[Debatte] Sie wollten als Geisteswissenschaftler in der Kulturverwaltung arbeiten oder im Journalismus durchstarten. Auf ihrem Weg in den Beruf wechselten sie stattdessen von einem Niedriglohn-Job zum anderen oder wurden in einem Start-Up im Kulturbereich ausgenutzt. Wir haben eine ehemalige Trainee und eine Ex-Volontärin zu ihren Erfahrungen befragt – nur zwei Vertreter der Generation Praktikum.
Wenn der Idealismus auf die Probe gestellt wird
Katja Paulshoff* wollte eigentlich Journalistin oder Autorin werden. Aus diesem Grund hatte sie sich für ein Germanistik-Studium entschieden, auch weil Bücher und Literatur ihre größte Leidenschaft sind, wie sie im Interview mit uns erzählt. „Ich wollte einfach etwas studieren, worauf ich richtig Bock hatte und das ich auch in 20 Jahren noch abfeiere und als wertvolle Ausbildung ansehen werde. Manche studieren aus monetären Gründen, Geisteswissenschaftler wie ich aus idealistischen“, so Katja.
Schon während ihres Studiums wurde ihr Idealismus aber auf die Probe gestellt: „Ich bin immer zu den Karriere-Messen und Alumni-Tagen der Uni und habe dort leider schnell festgestellt, dass vor allem die großen Unternehmen, Beratungen, Hidden Champions etc. einfach nicht wissen, wo sie dich einordnen können. Sie haben keinen Bezug zu deinem Studium und deshalb fällst du aus dem Raster und bist uninteressant, solange du kein berufliches Profil besitzt“, berichtet Katja.
Der Einstieg ins Berufsleben war für sie eher ein Umweg, wie sie erzählt. „Am Anfang habe ich keinen passenden Job bekommen und habe als Verkäuferin in einem Einkaufszentrum gearbeitet. Das war besser als arbeitslos zu sein. Dann habe ich Job-Hopping extrem betrieben: Vier verschiedene Jobs in zwei Jahren! Ich habe ehrlich gesagt immer die nächstbeste Gelegenheit genutzt, meine berufliche Situation auch nur ein klein wenig zu verbessern, woanders noch ein Projekt mehr zu bekommen oder um nochmal einen anderen Arbeitsalltag kennenzulernen“, so Katja.
Nach ihrem Job im Einkaufszentrum war sie in einem Konzern, dann in einem Start-Up und schließlich als Trainee in einer internationalen Agentur. Den häufigen Berufswechsel könne sie durchaus empfehlen, so Katja: „Generell muss ich sagen, dass gerade am Anfang des Berufslebens für jemanden, der noch kein Spezialist ist, Job-Hopping sicherlich eine gute Möglichkeit darstellt, sich selbst als Arbeitnehmer-Typus kennenzulernen. Man lernt außerdem den Arbeitsmarkt kennen, kann immens viele Erfahrungen in kurzer Zeit sammeln und lernt, dieses Wissen zu nutzen. Außerdem hilft es, nicht betriebsblind zu werden. Nach zwei oder drei Jahren kann man sich dann bewusst für eine Spezialisierung entscheiden.“
Eine Vollzeitstelle zum Ausbildungs-Gehalt
Katjas Trainee-Stelle war auf 16 Monate angelegt; zu Beginn verdiente sie 1.400 Euro brutto, nach 6 Monaten dann 1.750 Euro brutto. Inhaltlich war ihr Traineeship im Prinzip eine durch Weiterbildungen ergänzte, reguläre Stelle, wie sie erzählt: „Offiziell gab es einen Ausbildungsplan, Feedback-Runden, das volle Programm eben. Inoffiziell gab es ein paar Tages-Seminare, die auch wirklich cool und lehrreich waren, aber ansonsten hat man wie eine ganz normale Vollzeitkraft mitgearbeitet – aber eben zum halben Gehalt.“
Entsprechend kritisch sieht sie diese Art von Stellen: „Das ganz klare Problem bei solchen Traineeships ist doch: Man ist in 99 % aller Fälle nur billige Arbeitskraft! Letzten Endes braucht kein Mensch so eine Trainee-Stelle als ‚Ausbildung‘ – wir haben alle studiert. Man soll uns doch einfach ein volles Gehalt zahlen, wir arbeiten schließlich auch Vollzeit wie ein Festangestellter“, betont Katja. Sie kritisiert außerdem die fehlende Langzeitperspektive, die sich in solchen Jobs bietet: „Solange du nicht bei Daimler und Co. für 40.000 Euro brutto und mehr ein Traineeship absolvierst, ist doch klar, dass eine Übernahme nur selten das Ziel ist. Die Unternehmen wollen i.d.R. niemand zur Führungskraft von morgen ausbilden. Deshalb kritisiere ich vor allem die leeren Versprechungen und die Arbeitsbedingungen – und das niedrige Gehalt als Trainee.“
Es gäbe genug Beispiele, die zeigen würden, dass man auch ohne ein Trainee-Programm oder ein Volontariat einen gut bezahlten Job finden könne, so Katja weiter. „Meiner Meinung nach sind solche Stellen der letzte lange Arm der Generation Praktikum und ich bin der Meinung, dass das gesetzlich abgeschafft werde sollte, denn niemand braucht nach Jahren an der Uni noch eine Ausbildung zum Mindestlohn-Tarif“, betont sie.
Der Einstieg in den Beruf
Trotz aller Schwierigkeiten beim Start: Ist der Einstieg in den Beruf erst einmal geschafft, wird es deutlich leichter – auch für Geisteswissenschaftler. Diese Erfahrung hat auch Katja gemacht: „Schon nach 1,5 Jahren Berufserfahrung werde ich jetzt häufiger auf Xing und LinkedIn mit Jobangeboten und Aufforderungen zur Bewerbung angeschrieben und verdiene mit einem Bachelor in meinem Job jetzt 2.950 Euro brutto. Klar, das ist nicht zu vergleichen mit den Einstiegsgehältern von Ingenieuren, aber für mich ist das nach zahlreichen unbezahlten Praktika in Online- und TV-Redaktionen während des Studiums und über einem Jahr als Mindestlohn-Trainee eine Entwicklung.“
Ob sie noch einmal eine Trainee-Stelle annehmen würde? Ja, sagt Katja, „obwohl es für ein Traineeship an sich meines Erachtens nach keinerlei positive Punkte gibt, die dafür sprechen. Ich ‚musste‘ es eben – wie viele andere – absolvieren, da ich sonst überhaupt keinen Fuß in die Türe bekommen hätte.“
Die Doppelmoral im Kulturbetrieb
Auch Nancy Heberl* kann dieser Art der „Ausbildung“ nur wenig abgewinnen. Die studierte Politikwissenschaftlerin findet, dass sich am Volontariat- und Trainee-System dringend etwas ändern muss: „Ich würde mir wünschen, dass tatsächlich die Form Volontariat als solche reformiert wird. Volontariate haben im privatwirtschaftlichen Bereich nichts verloren und werden häufig missbraucht, um z.B. das Mindestlohngesetz zu umgehen und eine billige Arbeitskraft zu haben“, so Nancy.
Für ihr Studium hatte sie sich entschieden, weil sie es auch schon zu Schulzeiten spannend fand, sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Auch in ihren Praktika, von denen sie während des Studiums insgesamt vier absolviert hat, fokussierte sie sich auf das Themenfeld Kulturpolitik/ Kulturverwaltung. „Die Praktika habe ich immer anhand der Zielsetzung ausgewählt, dass ich den Wunsch habe, mich auch im späteren Beruf mit diesen Themen zu beschäftigen. Wie sollten die politische und institutionellen Rahmenbedingungen für kulturelles Schaffen gestaltet sein? Wie sieht gute Kulturpolitik aus? Das waren die Fragestellungen, die ich in jedes Praktikum mitgenommen habe“, so Nancy.
Der Übergang vom Studium ins Volontariat verlief für Nancy übrigens fast nahtlos und unproblematisch. „Das Vorstellungsgespräch für das Volontariat bei einer Kulturberatung war eines meiner ersten Bewerbungsgespräche. Einen Monat nach Studienabschluss konnte ich bereits im neuen Job starten“, so Nancy. Die anfängliche Freude über den schnellen Berufseinstieg verflog aber relativ schnell, als klar wurde, was innerhalb des 1-jährigen Volontariats alles auf sie zukommen würde: „Es wurden teilweise 10-Stunden-Tage erwartet. Alles immer mit der Begründung, dass es ja alleine eine große Ehre sei für das Unternehmen tätig werden zu dürfen und Strukturen mit aufzubauen. Die Volontäre waren in dem Unternehmen gewissermaßen Freiwild“, berichtet Nancy.
Vorsicht bei ungeregelten Strukturen im Volontariat
Als zusätzliche Belastung kam hinzu, dass Nancy während des Volontariats innerhalb Deutschlands umziehen musste, da sie beide Standorte des Unternehmens kennenlernen sollte. „So bin ich aufgrund des Volontariats gewissermaßen dreimal umgezogen“, wie Nancy erzählt. „Ich habe für die Tätigkeit mein persönliches Umfeld verlassen müssen. Aus der heutigen Sicht habe ich da mehr Prinzipien, aber als Berufseinsteiger fehlt einfach das Standing, was in diesem speziellen Fall dazu führte, dass der Arbeitgeber das konsequent ausgenutzt hat“, so Nancy. Der Umzug stellte außerdem auch eine massive finanzielle Belastung für sie dar, da sie nur 1.150 Euro brutto verdiente, ca. 900 Euro netto. Finanzielle Unterstützung für den geforderten Umzug habe sie von ihrem Arbeitgeber erst erhalten, nachdem sie diese mehrmals eingefordert habe.
Strukturiert war das Volontariat besonders dahingehend, dass von den Volontären erwartet wurde, für die Start-Up-ähnliche Kulturberatung Umsatz zu generieren, so Nancy. „Es ging also an erster Stelle nicht um mich als Volontär, sondern allein um den finanziellen Erfolg des Unternehmens. Daran wurde auch meine Arbeit gemessen. Ich bin komplett enttäuscht von dem Ablauf des Volontariats“, berichtet sie. Statt einer fundierten fachlichen Ausbildung, hätte sie 50 Prozent ihres Volontariats mit der Akquise von neuen Aufträgen verbracht, so Nancy weiter. „Telefonieren habe ich somit bestimmt gelernt, aber das sollte ja nun wirklich keine Zielmarke für einen Berufseinsteiger sein“, betont sie.
Auch hinsichtlich der Weiterbildungsmöglichkeiten wurde Nancy enttäuscht. „Im Vertrag wurden sog. Bildungstage versprochen. Hätte ich diese jedoch nicht immer wieder konsequent eingefordert, hätte mein damaliger Arbeitgeber mir niemals diese Tage bezahlt bzw. mich freigestellt“, wie sie einräumt. Letztendlich konnte sie immerhin an Veranstaltungen wie Bundesvolontärstagungen teilnehmen. Nancy empfand diese zwar als nicht besonders hilfreich, da sich ihr Volontariat bei der Kulturberatung doch erheblich von denen in öffentlichen Einrichtungen und insbesondere Museen unterschied. „Dennoch war es gut, Menschen zu treffen, die ebenfalls mit einer Leidenschaft im Kulturbereich gestartet sind und auch recht desillusioniert waren. So konnte man sich gegenseitig den Rücken stärken“, so Nancy.
Bessere Strukturen für Berufseinsteiger
Rückblickend würde sie sich übrigens auf keinen Fall noch einmal für ein Volontariat entscheiden, wie sie sagt: „Ich würde mit dem heutigen Wissen kein Volontariat mehr machen und nie wieder für einen schlecht bezahlten Job so sehr in Vorleistung gehen“, so Nancy. Die Erfahrung im Volontariat hätte sie außerdem für Arbeitnehmerfragen sensibilisiert, wie sie berichtet: „Bereits nach wenigen Wochen im Volontariat bin ich einer Gewerkschaft beigetreten, weil ich meine Felle hab davon schwimmen sehen. Das perfide ist, dass die Personen, die in dem Unternehmen Verantwortung tragen, sich in anderen Position für gerechte Praktika etc. einsetzen und sich als ‚Berater‘ für Berufseinsteiger geben. Diese Doppelmoral ist es, die wirklich schädlich für den Kulturbetrieb ist.“
Vor diesem Hintergrund sieht sie es als besonders wichtig an, dass mehr für Volontäre getan werden muss. Nancy betont: „Berufseinsteiger müssen gestärkt werden bzw. sich gegenseitig stärken, um gerade in kleinen Strukturen, in denen es keine Arbeitnehmervertretungen gibt, nicht direkt verbrannt zu werden.“
* Beide Interviewpartner haben darum gebeten, ihre Namen zu anonymisieren.
Header-Bild: Angelika Schoder, 2018
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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