Jasper Johns: Das Kunstmuseum Basel zeigt den Künstler als Sammler

Ob Giacometti, Degas oder Gauguin – die Sammlung von Zeichnungen, die der Künstler Jasper Johns besitzt, ist außergewöhnlich. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun eine Auswahl davon in einer aktuellen Ausstellung.

Die Sammlung von Zeichnungen, die der Künstler Jasper Johns besitzt, ist außergewöhnlich. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun eine Auswahl davon.

[Pressereise] Es wirkt fast bescheiden, wenn der US-amerikanische Künstler Jasper Johns über sich selbst sagt: „Ich würde nicht von Sammeln sprechen, aber selbstverständlich besitze ich Werke von anderen Künstlern.“ [1] Zu diesen Werken in Johns’ Besitz zählen allerdings mehrere Arbeiten von Paul Cezanne, von Pablo Picasso oder von Willem de Kooning. Auch Henri Matisse, Odilon Redon, Cy Twombly und René Magritte sind vertreten, neben diversen weiteren Künstlern des 19. und 20. Jahrhunderts. Insofern kann man schon von einer bedeutenden Kunstsammlung sprechen, auch wenn viele Werke durch reinen Zufall oder als Geschenke in den Besitz des Künstlers gelangten, wie Johns selbst betont. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun in der Ausstellung „Der Künstler als Sammler“ eine Auswahl von rund 100 Arbeiten auf Papier von 47 Kunstschaffenden aus dem Besitz von Jasper Johns.


In der Ausstellung "Der Künstler als Sammler" ist im Kunstmuseum Basel erstmals in Europa eine umfangreiche Auswahl von Zeichnungen aus dem privaten Besitz von Jasper Johns zu sehen.
In der Ausstellung „Der Künstler als Sammler“ ist im Kunstmuseum Basel erstmals in Europa eine umfangreiche Auswahl von Zeichnungen aus dem privaten Besitz von Jasper Johns zu sehen.

„Die Zeichnungen, die ich erworben habe, sind meist zufällig hinzugekommen. Ich habe nicht nach Dingen gesucht und nicht versucht, eine systematische Sammlung aufzubauen.“ [2]

Jasper Johns, 1990

Der Künstler und die Kunst

Jasper Johns (*1930) gilt als einer der bedeutendsten Künstler der US-amerikanischen Moderne. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1964 mit Ausstellungen auf der Biennale in Venedig und bei der Documenta III in Kassel. In seinen Gemälden, Skulpturen und Druckgrafiken greift er nicht nur Motive wie die Flagge der USA, Zielscheiben, Buchstaben oder Nummern auf. Er stellt auch immer wieder Bezüge zur europäischen Kunstgeschichte her, etwa zu Paul Cezanne, zum Isenheimer Altar in Colmar oder zu Arbeiten von Hans Holbein. Seine Werke sind in zahlreichen bedeutenden Sammlungen vertreten, etwa im Museum of Modern Art in New York oder im Kunstmuseum Basel. Bereits 1968 erwarb das Museum in Basel erstmals eines seiner Werke; einen Einblick in die langjährige enge Beziehung zwischen dem Künstler und dem Museum gewährt Kuratorin Anita Haldemann in der ausstellungsbegleitenden Publikation. [3] Heute finden sich in der Sammlung des Kunstmuseum Basel sieben Gemälde, eine Zeichnung und 223 Druckgrafiken von Jasper Johns. Im 1. Obergeschoss des Neubaus ist dem Künstler in der Sammlungspräsentation aktuell ein eigener Raum gewidmet.

Doch Jasper Johns wird nicht nur als Künstler gesammelt – übrigens immer wieder zu Rekordpreisen für seine Arbeiten. Auch er selbst besitzt eine beeindruckende Sammlung von Kunstwerken. Das Kunstmuseum Basel ermöglicht in der Ausstellung „Der Künstler als Sammler“ nun erstmals in Europa einen umfangreichen Einblick in die Sammlung von Zeichnungen, die Jasper Johns über Jahrzehnte hinweg zusammengetragen hat. Die Werke spiegeln dabei nicht nur verschiedene Facetten aus der Sammlung wieder, sie ermöglichen auch einen Einblick in das Private des Künstlers. Einige Gegenüberstellungen im Museum greifen nämlich die Hängung der Bilder bei Johns zu Hause auf.


Insgesamt 103 Werke von 47 Kunstschaffenden sind in der Ausstellung zu sehen.
Insgesamt 103 Werke von 47 Kunstschaffenden sind in der Ausstellung zu sehen. In der Sammlung von Jasper Johns vertreten sind u.a. Künstler wie Juan Gris, Marcel Duchamp oder Kurt Schwitters.

„Im Vergleich mit Gemälden sind die besten Zeichnungen prägnanter, nüchterner, schematischer, nackter, näher am Gedanken, näher an der treibenden Kraft, aus der sie hervorgehen.“ [4]

Jasper Johns, 2006

Die Vielfalt einer Sammlung

Mit dem Sammeln von Zeichnungen begann Jasper Johns bereits vor über 70 Jahren. Das erste Werk gelangte 1951 in seinen Besitz; es ist ein Selbstporträt eines Schülers seiner ehemaligen Kunstlehrerin, Catharine Phillips Rembert. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Sammlung des Künstlers, in erster Linie durch Geschenke oder im Tausch mit befreundeten Kunstschaffenden, aber teils auch durch Ankäufe. Johns’ Kunstsammlung entwickelte sich im Laufe der Zeit dabei allerdings nicht bewusst geplant und durch strategische Erweiterung, sondern als zufällig gewachsene Ansammlung von Arbeiten auf Papier.

Tatsächlich war die Auswahl der Werke für Johns stets persönlich motiviert; es sind Zeichnungen, die ihn berühren oder herausfordern – angefangen beim Selbstporträt des Kunstschülers, den er 1951 um seine Zeichnung bat. Bei den meisten Werken zeigt sich, dass Johns sich für ein ganz bestimmtes Motiv begeistert: den menschlichen Körper. Ob Kopf-, Hand- oder Aktstudien – interessanterweise scheint den Künstler vor allem das zu faszinieren, was er in seinen eigenen Werken eher nicht aufgreift. Eine besondere Vorliebe scheint Johns für Studienblätter zu haben, seine Sammlung umfasst aber auch Collagen, Skizzen, Musiknotationen und malerische Kompositionen. Betrachtet man die Gesamtheit von Johns’ Kunstsammlung, kristallisieren sich zudem auch Schwerpunkte heraus; so handelt es sich bei den meisten Werken um französische Kunst des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts und um US-amerikanische Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Einige Zeichnungen sind mit ihrer Vorder- und Rückseite zu sehen.
Einige Zeichnungen sind mit ihrer Vorder- und Rückseite zu sehen, etwa Paul Cézannes „D’aprés l’antique: Vénus de Milo“ (1872-75) und dahinter „Deux études de baigneurs“ (1877-80).

Die Dokumentation eines Netzwerks

Zahlreiche persönliche und freundschaftliche Widmungen auf den Werken verweisen auf die enge Beziehung und das außergewöhnliche Netzwerk, das Jasper Johns zu den verschiedenen Künstlern pflegte. So umfasst die Sammlung Werke seiner Vorbilder wie Marcel Duchamp, den er persönlich kannte, aber vor allem von Künstlern, die Johns zu seinen Anfängen im New York der 1950er Jahre begleiteten und prägten, etwa der Maler Robert Rauschenberg, der Komponist John Cage oder der Choreograf Merce Cunningham. Damit spiegelt die Sammlung von Zeichnungen auch das persönliche Umfeld von Jasper Johns wieder.

Neben gleichaltrigen Wegbegleitern wie Frank Stella, Cy Twombly oder Brice Marden sind auch einige Akteure des Abstrakten Expressionismus der vorhergehenden Künstlergeneration in der Sammlung von Jasper Johns vertreten, etwa Elaine und Willem de Kooning, Barnett Newman, Franz Kline und Jack Tworkov. Doch auch junge Kunstschaffende wie Kim Jones, der durch seine Performances als „Mudman“ bekannt wurde, und der abstrakte Maler Terry Winters finden einen Platz in Johns’ Sammlung. Diese wächst übrigens noch immer und wird auch durch Werke des 21. Jahrhunderts erweitert.


Begleitend zur Ausstellung erschien die Publikation „Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cezanne bis de Kooning“, herausgegeben von Anita Haldemann und Josef Helfenstein für das Kunstmuseum Basel, 2023 im Hirmer Verlag (ISBN: 978-3-7774-4223-5). Der Ausstellungskatalog mit zahlreichen farbigen Werkabbildungen beinhaltet auch eine Bibliographie sowie Essays von u.a. Anita Haldeman und Fabienne Ruppen.


Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cezanne bis de Kooning

Kunstmuseum Basel
30.09.2023-04.02.2024


Bilder: Angelika Schoder – Kunstmuseum Basel, 2023


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Ann Hindry: Conversation with Jasper Johns. In: Artstudio, No. 12, Spring 1989.

[2] Ruth E. Fine, Nan Rosenthal: Interview with Jasper Johns. In: The Drawings of Jasper Johns, National Gallery of Art, Washington, DC / Kunstmuseum Basel / Hayward Gallery, London, Washington 1990, S. 77.

[3] Siehe: Anita Haldemann: „Proper Johns Addicts“. Jasper Johns und das Kunstmuseum Basel. In: Jasper Johns – Der Künstler als Sammler, 2023, S. 13-27.

[4] Jasper Johns, Richard Shiff: Flicker in the Work. In: Master Drawings, Vol. 44, No. 3, Fall 2006.


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