Dan Flavin: Im Licht der Leuchtstoffröhren

In der Ausstellung „Widmungen aus Licht“ zeigt das Kunstmuseum Basel die Werke des US-amerikanischen Künstlers Dan Flavin, der als Pionier der Minimal Art gilt. Im Mittelpunkt stehen dabei seine Arbeiten, die er historischen Ereignissen und diversen Kunstschaffenden widmete.

Mit der Ausstellung "Widmungen aus Licht" feiert das Kunstmuseum Basel den Künstler Dan Flavin, einen unfreiwilligen Pionier der Minimal Art.

[Rezension] Der US-amerikanische Künstler Dan Flavin (1933–1996), der für seine Arbeiten mit Leuchtstoffröhren bekannt wurde, gilt heute als Pionier der Minimal Art. Flavin brach traditionelle künstlerische Konventionen, als er in den 1960er Jahren handelsübliche Leuchtstoffröhren zur Kunst erklärte. Die Integration kommerzieller Standardprodukte in die Kunstwelt prägte die Minimal Art, in der Serialität, Reduktion und Sachlichkeit im Mittelpunkt standen. Flavin, ein Autodidakt, wurde zu einem der prominentesten Vertreter dieser Kunstrichtung erklärt – obwohl er sich selbst überhaupt nicht als Teil dieser Kunstströmung sah. In der Ausstellung „Widmungen aus Licht“ stellt das Kunstmuseum Basel nun die Arbeiten von Dan Flavin in den Mittelpunkt, die er bestimmten Ereignissen oder auch anderen Kunstschaffenden widmete. Der begleitende Ausstellungskatalog bietet ergänzend nicht nur eine Übersicht über zentrale Arbeiten des Künstlers, sondern auch einen vertieften Blick in die Hintergründe der Entstehung seiner Werke.


„Ich kann die gewöhnliche Lampe aus ihrem Gebrauch herausnehmen und in eine Magie versetzen, die an antike Mysterien anrührt. Und trotzdem bleibt es eine Lampe, die wie jede andere Lampe ihrem Tod entgegenbrennt.“ [1]

Dan Flavin

Die Leuchtstoffröhre als Kunstgegenstand

Bereits seit den frühen 1960er Jahren arbeitete Dan Flavin mit Leuchtstoffröhren, die er in sogenannten „Situationen“ arrangierte und für Serien und Installationen nutzte. Die Farben und Dimensionen seiner Materialien waren dabei industriell vorgegeben; für Abwechslung sorgten nur die unterschiedlichen architektonischen Räume und sozialen Umgebungen, in denen der Künstler seinen Lichtinstallationen platzierte. Im Schein von Flavins bunten Leuchtstoffröhren wurde das Publikum selbst zum Teil des Kunstwerks – allerdings ganz anders als bei seinen künstlerischen Zeitgenossen, wie etwa bei den Happenings von Yayoi Kusama oder bei Performances von Stephen Cripps. Bei Flavin entsteht die Interaktion mit dem Publikum statt dessen auf passive Art, indem seine Werke den Raum und dessen Besucher in buntes Licht tauchen, auf die Stimmung wirken und fast schon ein immersives Kunsterlebnis bieten.

Die Ausstellung „Widmungen aus Licht“ im Kunstmuseum Basel konzentriert sich nun auf Flavins Arbeiten, die bestimmten Ereignissen oder Personen gewidmet sind, darunter auch das Werk „untitled (in memory of Urs Graf)“ von 1975, das an den Schweizer Renaissance-Künstler Urs Graf erinnert und den Innenhof des Kunstmuseums in buntes Licht taucht. Im Mittelpunkt der Ausstellung, die im Neubau des Museums beginnt und sich stellenweise bis zum Hauptbau ausbreitet, stehen die Erzählstrategien des Künstlers. Der Rundgang durch Flavins Schaffen bietet dabei auch die Gelegenheit, einige Werke zu sehen, die bisher noch nie in Europa ausgestellt wurden, etwa aus der Sammlung des Guggenheim Abu Dhabi, aus dem Nachlass, der vom Dan Flavin Estate verwaltet wird, oder aus dem Museum of Modern Art in New York.


„Glücklicherweise fehlten mir verschiedenartige, voreingenommene Ausbildungen an Kunstakademien. Mühsam setzte ich meine eigene künstlerische ‚Erziehung‘ durch.“ [2]

Dan Flavin

Künstlerische Anfänge

Dan Flavins Interesse für Kunst entwickelte sich ungewöhnlicherweise während seines Militärdienstes, den er ab 1953 bei der US-Luftwaffe absolvierte. Während seiner Stationierung auf dem Luftwaffenstützpunkt Roslyn in East Hills, New York besuchte er diverse Kunstgalerien in der Stadt und lernte zeitgenössische Künstler wie Albert Urban oder George Segal kennen, ebenso wie bekannte Galeristen wie Richard Bellamy oder Ivan Karp. Zudem nahm Flavin an Kunstkursen teil, unter anderem an der Hans Hofmann School of Fine Arts.

Im Jahr 1957 begann Dan Flavin dann ein Studium der Kunstgeschichte an der Columbia University in New York City und fertigte Zeichnungen, Aquarelle und Assemblagen an. Nebenbei arbeitete er in der Poststelle des Solomon R. Guggenheim Museum, wo er in Kontakt mit diversen Akteuren aus der Kunstwelt kam, die ihn in seinem späteren Leben als Künstler begleiten sollten, etwa der Maler Ward Jackson. Ihm widmete Flavin eines seiner frühesten Werke, „Apollinaire wounded (to Ward Jackson)“, eine Assemblage aus Gips, Holz, Öl, Bleistift und einer zerdrückten Aluminiumdose.

Ab 1959 begann Flavin dann als Aufsicht im Museum of Modern Art, New York zu arbeiten. Auch hier lernte er spätere wichtige Wegbegleiter kennen, etwa den Künstler Sol LeWitt. Auch die Ausstellungen im Museum inspirierten ihn, insbesondere „The Art of Assemblage“ 1961 und Werke des abstrakten Expressionismus, etwa von Mark Rothko. 1961 zeigte Flavin seine erste Einzelausstellung in der New Yorker Judson Gallery; im gleichen Jahr heiratete er die Kunstgeschichte-Studentin Sonja Severdija, die er bei der Arbeit im Museum of Modern Art kennengelernt hatte. In den kommenden Jahren widmete Flavin seiner Frau zahlreiche Kunstwerke, etwa das 1963 entstanden Werk „four red horizontals (to Sonja)“, bei dem Leuchtstoffröhren zum Einsatz kamen. Erst kurz zuvor hatte er damit begonnen, Glühbirnen und Leuchtstoffröhren für seine Arbeiten zu nutzen. [3]


„Flavins Anordnungen von Leuchtstoffröhren im Innen- oder angrenzenden Außenraum der Galerie funktionieren nur im Kontext der Installation. Nach der Ausstellung hören sie auf, künstlerisch zu funktionieren.“ [4]

Dan Graham, Artforum

Künstlerische Widmungen

Im Jahr 1963 sorgte Dan Flavin mit „diagonal of May 25, 1963 (to Constantin Brancusi)“ für Aufsehen in der Kunstwelt. Das Werk besteht nur aus einer gelben Leuchtstoffröhre, die in einem 45-Grad-Winkel an einer Wand befestigt ist. Gewidmet ist es dem Bildhauer Brancusi, von dessen Skulptur „Säule der Unendlichkeit“ (1938) sich Flavin inspirieren ließ. Eine Version in Weiß widmete der Künstler kurz darauf dem Kunsthistoriker Robert Rosenblum, dessen Kurse er an der Universität besucht hatte. Diese Werke, die zeigen, dass eine Leuchtstoffröhre ein für sich allein stehendes Kunstwerk sein kann, erinnern an den künstlerischen Ansatz von Marcel Duchamp und das Konzept der Readymades. Wie Duchamp griff auch Flavin auf standardisierte, kommerziell verfügbare Objekte zurück. In Flavins Fall waren es zunächst gerade Leuchtstoffröhren in den Längen von 61 bis 244 cm, ab 1972 auch Ringleuchten, die in vorgegebenen Farben verfügbar waren: Rot, Blau, Grün, Pink, Gelb, UV und vier verschiedene Weißtöne.

Öffentlich erstmals zu sehen waren Flavins Werke mit elektrischem und fluoreszierendem Licht im Jahr 1964 in der New Yorker Kaymer Gallery. Der Ausstellung mit dem Titel „dann flavin. some light“ folgte die von Flavin organisierte Gruppenausstellung „Eleven Artists“, in der er Werke von Künstlerfreunden zeigte, etwa von Donald Judd, Frank Stella oder Sol LeWitt. Auch seine eigenen Arbeiten waren hier zu sehen, etwa seine Installation „alternate diagonals of March 2, 1964“, der er später die Widmung „(to Don Judd)“ hinzufügte. Im gleichen Jahr war auch Flavins erste Einzelausstellung zu sehen, in der er nur Werke aus Leuchtstoffröhren präsentierte. Unter dem Titel „dan flavin. fluorescent light“ waren in der New Yorker Green Gallery unter anderem Arbeiten wie „primar picture“ (1964) oder „pink out of corner (to Jasper Johns)“ (1963) zu sehen.

In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche weitere Werke, die Dan Flavin bekannten Künstlern widmete, etwa „untitled (to Henri Matisse)“ oder die 50 Varianten umfassende Werkreihe „monuments“, die zwischen 1964 bis 1990 entstand und dem russischen Konstruktivsten Wladimir Tatlin gewidmet ist. Neben diesen Werken, die sich an Personen orientieren, schuf Flavin auch zahlreiche politische Arbeiten, wie etwa „Monument 4 for those who have been killed in ambush (to P.K. who reminded me about death)“ (1966), als Zeichen gegen den Vietnamkrieg und mit Verweis auf seinen Freund, den Fotograf Paul Katz. [5]


„Er hat die Glühbirne, die ein Gegenstand ist, in ein intuitives Medium verwandelt, so als wäre sie Farbe oder Leinwand oder Buntstifte oder Stahl oder ein Stahlträger, und er hat diesen Gegenstand, dieses Material, in etwas Persönliches verwandelt, um eine Aussage zu machen, die über das Material als formales Material hinausgeht.“ [6]

Barnett Newman

Unfreiwilliger Pionier der Minimal Art

Zahlreiche Arbeiten von Dan Flavin, der unter anderem bei der documenta 4 1968 in Kassel ausstellte, ebenso wie 1970 bei der Biennale di Venezia oder 1975 in Basel im Kunstmuseum und in der Kunsthalle, versammelt nun das Kunstmuseum Basel in der Ausstellung „Widmungen aus Licht“. Die Schau, zusammen mit der begleitend erschienenen Publikation, bietet einen umfangreichen Einblick in das Leben und Werk eines Pioniers der Minimal Art.

Dieser Zuweisung kann sich Dan Flavin heute nicht mehr entziehen – auch wenn er dies bereits zu Lebzeiten versucht hatte. Als er eingeladen wurde, sich 1967 in Den Haag an einer Minimal-Art-Ausstellung zu beteiligen, bezeichnete er dies als unangemessen und betonte: „Es erfreut mich nicht, wenn meine Kunst als diejenige irgendeiner zweifelhaften, komischen, epithetischen, proto-historischen ‚Bewegung‘ bezeichnet wird.“ [7]


Der Begleitband zur Ausstellung „Dan Flavin. Widmungen aus Licht“, herausgegeben von Josef Helfenstein und Olga Osadtschy mit Elena Degen für das Kunstmuseum Basel, ist 2024 im Verlag Walter König erschienen (ISBN: 978-3-7533-0595-0). Die Publikation enthält, neben Werkabbildungen, einer historisch kontextualisierten Biografie und einem Text des Künstlers, auch Beiträge von u.a. Simon Baier, Elena Degen, Jules Pelta Feldman, Arthur Fink, Josef Helfenstein, Aden Kumler, Daniel Kurjakovic, Olga Osadtschy und Mechtild Widrich.


Dan Flavin. Widmungen aus Licht

Kunstmuseum Basel, Neubau
02.03.-18.08.2024


Header-Bild: Angelika Schoder – Dan Flavin: „untitled (in memory of Urs Graf)“ (1972/1975), Innenhof des Hauptbaus des Kunstmuseum Basel, 2019


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Dan Flavin: Tagebucheintrag vom 18.08.1962. Zitiert nach: Barbara Rose: ABC Art. In: Dies.: Autocritique, Essays on Art and Anti-Art, 1963-1987 (1988). Übersetzt in: Georg Stemmerich, Minimal Art. Eine kritische Retrospektive (1996), S. 305.

[2] Dan Flavin: Ein wenig mehr Information… (für Sabine). In: Neue Anwendungen fluoreszierenden Lichts mit Diagrammen, Zeichnungen und Drucken von Dan Flavin. Ausstellungskatalog Staatliche Kunsthalle (Baden-Baden, 26.02.-16.04.1989), S. 47.

[3] Dazu: Elena Degen: Biografisches und Historisches. Chronologie 1933-1996. In: Dan Flavin. Widmungen aus Licht, Hg.v. Josef Helfenstein, Olga Osadtschy mit Elena Degen, 2024, S. 223-226.

[4] Dan Graham: Art in Relation to Architecture / Architecture in Relation to Art. In: Artforum 17, Nr. 6 (Februar 1979), S. 22.

[5] Dazu: Elena Degen: Biografisches und Historisches. A.a.O., S. 227-230.

[6] Barnett Newman: Ansprache bei der Eröffnung von „fluorescent light, etc. from Dan Flavin“, am 12.9.1969 in der National Gallery of Canada. Zitiert nach: Chinati Foundation Newsletter 5, 2001, S. 15.

[7] Dan Flavin: some other comments… more pages from a spleenish journal. In: Artforum 6, Nr. 4 (Dezember 1967), S. 20-25. Zitiert nach: Elena Degen: Biografisches und Historisches. A.a.O., S. 231.


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