[Leitfaden] Forschen, Sammeln, Bewahren – das alles erfolgt bei Museen nicht zu einem Selbstzweck. Ziel ist es letztendlich immer, Wissen zu vermitteln – an so viele Besucher wie möglich. Man könnte dabei von einem kulturellen Ökosystem sprechen, in dem die Akteure voneinander abhängig sind: Je mehr Besucher ein Museum hat, um so mehr Ressourcen können für Forschung, Sammlung und Bewahrung zur Verfügung gestellt werden. Als Bindeglied in diesem kulturellen Ökosystem fungieren Medien, die zwischen Museen und Besuchern vermitteln. Neben klassischer Presse spielen hier sogenannte Influencer eine zunehmend wichtige Rolle, was ein Umdenken in der Kommunikationsstrategie notwendig macht. Im Interview sprachen wir mit der Kunsthalle Karlsruhe über die Kontaktpflege zu Bloggern und über das Thema Influencer Relations.
Erste Schritte in Richtung Influencer Relations
Unter dem Begriff „Influencer Relations“ wird heute meist ein Aspekt der Kommunikationsstrategie zusammengefasst, der die Ansprache einer Reihe von meist im Onlinebereich aktiven Vertretern der „nicht klassischen Medien“ beinhaltet. Entsprechende Influencer, also Akteure die von Zielgruppen als meinungsbildend angesehen werden, sind jedoch nicht nur klassische Blogger, sondern auch Vlogger (also Video-Blogger, z.B. bei YouTube), Podcaster, Mikroblogger (z.B. bei Twitter und Instagram) oder einflussreiche Akteure in Foren und Facebook-Gruppen.
Im Jahr 2014 hat sich die Kunsthalle Karlsruhe erstmals intensiver mit diesem Thema befasst. Influencer Relations wurde im Rahmen der Ausstellung „Degas – Klassik und Experiment“ für das Museum zum Thema, wobei man sich aus der großen Vielfalt an erwähnten möglichen Akteuren zunächst auf Twitterer und Blogger konzentrierte. Entsprechend wurde begleitend zur Degas-Ausstellung zunächst ein TweetUp mit dem Hashtag #DegasSKK am 14. November 2014 organisiert, gefolgt von einer Bloggerreise vom 28. bis 30. November unter dem Hashtag #kbreise14.
Auch wenn nach außen hin beide Events sehr erfolgreich verliefen, so wurden auf organisatorischer Ebene einige Schwierigkeiten sichtbar. Beim TweetUp musste man etwa Erfahrungen damit sammeln, dass nicht jeder im Vorfeld eingeladene Influencer freudig und auf eigene Kosten durch halb Deutschland reist, nur um für ein Freigetränk zu twittern. (Ein Denkfehler, den nach wie vor etliche Kulturinstitutionen bei Einladungen zu solchen Events machen.) Der Erkenntnisgewinn hieraus dürfte sein: Wenn Reise- und Übernachtungskosten nicht übernommen werden, macht es Sinn sich auf regionale Influencer zu beschränken. Solche Einladungen landen sonst automatisch in „Ablage P“ und die Angeschriebenen kommentieren dies im Regelfall auch nicht weiter, es kommt also meist nicht einmal zu einer Absage.
Doch nicht nur die Organisation des TweetUp offenbarte seine Tücken. Auch bei der Bloggerreise #kbreise14 zeigten sich Probleme. Sowohl in der äußeren Wahrnehmung als auch unter den Teilnehmern kristallisierte sich der Auswahlprozess als Hauptdiskussionspunkt heraus: Eine Reihe vorausgewählter Influencer anzuschreiben, diese dann aber mit einem first come, first served zu konfrontieren, hatte bei dem einen oder anderen Blogger für Unmut gesorgt. Aus dieser Problematik ergaben sich letztendlich aber so eine Reihe von positiven Lerneffekten, etwa den Auswahlprozess für das nächste vergleichbare Event transparenter zu gestalten und lieber gezielt auf Akteure zuzugehen.
Influencer Relations als Prozess
Zwischenzeitlich hat die Kunsthalle Karlsruhe erste Erfahrungen gesammelt, ein Netzwerk zu einigen Influencern aufgebaut und einen ersten Überblick über Dos und Don’ts für sich entwickelt. In einem Interview geben Alexandra Hahn, Pressesprecherin und Leiterin des Bereichs Presse und Medien, und Isabel Koch, Mitarbeiterin des Bereichs PR und Neue Medien, einen Einblick in das Verhältnis der Kunsthalle Karlsruhe zum Thema Influencer Relations.
Warum hat sich die Kunsthalle dazu entschlossen, enger mit Bloggern und anderen Social Media Influencern zusammenzuarbeiten?
Alexandra Hahn: „Durch unsere Recherchen zu Themen, Meinungen und Meinungsführern in den Sozialen Netzwerken haben wir schnell festgestellt, dass es eine Community von Kulturbloggern gibt, die fachlich sehr kenntnisreich und mit viel Leidenschaft bloggt und twittert. Besonders die Kulturblogger sehen wir als Chance für uns als Museum, da sie inhaltlich zu uns passen und ein nachhaltiges Interesse an unseren Themen haben. Wir wollten den virtuellen Austausch auch offline flankieren, denn wir waren neugierig, wer die Blogger sind, woher ihr Kunstinteresse kommt, worüber sie diskutieren, was sie sonst beruflich machen. Durch das persönliche Kennenlernen und Involvieren kam eine Form der freiwilligen Zusammenarbeit zustande, die den Dialog stärker in Gang gebracht hat. Zudem macht es uns Spaß, gleichgesinnte Menschen zusammenzubringen und sich über gemeinsame Interessen und Anliegen auszutauschen.“
Welche Erwartungen werden an die Kooperation gestellt?
Alexandra Hahn: „Bisher gab es noch keine fest verabredeten Kooperationen – wir machen Angebote und freuen uns, wenn diese unsere Wahrnehmung im Netz steigern können und bestenfalls Resonanz erzeugen. Zum Beispiel in Blogbeiträgen, die eine ausführliche Auseinandersetzung mit einer Ausstellung ermöglichen und lange im Netz sichtbar bleiben. Die vielen verschiedenen Ansätze, mit denen Blogger über eine Ausstellung berichten, sehen wir als große Bereicherung. Ziel ist es, Interesse zu erzeugen und zumindest projektweise Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen, um langfristig eine Community aufzubauen und in Verbindung zu bleiben. Im Moment entwickelt sich daraus vieles automatisch weiter.“
Wie macht die Kunsthalle geeignete Influencer in Social Media ausfindig? Welche Kriterien spielen bei der Auswahl für die Kunsthalle eine Rolle?
Isabel Koch: „Wir recherchieren im Netz, vor allem in Social Media, gehen auf wichtige Fachtagungen wie stARTcamps und suchen den Austausch mit Profis aus der Szene, z.B. den Kulturkonsorten in München, um Influencer zu definieren. Wir haben einen Verteiler mit wichtigen Wissenschafts-, Reise- und Kulturbloggern erstellt. Je nach Thema suchen wir die passenden Blogger und Multiplikatoren.
Die Zusammenstellung unserer Verteilerliste fand hauptsächlich nach inhaltlichen Gesichtspunkten statt (ob uns der Blog gefällt und zu uns passt). Die Auswahl für die Bloggerreisen beruht auf unterschiedlichen Kriterien – es kann eine gute Mischung von großen und kleinen Blogs sein, von Blogs zu Kultur, Reise, Wissenschaft, Lifestyle, Blogs aus verschiedenen Regionen etc.“
Wie gestaltet sich die Kooperation der Kunsthalle mit den Social Media Influencern?
Alexandra Hahn: „Wir haben mit einer kleinen Gruppe von fünf Kulturbloggern angefangen bei unserer ersten Bloggerreise 2014. Bei der zweiten Reise haben wir auf zehn erweitert und auch Reise- und Lifestyleblogger dazugenommen, was alle Teilnehmer als Bereicherung empfanden. Beide Veranstaltungen waren eine tolle Erfahrung für uns und mit Bloggern aus beiden Reisen bestehen weiterhin gute Verbindungen und regelmäßiger Austausch über Twitter, Facebook, oder auch mal per E-Mail oder Telefon. So entsteht Vertrauen als Basis für künftige Kooperationen. Bei unserer kommenden Ausstellung ‚Ich bin hier‘ mit der Begleitausstellung „Selfies“ werden wir Blogger auf andere Art einbeziehen – die Art der Aktion hängt auch immer vom Thema der Ausstellung ab.“
Die Kunsthalle hat mittlerweile einige Erfahrungen bei verschiedene Veranstaltungen mit Social Media Influencern gesammelt, u.a. bei Tweetups und Bloggerreisen. Welche Dos und Don‘ts konntet ihr hieraus für diese Art von Kooperationen ableiten?
Isabel Koch: „Die Dos and Don’ts beginnen bereits bei der Organisation einer solchen Veranstaltung. Man sollte sich um eine gute Planung im Vorfeld bemühen. Die Modalitäten (Auswahlverfahren, Kostenübernahmen, Erwartungen) sollten von Anfang an transparent kommuniziert werden.
Je nach Sparte unterscheiden sich auch die Blogger und deren Bedürfnisse oft grundlegend, je nachdem ob es sich um Kultur-, Reise- oder Lifestyle-Blogger handelt. Über diese Unterschiede sollte man sich vorher im Klaren sein und sie berücksichtigen. Kulturblogger sind unserer Erfahrung nach an Hintergrundgesprächen mit Kuratoren und Museumspädagogen interessiert und möchten einen Austausch auf Augenhöhe. Auch ein Blick hinter die Kulissen ist sehr beliebt. Sehr wichtig ist für Blogger, den eigenen Blickwinkel auf die Ausstellungen auch in Form von Fotos dokumentieren zu können. Bei der Veranstaltung vor Ort sind dann auch praktische Dinge wichtig. Falls möglich sollte ein WLAN-Netz verfügbar sein und man sollte dafür sorgen, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben, ihr Smartphone aufzuladen.“
Welchen Stellenwert nehmen Social Media Influencer in der Kommunikationsstrategie der Kunsthalle ein?
Alexandra Hahn: „Social Media Influencer existieren ja nicht nur im Netz, sondern auch in der Realität mit interessanten Berufen, Netzwerken und Expertenwissen – da wird es richtig spannend. Für uns etablieren sie sich zunehmend neben anderen wichtigen Multiplikatoren, auch als Ideengeber mit speziellen Erfahrungen. Zur Ausstellung ‚Ich bin hier‘ entsteht im Herbst z.B. eine Zusammenarbeit mit einer Bloggerin, die auch lehrt. Ihr Seminar befasst sich mit einem Social-Media-Thema und unserer Ausstellung – so entsteht ein Austausch mit Studierenden hier vor Ort, das ist großartig. Bei den Themen Kunstvermittlung mit digitalen Medien und Medienkompetenz gibt es für Blogger und Museen gemeinsame Anliegen. Hier könnten Blogger z.B. künftig eine größere Rolle in unserer Kommunikationsstrategie einnehmen, als Experten, bei Veranstaltungen und als Multiplikatoren.“
Vielen Dank für das Interview!
Erste Schritte auf einem langen Weg
Die Kunsthalle Karlsruhe ist auf einem guten Weg in Richtung professionelle Influencer Relations, auch wenn sie noch am Anfang steht im Vergleich zu anderen internationalen Kunstmuseen. Der nächste Schritt wäre es, ergänzend zu den bisherigen Aktivitäten, gezielt Influencer mit einer Berichterstattung zu beauftragen, auf Basis eines gemeinsam ausgearbeiteten Konzepts, das auch KPIs (Leistungskennzahlen) definiert. Ebenso wäre es, in Anlehnung an Bloggerreisen im Tourismussektor, empfehlenswert, feste Kooperationsvereinbarungen zu treffen und sich über den Output zu einer Bloggerreise zu verständigen.
Man kann schließlich Glück haben und Blogger schreiben mehrere Beiträge, begleitet von der intensiven Befüllung vieler weiterer Sozialer Netzwerke. Man kann aber auch enttäuscht werden, wenn in Ermangelung einer vorherigen Regelung eingeladene Influencer vielleicht nicht in dem Umfang berichten, den man sich gewünscht hätte. Um einen solchen „Wundertüten-Effekt“ zu vermeiden, werden von erfahrenen Institutionen daher oft entsprechende Absprachen über Mindestanforderungen getroffen, je nach Reichweite und Schwerpunkt der Influencer. Auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen würden sich gemeinsame Ziele besser definieren und wahrscheinlich auch strukturierter umsetzen lassen, ganz im Sinne einer Integration von Influencer Relations in ein Multichannel-Kommunikationskonzept.
Header-Bild: Angelika Schoder – Kunsthalle Karlsruhe, 2015
Wir brauchen deine Unterstützung
Werde jetzt Mitglied im musermeku Freundeskreis: Erhalte wöchentlich News zu Kunst und Kultur direkt per E-Mail, sichere dir den Zugang zu exklusiven Inhalten und hilf uns dabei, unsere Betriebskosten für musermeku.org zu decken.
Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Linktipps
Der Newsletter zu Kunst & Kultur
In unserem kostenlosen Newsletter informieren wir einmal im Monat über aktuelle Neuigkeiten aus dem Kunst- und Kulturbereich.