Der Blaue Reiter: Ein Almanach für den Expressionismus

In einer Ausstellung, die Kunst und Historie vereint, zeigt die Fondation Beyeler die Geschichte des Almanachs „Der Blaue Reiter“.

In einer Ausstellung, die Kunst und Historie vereint, zeigt die Fondation Beyeler die Geschichte des Almanachs "Der Blaue Reiter".

[Pressereise] Die Werke des Expressionismus, die mit dem Namen „Der Blaue Reiter“ in Verbindung gebracht werden, begegnen Kunstfans in zahlreichen Sammlungen internationaler Museen. Wer also die altbekannten Gemälde der Künstler um Wassily Kandinsky und Franz Marc aus einem neuen Blickwinkel heraus präsentieren möchte, sieht sich mit einer ambitionierten Aufgabe konfrontiert. Die Fondation Beyeler stellt sich dieser Aufgabe in ihrer aktuellen Ausstellung, die vom 4. September 2016 bis 22. Januar 2017 gezeigt wird. Im Schwerpunkt geht es hier nicht etwa um das 105. Jubiläum der Münchner Schau mit dem Titel „Die erste Ausstellung der Redaktion Der Blaue Reiter“. Stattdessen befasst sich das Museum mit den Künstlern dahinter – und vor allem mit ihrer gleichnamigen Publikation, also dem 1912 in München publizierten Almanach „Der Blaue Reiter“.


Eine Dokumentation des künstlerischen Epochenumbruchs

Der von Wassily Kandinsky und Franz Marc im Mai 1912 herausgegebene Almanach versammelt Bilder, Texte und Musikschriften verschiedener Epochen, Künstler und Kulturen. Ziel war es, die Notwendigkeit eines Epochenumbruchs der Künste nach der Jahrhundertwende vor Augen zu führen. Zentrales Thema war die Verbildlichung von Ideen, welche über die Darstellung des rein Sichtbaren hinaus geht.

Der Almanach war als klare Abgrenzung gegenüber den beengenden Mechanismen einer Künstlergemeinschaft gemeint. So traten in der Vorbereitungszeit der Publikation Kandinsky, Gabriele Münter und Franz Marc aus der Künstlergruppe „Neue Künstlervereinigung München“ aus, die Kandinsky und Münter 1909 noch selbst mit gegründet hatten. Doch nun ging es im Almanach „Der Blaue Reiter“ eher um die Betonung einer künstlerischen Individualität – sozusagen als „Gründungsmanifest der Moderne“. [1]


Der Almanach als Gesamtkunstwerk

Die Publikation „Der Blaue Reiter“ vereint Kunst, Literatur und Musik, wobei es nicht nur um die Inhalte geht, sondern auch um eine Verdeutlichung ihrer Beziehungen zueinander. Der Herausforderung, dies in einer Ausstellung umzusetzen, stellt sich nun die Fondation Beyeler. Hierfür wurde ergänzend zu den Ausstellungsräumen, in denen die Werke der am Almanach beteiligten Künstler gezeigt werden, eigens ein Raum eingerichtet, der sich nur der Publikation widmet. Dieser Ausstellungsraum hebt sich von der lichtdurchfluteten White Cube Gestaltung des übrigen Museums ab. In einem in Grau gehaltenen Raum werden Bilder, Zeichnungen und Skulpturen gezeigt, die im Almanach enthalten sind. Neben dem Buch im Original ist zudem hier eine digitalisierte Version zugänglich, die über einen Touch-Screen durchblättert werden kann.


Ein Strahl in die Zukunft

In einem Brief vom 19. Juni 1911 beschreibt Kandinsky die Idee eines Almanach gegenüber seinem Freund Franz Marc:

„In dem Buch muß sich das ganze Jahr spiegeln, und eine Kette zur Vergangenheit und ein Strahl in die Zukunft müßen diesem Spiegel das volle Leben geben.“ [2]

Die Fondation Beyeler zeigt in ihrer Ausstellung, wie diese Vorstellung einer Verbindung von historischen und zukünftigen Künsten im Almanach „Der Blaue Reiter“ umgesetzt wurde. Was in der Publikation nur als Abbildung zu sehen ist, zeigt das Museum im Original – Votivbildern werden Holzskulpturen gegenübergestellt, asiatische Kunst trifft auf Werke der europäischen Moderne. Die Fondation Beyeler bietet so die einzigartige Gelegenheit, den Almanach aus einer neuen Perspektive zu erleben und ihn besser zu verstehen.

Und der Name des Almanach? Auch dieses Rätsel wird in der Ausstellung geklärt. So hatte Kandinsky 1930 in einem Rückblick zu „Der Blaue Reiter“ formuliert:

„[…] beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst.“ [3]


Begleitend zur Ausstellung „Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter“ erschien der gleichnamige Katalog im Hatje Cantz Verlag, herausgegeben von Ulf Küster für die Fondation Beyeler (ISBN: 978-3-906053-33-2). Der Katalog enthält, neben einem Verzeichnis der ausgestellten Werke, eine mit Fotografien und Dokumenten bebilderte Zeittafel zum „Blauen Reiter“ sowie Beiträge u.a. von Oskar Bätschmann, Andreas Beyer, Ulf Küster, Marta Ruiz del Árbol und Cathrin Klingsöhr-Leroy.


Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter

Fondation Beyeler
04.09.2016 – 22.01.2017

musermeku dankt der Fondation Beyeler sowie Art & Design Museums Basel für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Header-Bild: Angelika Schoder – Fondation Beyeler, 2016


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Ulf Küster: Der Almanach, In: Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter, Hg.v. Ulf Küster, Fondation Beyeler 2016, S. 24

[2] Ebd., S. 25 – Dazu: Brief vom 19.06.1911, In: Wassily Kandinsky/ Franz Marc: Briefwechsel. Mit Briefen von und an Gabriele Münter und Maria Marc, Hg.v. Klaus Lankheit, München 1983, S. 39-41, hier S. 40f

[3] Zitiert nach: Ebd., S. 26 – Dazu: Wassily Kandinsky: Essays über Kunst und Künstler, Hg.v. Max Billen, Bern 1973, S. 133-138, hier S. 137, Anm. 1


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