[Ausstellung] Durch seine politischen Fotomontagen wurde er zu einem der führenden Vertreter der republikanischen Avantgarde in Spanien: Das Museo Patio Herreriano in Valladolid und das IVAM – Institut Valencià d’Art Modern widmen dem Künstler Josep Renau nun die Ausstellung „Hacer el arte operativo. Diseñar el porvenir“. Im Zentrum stehen seine politischen Arbeiten, die während der Zweiten Republik in Spanien, während seines Exils in Mexiko und während seiner Zeit in der DDR entstanden, wo er bis zu seinem Tod tätig war. Begleitend zu den über 150 Plakaten, Zeitschriften, Dokumenten und Fotomontagen des Künstlers sind in der Ausstellung zudem drei Dokumentarfilme zu sehen, wobei hier der Künstler auch selbst zu Wort kommt. Darüber hinaus werden in der Ausstellung Werke von Wegbegleitern wie John Heartfield, Pere Català Pic, Agustín Centelles und Robert Capa gezeigt.
Politische Arbeiten während der Zweiten Republik in Spanien
Um die Arbeit von Josep Renau historisch einzuordnen, sind in der Ausstellung zunächst zwei Dokumentarfilme zu sehen: Der erste, „Desfile de la victoria“ (1939), zeigt die militärische Inszenierung zur Feier der Niederlage der Republik und zur Ehrung von General Franco in den Straßen von Madrid. Der zweite Film mit dem Titel „La obra del fascismo“ (1936) zeigt die Zerstörung von Madrid durch die Bombardierung der nationalistischen Luftwaffe. Begleitend sind in diesem Ausstellungsabschnitt Fotografien aus dem Spanischen Bürgerkrieg von Agustín Centelles und Robert Capa zu sehen, ebenso wie Bilder von Pere Català Pic, allen voran seine bekannte Fotomontage „Aixa-fem el feixisme“ (Lasst uns den Faschismus vernichten), und Werke des deutschen Künstlers John Heartfield, dessen Fotomontagen für die kommunistisch orientierten Zeitschriften VI und AlZ die Arbeit des jungen Josep Renau besonders beeinflussten.
Schon früh engagierte sich der 1907 in Valencia geborene Künstler in der Kommunistischen Partei Spaniens. Seit seinem Beitritt im Jahr 1931 begleitete Josep Renau die Idee, seine Arbeit in den Dienst der Revolution und des sozialen Wandels zu stellen. In seiner Zeit als Hochschullehrer an der Kunsthochschule in Valencia ab 1932 entwickelte sich sein avantgardistischer Stil, wobei Propagandaplakate und vor allem politische Fotomontagen zu Renaus wichtigsten Ausdrucksformen wurden, stets geprägt von politischen und revolutionären Inhalten. Als zentrales Werk aus dieser Zeit ist in der Ausstellung das Poster „El comisario. Nervio de nuestro ejército popular“ von 1936 zu sehen. Es zählt zu einem der berühmtesten Werke des Künstlers, da es besonders stark die Einflüsse der sowjetischen konstruktivistischen Plakatkunst auf Renau zeigt. Daneben sind weitere Fotomontagen zu sehen, die der Künstler zwischen 1932 und 1936 für die anarchistischen Zeitschriften Orto und Estudios angefertigt hatte, sowie eine Auswahl von Bildern, die er für die von ihm gegründete kommunistische Zeitschrift Nueva Cultura erstellte. In dieser Zeitschrift, deren Herausgeber Renau war, erschien 1937 sein wichtiger Beitrag „Función social del cartel publicitario“ – eine theoretische Abhandlung über die soziale Funktion von Werbeplakaten.
Mit dem Ausbruch des Krieges im Juli 1936 in Spanien wurden Propagandaplakate zu einem allgegenwärtigen Bestandteil der ideologischen Kriegsführung, wobei es Renau ein wichtiges Anliegen war, seine eigenen Plakaten denen der Faschisten entgegenzusetzen. Daher produzierte er in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre diverse politische Plakate für verschiedene linke Parteien in Spanien. Als Generaldirektor der bildenden Künste organisierte er 1937 außerdem den Pavillon der Spanischen Republik auf der Weltausstellung in Paris. Bei Pablo Picasso beauftragte er hierfür das Bild „Guernica“, das heute als eines der wichtigsten Kunstwerke zum Spanischen Bürgerkrieg gilt.
Exil in Mexiko und die Serie The American Way of Life
Nach der Niederlage der Republikaner im April 1939 verlor Josep Renau seine Stelle an der Kunsthochschule in Valencia. Er reiste daraufhin mit seiner Familie nach Frankreich aus und emigrierte im Juni 1939 schließlich nach nach Mexiko City. Hier lud der Künstler David Alfaro Siqueiros, den Renau bereits 1937 in Valencia kennengelernt hatte, ihn direkt dazu ein, an der Gestaltung eines Wandgemäldes für den neuen Sitz des Sindicato Mexicano de Electricistas (SME) mitzuwirken. Die Ausstellung wirft einen Blick auf verschiedene Entwürfe zum Wandbild „Das Porträt der Bourgeoisie“ (1939-1940), das Renau zusammen mit Siqueiros, Antonio Pujol und Luis Arenal malte. Neben dem Wandbild, das als „ein düsteres Porträt des Faschismus als Vernichtungswaffe im Dienste des internationalen Großkapitals“ gedacht war, wie es in der Ausstellung heißt, sind weitere Skizzen und Fotomontagen von Renau für ein Wandbild in der Eingangshalle des SME zu sehen. Das Gemälde „Die totale Elektrifizierung Mexikos wird dem Elend des Volkes ein Ende setzen“ (1940-1941) war als horizontales Panorama nach sowjetischen Vorbildern konzipiert, wurde letztendlich aber nie verwirklicht. Auch der Inhalt des Wandbildes orientierte sich an Werken aus der UDSSR: Im Zentrum standen die ungezügelten Kräfte der Natur, die vom Menschen mit Hilfe von Wissenschaft und Technik beherrscht werden. Die hier erkennbare Bildsprache nutzte Renau für diverse weitere Werke, die er während seiner Zeit in Mexiko schuf.
In erster Linie war Renau in Mexiko jedoch im kommerziellen Bereich tätig. Für die Produktion dieser Arbeiten gründete er 1950 das Estudio Imagen / Publicidad Plástica, zu dessen Team auch Manuela Ballester, die Ehefrau des Künstlers, seine Schwägerinnen sowie seine Kinder zählten. Als Ausgleich zu seiner kommerziellen Tätigkeit im Studio und vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Kalten Krieges in den 50er Jahren, begann Josep Renau mit der Arbeit an der Fotomontage-Serie „The American Way of Life“. Diese 69 Werke, an denen er über 20 Jahre arbeitete, nehmen in der Ausstellung eine zentrale Rolle ein. Sie zählen zu den persönlichsten und bedeutendsten Bildern des Künstlers. Die Serie, die wie eine Art Filmgeschichte aufgebaut ist, setzt sich mit den Widersprüchen des amerikanischen Kapitalismus auseinander. Renau griff hier Themen wie Rassismus, soziale Ausgrenzung und das Wettrüsten im Kalten Krieg auf, aber auch die Objektifizierung von Frauen in der Werbung.
„Damit die Leute heute Kunst zu sehen bekommen, müssen sie in ein Museum, eine Galerie oder eine Ausstellung gehen, aber das ist nach meiner Ansicht falsch, denn die Kunst muss zum Menschen kommen, in jedes Haus, ohne zu fragen!“
Josep Renau, 1980
Politische Kunst im Sozialismus: Renau in der DDR
Im Jahr 1958 löste Renau sein Studio in Mexiko auf und emigrierte mit seiner Familie nach Ost-Berlin. Hier wollte er seine Kunst in den Dienst des Sozialismus stellen und wurde zu einer Art Staatsfunktionär. Zu seinen ersten Arbeiten in der DDR zählten fünf Grafikfilme, die er für das staatliche Fernsehen drehte. Darin ging es u.a. um die Situation des Kalten Krieges, um andalusische Bergarbeiter und um eine Verherrlichung des kommunistischen Staates, der sich für die Erhaltung des Friedens gegenüber dem kapitalistischen Feind einsetzt.
Die Ausstellung zeigt daneben 24 Schwarz-Weiß-Fotomontagen mit dem Titel „Über Deutschland“, die Renau ab 1966 produzierte. Die Arbeiten, welche die Politik der Aufrüstung und das Wiederaufleben des Nationalsozialismus in West-Deutschland thematisieren, waren als Sequenz für einen Fernsehfilm gedacht. In den satirischen Fotomontagen wird die Geschichte von „Michel“ erzählt, eine Figur die einen „durchschnittlichen Westdeutschen“ darstellen soll, gekennzeichnet durch geringe Bildung und ohne politisches Urteilsvermögen, die zur leichten Beute für die Manipulation skrupelloser Politiker wird.
Schließlich beleuchtet die Ausstellung noch eines der wichtigsten Werke, die Josep Renau in Deutschland schuf: „Der Marsch der Jugend in die Zukunft“ aus dem Jahr 1968. Das aus Fliesen gesetzte Wandbild entstand als Teil einer Reihe von Arbeiten für das Studentenwohnheim in Halle-Neustadt und war gedacht als eine Art Appell an die Jugend, die in der Ideologie der DDR als die „wichtigste treibende Kraft zum Aufbaus des Sozialismus der Zukunft“ angesehen wurde. In der Ausstellung ist hier nicht nur das Wandbild an einem maßstabsgetreuen Modell zu sehen (das Original wurde 1998 abgebrochen und ist heute nicht mehr erhalten), sondern es wird auch ein Einblick gegeben in den aufwändigen Rechercheprozess, den der Künstler für seine Wandbilder unternahm. Bis zu seinem Tod 1982 schuf Josep Renau noch diverse weitere Wandbilder in der DDR – stets mit dem Ziel, durch seine operative Kunst zur Gestaltung der Zukunft beizutragen.
Josep Renau. Hacer el arte operativo. Diseñar el porvenir
Patio Herreriano, Valladolid
26.11.2022-12.03.2023
Header-Bild: Angelika Schoder – Patio Herreriano, Valladolid 2022
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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