[Leitfaden] Die Art und Weise, wie heute in den Geisteswissenschaften publiziert werden kann, unterscheidet sich deutlich von den Publikationsarten, die es in der Vergangenheit gab. Ob man diese neuen Publikationsmöglichkeiten jedoch nutzen möchte, z.B. für seine Doktorarbeit, muss jeder (Nachwuchs-) Wissenschaftler letztendlich für sich selbst entscheiden. Denn auch wenn man digitale Publikationsangebote als „zeitgemäß“ bezeichnet, gilt nicht automatisch, dass die traditionellen Publikationswege damit als „unzeitgemäß“ abgetan werden können.
Online publizieren oder gedrucktes Buch beim Verlag?
Im Anschluss an meine Promotion stand ich vor der gleichen Frage wie alle in dieser Situation: Wie soll ich meine Doktorarbeit publizieren? Auf der Suche nach der für mich richtigen Antwort habe ich befreundete Wissenschaftler befragt und in Foren recherchiert. Die Ratschläge und Erfahrungsberichte, die ich als Rückmeldung auf meine Fragen bekam, waren je nach Generation unterschiedlich. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, meine Dissertation bei einem Verlag zu veröffentlichen, der das Buch sowohl gedruckt als auch als E-Book anbietet.
Mein Buch „Die Vermittlung des Unbegreiflichen: Darstellungen des Holocaust im Museum“ erschien im Februar 2014 im Campus Verlag. Für alle, die ebenfalls eine „unzeitgemäße“ Publikation in Betracht ziehen – in Kombination mit einer „zeitgemäßen“ Publikation als E-Book – habe ich 11 Schritte zusammengestellt, die man auf dem Weg zum Buch berücksichtigen sollte.
Auf die Schnelle publizieren
In vielen Ländern gilt die Promotion als abgeschlossen, sobald die mündliche Prüfung abgelegt wurde. In Deutschland hingegen muss die Doktorarbeit der (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit durch Vervielfältigung und Verbreitung zugänglich gemacht werden – erst wenn der entsprechende Nachweis hierüber erbracht ist, gilt die Promotion formal als abgeschlossen. [1] Der Zeit- und Arbeitsaufwand, der sich hinter der „Publikationspflicht“ verbirgt, ist besonders für Geisteswissenschaftler nicht zu unterschätzen – und er hängt stark von der Publikationsform ab, für die man sich entscheidet.
Sobald man vom jeweils zuständigen Prüfungsausschuss eine Vervielfältigungsgenehmigung für seine Dissertation erhalten hat, besteht die Möglichkeit, bei der Universität die in der Promotionsordnung geforderten Pflichtexemplare in gedruckter oder elektronischer Form auf Datenträgern (z.B. auf CD oder USB-Stick) einzureichen und der Universität das Recht zur weiteren Vervielfältigung zu übertragen. Dies ist eine der schnellsten Möglichkeiten, die Doktorarbeit zu veröffentlichen und den Promotionsprozess abzuschließen.
Die elektronische Publikation über die Uni-Bibliothek
Alternativ wird mittlerweile auch Geisteswissenschaftlern die Möglichkeit eingeräumt, die Arbeit auf den Bibliotheksserver der Universität (OPUS) als PDF hochladen zu lassen, wobei sogar verschiedene CC-Lizenzen gewählt werden können.
Diese Art der Publikation bringt viele Vorteile mit sich, denn es ist nicht nur die kostengünstigste Möglichkeit, da im Vergleich zur oben genannten Variante deutlich weniger Pflichtexemplare in gedruckter Form abgegeben werden müssen. Die Variante ist außerdem ebenfalls ein schneller Weg, um den Promotionsprozess formal abzuschließen und den akademischen Titel zu erhalten. Zudem können beliebig viele Grafiken abgebildet werden (ohne höhere Druckkosten für Bilder fürchten zu müssen). Auch können Videos, Animationen, Simulationen oder Programme eingebunden werden – was auch für Geisteswissenschaftler durchaus relevant sein kann.
Nach dem Hochladen ist die Doktorarbeit umgehend verfügbar, wird in Bibliothekskatalogen und -verbünden nachgewiesen und kann durch Volltextindizierung in Suchmaschinen gefunden werden.
Zu berücksichtigen ist bei dieser Publikationsform allerdings, dass auch wenn man der Universitätsbibliothek hier nur ein einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG einräumt, eine solche Veröffentlichung einer späteren Veröffentlichung in einem Verlag evtl. im Weg stehen kann, da viele Verlage häufig das ausschließliche Nutzungsrecht fordern – zumindest für einen bestimmten Zeitraum, der teilweise verhandelbar ist.
Die Publikation in einem wissenschaftlichen Verlag
Wieso entscheiden sich nach wie vor Geisteswissenschaftler für die „traditionelle“ Art der Veröffentlichung in einem Verlag – obwohl es die günstigere und schnellere Alternative gibt, die zudem noch i.d.R. Open Access ist?
Eine mögliche Antwort könnte darin liegen, dass an eine geisteswissenschaftliche Publikation auch heute noch oft der Anspruch gestellt wird, dass sie in einem möglichst renommierten wissenschaftlichen Verlag erscheinen sollte. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass nicht nur das akademische Umfeld nach dem Verlag fragt – auch wenn man außerhalb des Wissenschaftsbetriebs in der „freien Wirtschaft“ tätig ist, wird man oft auf den Verlag angesprochen bzw. danach gefragt, sobald die Promotion zur Sprache kommt.
Letztendlich gilt es, die Vorteile und Nachteile einer Veröffentlichung über die Unibibliothek gegen die einer Publikation in einem Verlag abzuwägen.
Von der Doktorarbeit zum Buch in 11 Schritten
Ist man noch dabei, eine Entscheidung zwischen einer Publikation der Doktorarbeit über die Universitätsbibliothek und einer klassischen Veröffentlichung in einem Verlag zu treffen – oder hat man sich bereits für letzteres entschieden – kann man 11 Schritten folgen, um den geeigneten Verlag zu finden und zunächst Verlagsangebote einzuholen:
1) Gutachten anfragen
Viele der größeren wissenschaftlichen Verlage benötigen für die Prüfung einer Publikationsanfrage die Dissertationsgutachten. Diese von seiner Universität in Kopie oder in elektronischer Form zur Verfügung gestellt zu bekommen, kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen, da die Anfrage der Gutachten teilweise von der Prüfungskommission geprüft werden muss. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, als ersten Schritt die Gutachten anzufragen.
2) Verlage ausfindig machen
Nun kann man damit beginnen, sich einen Überblick über mögliche Verlage zu verschaffen, indem man recherchiert, in welchen Verlagen die Publikationen erschienen sind, die man selbst für seine Dissertation genutzt hat. Wenn man sich an dieser Literatur orientiert, ist man auf einem guten Weg einen thematisch geeigneten Verlag zu finden, der auch den wissenschaftlichen Kriterien entspricht. Man sollte etwa 5-6 Verlage notieren.
3) Über Verlage informieren
Hat man mögliche passende Verlage ausfindig gemacht, sollte man auf deren Internetseiten nach den jeweiligen Publikationskriterien recherchieren. Werden Dissertationen in diesem Verlag überhaupt veröffentlicht? Passt die Thematik in das Verlagsprofil? Welche Informationen, Formulare und Unterlagen benötigt man für eine Publikationsanfrage? Anhand dieser Kriterien kann es sein, dass von den 5-6 im Voraus recherchierten Verlagen nur noch 3-4 Verlage übrig bleiben die in Frage kommen, da z.B. einige Verlage die Publikation einer Doktorarbeit ausschließen.
4) Vorab-Anfrage senden
Man sollte keinesfalls mehr als 4-5 Verlage anfragen, da jede Anfrage individuell formuliert sein sollte und dies mit einem gewissen zeitlichen Aufwand verbunden ist. Zudem ist diese Anzahl ausreichend, um eine gute Vergleichsbasis zu bekommen. Die Vorab-Anfrage per E-Mail sollte folgende Punkte enthalten:
- Titel der Arbeit
- Universität und Fakultät
- wann wurde die Arbeit an der Uni eingereicht und wann erfolgte die mündliche Prüfung
- Namen und Fachbereiche der Gutachter und vergebene Noten
- Umfang der Arbeit (Zeichen / inkl. Leerzeichen)
- in der Promotionsordnung genannte Mindestauflage
- in der Promotionsordnung genannte Referenzexemplare
Einige Verlage reagieren bereits auf die Vorab-Anfrage direkt mit einem Angebot. Hier ist Skepsis geboten und man sollte sich fragen, wie ein Verlag schon aufgrund dieser minimalen Angaben ein Publikationsangebot unterbreiten kann, ohne sich inhaltlich mit der Dissertation zu befassen.
5) Umfangreiche Anfrage senden
Insbesondere größere wissenschaftliche Verlage werden, wenn ihr Interesse aufgrund der Vorab-Anfrage geweckt wurde, weitere Unterlagen nachfragen. Hierzu zählen meist die Gutachten, das Inhaltsverzeichnis und die Einleitung. Teilweise wird auch die gesamte Dissertation angefragt. Zudem wird häufig ein direkter Ansprechpartner genannt, der die ausführliche Publikationsanfrage prüfen wird und mit dem man alle weiteren Fragen direkt besprechen kann.
6) Dran bleiben
Gerade größere Verlage benötigen oft länger, um eine Publikationsanfrage zu prüfen. Dissertationen stellen in einigen Verlagen nur einen kleinen Teil im Verlagsprogramm dar und haben daher intern keine Priorität. Auch wenn viele Verlage im Voraus angeben, dass die Prüfung der Anfrage in nur 6 bis 8 Wochen erfolgt, kann es auch deutlich länger dauern.
Ist die vom Verlag angegebene Zeit verstrichen, ohne dass sich der Verlag gemeldet hat, lohnt es sich in jedem Fall beim Verlag nachzufragen – am besten direkt bei dem Ansprechpartner, an den man die umfangreiche Anfrage (siehe Punkt 5) gesendet hat. In jedem Fall sollte man nachfragen, bis man eine Rückmeldung erhält.
7) Angebote prüfen
Unabhängig davon, ob man ein Verlagsangebot bereits nach der Vorab-Anfrage (siehe Punkt 4) oder nach der umfangreichen Anfrage erhalten hat, sollte das Angebot folgende Angaben umfassen:
- Auflagehöhe
- Ladenpreis des Buches (ca.)
- Bindungsart des Buches (Hardcover oder Softcover, ggf. noch andere Angaben zur Aufmachung)
- Preis pro Seite (Achtung: Nettopreis – die Mehrwertsteuer kommt hinzu)
- Preis pro Abbildung (s/w und ggf. in Farbe)
- geschätzter Buchumfang (Seitenzahlen)
- Anzahl der Autorenexemplare
- möglichst Nennung des Gesamtpreises ohne und mit MwSt.
- möglichst Auflistung des Leistungsumfangs des Verlages – z.B.: Erscheint das Buch auch als E-Book? Darf ich den Text nach einer Zeit Open Access veröffentlichen? Wie wird der Autor betreut? Übernimmt der Verlag das Lektorat (oder Korrektorat) und/oder die Formatierung oder muss dies der Autor übernehmen? Wo wird das Buch gemeldet und wie wird es beworben?
Fehlen Angaben, sollte man beim Verlag nachfragen, bis alle offenen Angaben beantwortet sind.
8) Angebote verhandeln
Einige Verlage bieten zunächst all inclusive-Leistungen an, hier sind Lektorat und Satz enthalten – entsprechend sind die zu zahlenden Druckkosten aber auch sehr hoch. Ist man in der Lage, sich selbst um Lektorat und Formatierung zu kümmern, lohnt es sich beim Verlag nachzufragen, ob man dies selbst übernehmen darf. Wenn der Verlag dem zustimmt, können die Druckkosten teilweise deutlich gesenkt werden.
Falls zunächst ein Hardcover und hochwertiges Papier angeboten werden, kann auch hier nachgefragt werden, ob ein Softcover möglich ist. Auch hierdurch können Kosten gesenkt werden, wenn der Verlag dem zustimmt bzw. wenn der Seitenumfang des Buches eine andere Bindungsart zulässt.
9) Angebote vergleichen
Anhand der in Punkt 7 genannten Angaben kann man die Publikationsangebote der Verlage gut vergleichen, wobei man abwägen muss, welche Aspekte einem besonders wichtig sind. Ist der Verlagsname wichtig bzw. möchte man unbedingt bei einem bestimmten Verlag erscheinen? Liegen einem Auflagenhöhe oder der Ladenpreis des Buches am Herzen, soll also das Buch möglichst erschwinglich für den Leser sein?
Legt man großen Wert auf eine hochwertige Ausstattung, z.B. ein Hardcover und/oder farbige Abbildungen in hoher Druckqualität? Bietet der Verlag das Buch auch als E-Book an? Kann ich den Text nach einer Zeit Open Access veröffentlichen? Oder soll es einfach nur möglichst kostengünstig sein? (Ist einem der letzte Punkt besonders wichtig, sollte man unbedingt über die Veröffentlichung über die Universitätsbibliothek nachdenken!)
10) Druckkostenzuschuss beantragen
Um einen Druckkostenzuschuss bei Förderinstitutionen beantragen zu können, der die eigenen Kosten reduziert, muss man sich meist bereits im Vorfeld für einen Verlag entschieden haben. Dem Verlag teilt man dann mit, bei welcher Förderstelle man einen Antrag stellen möchte. Entsprechend den Vorgaben der Institution, die den Antrag erhalten soll, erstellt der Verlag dann eine Kalkulation oder beteiligt sich an der Antragstellung.
Achtung: Die Entscheidung für einen Verlag kann unter Umständen Einfluss darauf haben, ob eine Förderstelle, z.B. eine Stiftung, einen Druckkostenzuschuss gewährt oder den Antrag ablehnt. Nicht nur man selbst sowie das Dissertationsthema und die Bewertung sollten dem Profil der Förderinstitution entsprechen – auch der Verlag, für den man den Druckkostenzuschuss beantragt, muss zur Förderstelle passen.
11) Entscheidung treffen
Sobald die Fördermöglichkeiten für die Publikation der Dissertation geklärt sind, kann man den Verlag um die Zusendung des Verlagsvertrags bitten. Wenn der Vertrag vorliegt, sollte man diesen genau prüfen und beim Verlag nachfragen, wenn Unklarheiten bestehen. Sobald man den Vertrag unterschrieben hat, sollte man den anderen Verlagen absagen, die ebenfalls ein Angebot unterbreitet haben.
Fazit zur Publikation der Dissertation
Es gibt viele Gründe, die Veröffentlichung der Doktorarbeit über die Universitätsbibliothek ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Publikation in einem wissenschaftlichen Verlag ist in jedem Fall mit erheblichen Kosten verbunden. Auch wer Druckkostenzuschüsse von Förderstellen einwerben kann, wird oft nicht 100 % der Kosten damit decken können. Mit einem Selbstkostenanteil im unteren bis mittleren 4-stelligen Bereich muss daher gerechnet werden. Erhält man keinen Druckkostenzuschuss von Förderstellen, können die Kosten bei einigen Wissenschaftsverlagen auch 5-stellig werden – z.B. bei umfangreich bebilderten Dissertationen von Kunsthistorikern.
Es gibt im Vergleich auch Verlage, die eine Publikation einer Doktorarbeit für nur wenige Hundert Euro anbieten. Hier ist äußerste Skepsis geboten! Im Zweifelsfall sollte man in der Unibibliothek nachfragen, wie diese Verlage eingeschätzt werden. Das Feedback der Bibliothekare sollte hier als Richtwert gelten. Und vielleicht überzeugt einen das Gespräch letztendlich dann doch sogar, die Dissertation nicht gedruckt zu publizieren, sondern digital über die Unibibliothek.
Header-Bild: Detail aus: Elseviers Monatsbulletin. Zeitschrift für Kunst und Literatur, Willem Pothast (1930-1940) – Rijksmuseum, RP-P-1939-926 – Public Domain
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnote
[1] Stock, Steffen; Schneider, Patricia; Peper, Elisabeth; Molitor, Eva (Hg.): Erfolgreich promovieren. Ein Ratgeber von Promovierten für Promovierende. Berlin 2006, S. 163
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