichtet: „Die Direktorin des Brücke-Museums, Magdalena M. Moeller, trat damals mit dieser Idee an uns heran und wir sahen es genauso wie sie, dass es an der Zeit ist, dem Künstler Max Pechstein eine Einzelausstellung in Hamburg zu widmen“, so Baumstark. Das Brücke-Museum in Berlin verfügt über die größte Max Pechstein-Sammlung der Welt, daher konnte das Bucerius Kunst Forum jetzt bei den Leihgaben aus dem Vollem schöpfen.
Die Schwerpunkte der Ausstellung, so Baumstark, richten sich nach den Orten und Umgebungen, die eine zentrale Rolle im künstlerischen Schaffen von Max Pechstein spielten: „Er war immer auf der Suche nach seinem ‚Malerparadies‘. Daher ist die Ausstellung nach Orten gegliedert. Jedem Ort wohnt eine eigene Motiv- und Stilvielfalt inne“, betont die Kuratorin. In der Ausstellung geht es darum, die Entwicklungen in Pechsteins Oeuvre herauszustellen: „Da eine Retrospektive nicht beabsichtigt war, wollten wir uns auf die Jahre seiner künstlerischen Entwicklung konzentrieren, die in seinem Spätwerk schon ausgereift und daher nicht mehr stark verändert war“, so Baumstark.
Aus diesem Grund befasst sich die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum eher mit den Werken aus der ersten Lebenshälfte von Max Pechstein: „Beginnend mit den ersten Werken, noch dem Jugendstil und dem Impressionismus verhaften, über den Expressionismus, den er mit den ‚Brücke‘-Künstlern maßgeblich herausbildete, über die Farbenstürme der 1920er Jahre und den späten Naturrealismus. So können wir, wie der Titel schon sagt, Max Pechstein als Künstler der Moderne verstehen.“
Der Begleitband zur Ausstellung „Max Pechstein. Künstler der Moderne“, herausgegeben von Magdalena M. Moeller, Kathrin Baumstark und Franz Wilhelm Kaiser, ist 2017 im Hirmer Verlag erschienen (ISBN: 978-3-7774-2752-2). Der Band enthält zahlreiche Werk-Abbildungen, ein Verzeichnis der ausgestellten Werke, sowie eine Biografie zu Max Pechstein. Zudem sind Texte u.a. von Peter Kropmanns, Peter Thurmann, Petra Lewey, Rüdiger Joppien, Janina Dahlmanns und Roman Zieglgänsberger enthalten.
Max Pechstein. Künstler der Moderne
Bucerius Kunst Forum, Hamburg
20. Mai 2017 – 3. September 2017
musermeku dankt dem Bucerius Kunst Forum für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.
Bilder: Angelika Schoder – Bucerius Kunst Forum, Hamburg 2017
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Siehe: Roman Zieglgänsberger: „Es war immer dieselbe Pfeife“. Max Pechstein in seinen Selbstbildnissen, In: „Max Pechstein. Künstler der Moderne“, Hg.v. Magdalena M. Moeller, Kathrin Baumstark und Franz Wilhelm Kaiser. Hirmer Verlag 2017, S. 163-175, hier S. 163
[2] Siehe: Rüdiger Joppien: Max Pechstein und die Südsee, In: Ebd., S. 117-133, hier S. 117
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