Instagram-Kunst: Zwischen Reichweite und Flüchtigkeit

Viele junge Kunstakteure nutzen Social Media, um ihre Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Durch Plattformen wie Instagram kann man zum Star werden. Doch das Label „Instagram-Kunst“, ebenso wie die Dynamiken in Social Media, werden von Künstlern wie Oli Epp nicht nur positiv gesehen.

Durch Social Media kann man zum Star werden. Doch das Label "Instagram-Kunst" wird von Künstlern wie Oli Epp nicht nur positiv gesehen.

[Werbung] Berühmt zu werden, davon träumt natürlich jeder Künstler. Von einer renommierten Galerie vertreten zu werden, auf allen großen Kunstmessen präsent zu sein, kaufkräftige Sammler zu finden und schließlich in den bedeutenden Kunstmuseen gezeigt zu werden – das ist das Ziel. Der Weg dahin kann über Social Media führen. Besonders mit der Plattform Instagram wird die Hoffnung verknüpft, hier „entdeckt“ zu werden. In dem Sozialen Netzwerk kann man alle Akteure der Kunstwelt erreichen, die einen auf dem Weg zum neuen Star am Kunsthimmel voran bringen könnten: Kunstkritiker, Galeristen, Kuratoren, potenzielle Käufer und Kontakte zu anderen Kunstschaffenden. Social Media bietet also für viele Kunstakteure zahlreiche Möglichkeiten und Chancen. Doch es gibt auch Schattenseiten, angefangen bei dem Label der „Instagram-Kunst“, das auch als Stigma erscheinen kann, bis hin zur Abhängigkeit, in die sich Künstler mit der Nutzung von Social Media begeben.


Bei Instagram entdeckt

Wenn du als Künstler 10.000 Follower hast, bist du schon auf dem besten Weg zum Erfolg. Noch besser wäre es natürlich, wenn es über 100.000 sind. Wenn du nur 500 Follower hast, sag es am besten niemandem, das ist echt peinlich. Und wenn du gar nicht bei Instagram bist – nimmst du das Kunst-Business dann überhaupt ernst?

Der britische Künstler Oli Epp (*1994 | @oli.epp) hat bei Instagram über 27.000 Follower. Als Digital Native wuchs er mit dem Internet auf, in einer Welt also, die von der Nutzung von Computern und Laptops, von Tablets und Smartphones bestimmt wird. Seine Malerei ist eine Reaktion auf das Leben vor und hinter diesen Bildschirmen; seinen Stil bezeichnet Epp selbst als Post-Digital Pop. So wie die Pop Art sich einst mit dem Verhältnis zwischen Kunst, dem Fernsehen und der Werbung auseinandergesetzt hat, reflektiert Oli Epp heute Phänomene und Dynamiken des Digitalen in seiner Malerei. Auch die Post-Internet Art beeinflusst seine künstlerische Arbeit.

Oli Epp ist das gelungen, wovon viele Kunstakteure träumen, wenn sie sich und ihre Arbeiten in Social Media präsentieren. Er wurde auf Instagram „entdeckt“ und wird in den Medien oft als „Instagram-Star der Kunstwelt“ bezeichnet. Im Rahmen der Ausstellung „Friends and Friends of Friends“ im Schlossmuseum Linz im Herbst 2020 sprach Oli Epp mit Inga Kleinknecht über das Potenzial, aber auch über die Nachteile von Social Media. [1] Dank Instagram hatten Menschen auf der ganzen Welt die Möglichkeit, die Kunst von Oli Epp zu entdecken. Letztendlich konnte er sich hier auch ein Netzwerk aufbauen, das ihm dabei half, sich als Künstler zu etablieren. Das Label des „Instagram-Star“ betrachtet er aber auch mit Vorsicht.

„Man kann nicht wirklich sagen, wie [Instagram] sich in den kommenden Jahren verändern und weiterentwickeln wird. Darum halte ich es für wichtig, dass ich mich als Künstler, der auf Instagram erfolgreich wurde, auch außerhalb der sozialen Medien etabliere, damit ich langfristig erfolgreich bin. Es ist unerlässlich, sich daran zu erinnern, dass Instagram ein Mittel ist, das Künstler*innen nutzen können. Es ist aber nichts, das deine Kunstpraxis oder dich definiert.“ [2]

Oli Epp

Instagram-Kunst als Stigma?

Mit dem Label „Instagram-Kunst“ werden gerne junge Kunstakteure versehen, die durch Instagram bekannt wurden. Dass das nicht immer als positiv wahrgenommen wird, dürfte klar sein. Immerhin ist die Plattform Instagram für viele der Inbegriff von Oberflächlichkeit, dargestellt durch omnipräsente Influencer, die wahlweise ihre attraktiven Körper oder nutzlose Produkte in die Kamera halten. So haftet Instagram noch immer ein gewisses Image an, das eher an Fotos von Avocado-Toast und Selfies denken lässt und nicht unbedingt an zeitgenössische Kunst.

Entsprechend wird der Begriff „Instagram-Kunst“ in den Medien auch gerne eher spöttisch ins Spiel gebracht. Das Label soll suggerieren, dass Kunst, die viel Aufmerksamkeit auf Instagram bekommt, nur auf schnellen oberflächlichen Konsum ausgerichtet sei und kritische Inhalte vermissen ließe. Dies wird den damit gemeinten Kunstakteuren aber in keiner Weise gerecht, findet Oli Epp. [3] Schließlich hat Instagram einen großen Einfluss darauf, wie Kunst heute gesehen, gemacht und entdeckt wird. Kunst-Experten bescheinigen der Plattform schon lange eine zentrale Bedeutung für die Kunstbranche. [4] Zudem ist das Netzwerk mittlerweile auch zu einer Plattform wichtiger politischer Initiativen geworden, auf der Themen von #MeToo bis #BlackLivesMatter diskutiert werden. Vor diesem Hintergrund nutzen auch Vertreter des Post-Digital Pop diesen virtuellen Raum zur Diskussion wichtiger gesellschaftlicher Fragestellungen, die sie in ihren künstlerischen Arbeiten aufgreifen.


Jenseits der Oberflächlichkeit

Es mag sein, dass Werke des Post-Digital Pop sehr gut in Social Media „funktionieren“, immerhin sind sie oft ästhetisch sehr ansprechend und greifen eine Bildsprache auf, die etwa im Instagram-Algorithmus gut funktioniert. Doch es ist nicht nur die Ästhetik dieser Kunst, die dem Zeitgeist entspricht. Inhaltlich geht es oft um eine ironische oder kritische Auseinandersetzung mit Themen der Digitalisierung, was teils bereits im Entstehungsprozess der künstlerischen Arbeiten zum Tragen kommt.

So setzt Austin Lee (*1983 | @austinleee) etwa verschiedene Digitaltechniken ein, indem er Gemälde auf dem iPad entwirft und für einige seiner Skulpturen auf Virtual-Reality-Technologie zurückgreift. Damit verwischen in seinen Arbeiten die Grenzen zwischen Physischem und Virtuellem, zwischen Realität und Fantasie. Gina Beavers (*1974 | @Gina_Beavers) verarbeitet hingegen direkt Bilder aus den Sozialen Medien in ihren skulptural wirkenden Gemälden und schafft damit unheimliche Visionen unseres digital bestimmten Lebens. In die Strömung des Post-Digital Pop fallen ebenso die kinetischen Skulpturen von Harrison Pearce (*1986 | @_harrison_pearce), die darauf abzielen, die Ästhetik des logischen Systems der technischen Wissenschaft als fehlbar zu entlarven.

Auch Oli Epp setzt sich in seinen Arbeiten kritsch mit dem System des digialisierten Lebens auseinander. Hinter den fröhlichen Bildern mit klaren Linien und strahlenden Farben steht der Blick auf die Absurdität unserer Zeit. Es ist eine Kritik des hyperaktiven Sehens und Gesehenwerdens in den Sozialen Medien und ein subtiler Verweis auf den medialen Erschöpfungszustand der Generation Y.


Das Problem Sozialer Medien

Neben dem Stigma der Oberflächlichkeit, mit der „Instagram-Kunst“ teils noch immer in den alten Medien versehen wird, besteht für die Kunstakteure ein weiteres Problem: Die Abhängigkeit, in die sie sich mit der Nutzung von Social-Media-Plattformen begeben. Letztendlich bestimmt hier ein Algorithmus, ob und in welchem Ausmaß die Inhalte ihr Publikum erreichen. Das baut einerseits Druck bei den Kunstschaffenden auf, regelmäßig neue Inhalte zu erstellen. Gleichzeitig zwingt die Dynamik der Plattformen aber auch dazu, selbst sehr aktiv zu interagieren, um die eigene Reichweite zu steigern.

Der Künstler Oli Epp, der auch dank seiner Reichweite bei Instagram erfolgreich wurde, berichtet im Gespräch mit Inga Kleinknecht im Rahmen der Ausstellung „Friends and Friends of Friends“ sogar von einer beginnenden Abhängigkeit, die in seinem eigenen Nutzungsverhalten sichtbar wurde:

„Es gab Tage, an denen ich mehr als neun Stunden vor dem Bildschirm verbracht habe, verloren im endlosen Dopaminzyklus. Die Apps sind so konzipiert, dass das Wischen, Tippen und Schauen zu einer toxischen Gewohnheit wird. Ich habe das Gefühl, dass wir durch diese Apps ständig abgelenkt werden, indem wir von einem Hyperlink zum nächsten gezogen werden. Ihre Auswirkungen sind flach und kurzlebig, sie schaffen es aber, dich so zu fesseln, dass die digitale Realität unserer Bildschirme realer erscheint als die physische Welt.“ [5]

Oli Epp

Von Instagram ins Museum

Als Maler, der tatsächlich physische Werke schafft und eben nicht rein digitale Kunst, sieht Oli Epp seinen großen Erfolg im Digitalen daher durchaus differenziert. Ihm ist bewusst, dass seine Arbeiten deutlich häufiger online angesehen werden, als direkt vor Ort.

Natürlich trifft diese Art der Kunsterfahrung aber heute nicht nur auf sogenannte „Instagram-Kunst“ zu, sondern auch auf alle anderen Kunstwerke. Seit aufgrund der COVID-19 Pandemie Museen und Galerien vorübergehend schließen mussten, blieb nur noch das rein digitale Erlebnis von Kunst. Und selbst solange Museen geöffnet sind: Fast jeder weiß heute durch das Internet beispielsweise, wie Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ aussieht – deutlich weniger Menschen haben das Gemälde aber wirklich schon einmal vor Ort im Musée du Louvre gesehen. Man könnte also meinen, gerade die Vertreter des Post-Digital Pop hätten sich von der Vorstellung gelöst, es sei wichtig, ein physisches Kunstwerk im Original im Museum zu betrachten.

Zumindest Oli Epp sieht das aber anders:

„Für mich als Künstler, dessen Gemälde mehr online als im Original gesehen werden, hilft es, in einem Museum gezeigt zu werden. Die Wahrnehmung eines Kunstwerks, die online überwiegend kurz und nicht nachhaltig ist, verändert sich dadurch, es bekommt einen anderen Stellenwert.“ [6]

Oli Epp

Den Künstler interessiert dabei, wie sich Menschen im Museum mit einem Werk auseinandersetzen und ob es Fragen, Gedanken oder bestimmte Gefühle bei ihnen hinterlässt. Wenn das Smartphone beim Ausstellungsbesuch in der Tasche bleibt, liegt für Epp der Fokus ganz auf der Arbeit im Raum. Wer immer nur auf das Display seines Smartphones schaut, würde schließlich vieles verpassen, was um einen herum passiert, da ist sich Oli Epp sicher. Er wünscht sich, dass das Erlebnis seiner Kunstwerke im Museum dem Publikum einen Dopaminkick gibt, der noch intensiver ist als das, was das Wischen durch Instagram-Feeds zu bieten hat – und dass dieser Kick auch noch lange nach dem Ausstellungsbesuch anhalten wird.

Wer hätte gedacht, dass der „Instagram-Star der Kunstwelt“ eigentlich doch ein Fan des klassischen Museumsbesuchs ist?


Die Publikation „Friends and Friends of Friends. Artistic Communities in the Age of Social Media“, herausgegeben von Alfred Weidinger und Inga Kleinknecht für die OÖ Landes-Kultur GmbH, ist begleitend zur gleichnamigen Ausstellung 2020 im Distanz Verlag erschienen (ISBN: 978-3-95476-382-5). Das Buch enthält, neben den Ausstellungstexten und -ansichten, Interviews mit Oli Epp und Aindrea Emelife sowie einen Beitrag von Alice Bucknell zu den Hintergründen der Ausstellung.

Dieser Beitrag entstand im Auftrag der OÖ Landes-Kultur GmbH.


Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburg, 2023


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Das Interview mit Oli Epp erschien im Ausstellungskatalog: Friends and Friends of Friends. Artistic Communities in the Age of Social Media, Hg.v. Alfred Weidinger und Inga Kleinknecht für die OÖ Landes-Kultur GmbH, Distanz Verlag, Berlin 2020: Seeing Through the Screen, S. 12-18 bzw. 180-187.

[2] Ebd., S. 181.

[3] Ebd., S. 184.

[4] Dazu: Simon de Pury: Art-World Insider Simon de Pury on Why Instagram Will Endure as the Art Industry’s Favorite Platform, In: artnet news, 21.02.2021

[5] Oli Epp: Friends and Friends of Friends., S. 185.

[6] Ebd., S. 187.


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