Fünf Herausforderungen für Museen bei der Ausstellungsplanung

Von Sammlungsobjekten, die im Depot schlummern, über zu komplizierte Beschriftungen, bis hin zu störanfälliger Technik: Bei der Ausstellungsplanung werden von Museen oft einige Herausforderungen nicht bedacht.

Von vergessenen Objekten über komplizierte Texte bis zu störanfälliger Technik: Bei der Ausstellungsplanung gibt es viele Herausforderungen.

[Debatte] Museen stehen bei der Konzeption von Ausstellungen vor vielfältigen Herausforderungen, die oft unterschätzt werden. Von kaum genutzten Sammlungsobjekten in Depots über unzureichende oder schwer verständliche Beschriftungen bis hin zu technischen Systemen, die störanfällig sind, gibt es zahlreiche Aspekte, die bei der Ausstellungsplanung berücksichtigt werden sollten. Wir beleuchten einige häufig übersehene Problemfelder und geben Denkanstöße, um Ausstellungen nicht nur effizient zu gestalten, sondern auch nachhaltig und besucherorientiert zu optimieren.


1) Zu viele Objekte werden im Depot ignoriert

In den Depots vieler Museen schlummern unzählige Objekte, die seit Jahren – manchmal sogar Jahrzehnten – nicht mehr öffentlich gezeigt wurden. Als Exponate könnten sie spannende Geschichten erzählen, ungewöhnliche Perspektiven eröffnen und eine willkommene Bereicherung für die Dauerausstellungen bieten. Doch zu oft bleiben die Objekte im Depot verborgen, während die Ausstellungsräume teils Jahre lang von einer fast unveränderten Präsentation dominiert werden.

Die Dauerausstellung bildet für viele Museen das Herzstück ihrer öffentlichen Präsentation. Sie zeigt die Highlights der Sammlung und vermittelt das zentrale Narrativ des Hauses. Doch auch die besten Exponate können ihre Strahlkraft verlieren, wenn sie über Jahre oder Jahrzehnte in der gleichen Inszenierung gezeigt werden. Ein Wechsel einzelner Objekte gegen originelle und vielleicht unerwartete Stücke aus dem Depot könnte die Ausstellung beleben und sogar das Stammpublikum neu begeistern. Ein solcher Austausch bietet nicht nur die Chance, weniger bekannte Objekte ins Rampenlicht zu rücken, sondern auch die Möglichkeit, die Narrative der Dauerausstellung regelmäßig zu hinterfragen und zu erweitern. Museen sollten viel häufiger mit Depotfunden experimentieren und die Gelegenheit nutzen, bisher unterrepräsentierte Perspektiven in den Fokus zu rücken.

Damit ein solcher Objektwechsel erfolgreich ist, braucht es allerdings eine durchdachte Strategie. Begleitende Kommunikation – etwa in Form von Vermittlungsangeboten oder Einblicken in den Auswahlprozess der Objekte – kann die Neugier des Publikums wecken und die Bedeutung der neuen Exponate verdeutlichen. Schließlich eröffnet der Blick ins Depot nicht nur neue Wege, die Sammlung zu präsentieren, sondern kann so auch die Verbindung zwischen dem Museum und seinem Publikum stärken. Denn gerade Vielfalt und Tiefe der Sammlung machen ein Museum unverwechselbar – und sollten nicht im Verborgenen bleiben.


2) Audioguides können einen Tunnelblick fördern

Audioguides haben sich in den letzten Jahrzehnten als wertvolles Werkzeug in der Museumsvermittlung etabliert. Sie bieten die Möglichkeit, komplexe Inhalte in leicht zugänglicher Form zu präsentieren und tragen dazu bei, Barrieren abzubauen – sei es sprachlich, kognitiv oder in Bezug auf Vorwissen. Besonders für Besuchende, die sich in einem neuen kulturellen oder thematischen Kontext bewegen, können Audioguides eine Brücke schlagen und den Zugang zu Sammlungen erleichtern.

Doch die Nutzung dieser Angebote bringt auch Herausforderungen mit sich. Ein Problem ist die selektive Wahrnehmung, die durch die vorgegebene Führung des Audioguides entsteht. Besuchende tendieren dazu, ihre Aufmerksamkeit auf die explizit thematisierten Objekte und Werke zu konzentrieren, während andere Exponate, die nicht Teil des Audioguide-Programms sind, übersehen oder sogar ignoriert werden. Das kann zu einer fragmentierten Erfahrung führen, die das eigentliche Ziel des Museumsbesuchs – ein umfassendes und selbstbestimmtes Erleben der Ausstellung – beeinträchtigt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Audioguide als Ersatz für eigene Reflexion oder Interpretation genutzt wird. Statt sich aktiv mit den Exponaten auseinanderzusetzen, folgt man passiv den vorgegebenen Informationen. Das kann den Eindruck erwecken, dass der Besuch eine „abgearbeitete Liste“ von Highlights ist, statt eine persönliche Entdeckungsreise durch die Ausstellung.

Um diesen negativen Effekten entgegenzuwirken, sollten Museen die Nutzung von Audioguides bewusst in ihre Vermittlungsstrategie integrieren. Eine Möglichkeit ist, ergänzende Formate anzubieten, die Besuchende dazu anregen, diese auch jenseits der Audioguide-Inhalte zu erkunden – etwa interaktive Stationen, thematische Karten oder andere Anreize, die eigene Perspektiven fördern. Ein gut gestalteter Audioguide sollte nicht nur informieren, sondern auch Neugier wecken und die Besuchenden dazu einladen, ihren Blick auf die gesamte Ausstellung zu richten.


3) Objektbeschriftungen sind oft zu kompliziert

Die Objekttexte und Wandbeschriftungen in einer Ausstellung zählen zu den zentralen Werkzeugen der Museumsvermittlung. Sie haben die Aufgabe, die Besuchenden zu informieren, zu inspirieren und einen Zugang zu den oft komplexen Geschichten hinter den Exponaten zu schaffen. Doch in der Praxis wird dieses Potenzial häufig nicht ausgeschöpft. Statt Neugier zu wecken, begegnet man oft nüchternen, überladenen oder zu technisch gehaltenen Texten, die eher abschrecken als anregen. Meist liegt das an der genutzten Fachsprache: Wissenschaftliche Präzision ist zwar wichtig, aber eine Überfrachtung mit Daten, Fachtermini oder chronologischen Details überfordert viele Besuchende. Zudem fehlt oft ein erzählerischer Ansatz, der die Objekte in einen größeren, lebendigen Kontext stellt.

Gute Objektbeschriftungen sollten nicht nur informieren, sondern auch emotional ansprechen und Fragen aufwerfen. Warum ist dieses Objekt einzigartig? Welche Geschichten stecken dahinter? Was verbindet es mit der Gegenwart oder den Besuchern selbst? Dabei kann eine klare, verständliche Sprache helfen, ebenso wie Humor, unerwartete Perspektiven oder interaktive Elemente wie QR-Codes für vertiefende digitale Inhalte. Eine zeitgemäße Beschriftung erfordert außerdem Flexibilität. Unterschiedliche Zielgruppen – von Schulklassen über fremdsprachigen Touristen bis hin zu Fachbesuchenden – bringen unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse mit. Mehrschichtige Ansätze, die Informationen in verschiedenen Tiefen oder Medienformaten bereitstellen, können dem gerecht werden.

Vor diesem Hintergrund stehen Museen vor der Herausforderung, ihre Texte nicht als Nebensache zu betrachten, sondern als integraler Bestandteil der Ausstellungsplanung. Denn die besten Beschriftungen sind solche, die den Funken der Begeisterung überspringen lassen und Besuchende dazu bringen, länger zu verweilen, genauer hinzusehen und über die Objekte und Themen der Ausstellung nachzudenken.


4) Technologie bringt nicht immer Mehrwert

Der Einsatz diverser digitaler Anwendungen hat in den letzten Jahren in Museen stark zugenommen. Virtual-Reality-Erlebnisse, Touch-Displays oder interaktive Monitore sollen den Besuchenden innovative Zugänge bieten und die Aktualität von Ausstellungen unterstreichen. Doch trotz der Faszination, die diese technischen Features ausstrahlen können, sind sie oft nicht so entscheidend – zumindest aus der Perspektive der meisten Besuchenden. Besucherbefragungen zeigen, dass Menschen quer durch alle Altersgruppen in der Regel die Inhalte einer Ausstellung höher bewerten als die Mittel, durch die sie vermittelt werden. Eine anschaulich erzählte Geschichte, eine spannende Ausstellungsgestaltung oder eine beeindruckende Objektpräsentation können genauso fesseln wie interaktive Displays – ohne die technischen und finanziellen Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Ein weiteres Risiko des Technologieeinsatzes ist die Gefahr technischer Probleme. Ein Touchscreen, der nicht reagiert, oder ein VR-Headset, das ausfällt, hinterlässt schnell einen negativen Eindruck, auch wenn die Ausstellung selbst gelungen ist. Solche Defekte lenken die Aufmerksamkeit vom Inhalt ab und führen zu Frustration bei den Besuchenden. Für die Museen bedeutet dies zusätzlichen Wartungsaufwand und Kosten, die oft besser in andere Bereiche investiert wären. Technologie sollte daher nur dann eingesetzt werden, wenn sie einen klaren Mehrwert bietet – etwa, wenn sie komplexe Inhalte auf eine Weise vermitteln kann, die mit analogen Methoden nicht möglich ist. Ansonsten gilt: Weniger ist oft mehr. Museen, die auf hochwertige, durchdachte analoge Vermittlung setzen, riskieren nicht, dass Besuchende etwas vermissen – im Gegenteil, sie schaffen ein zeitloses Erlebnis, das unabhängig von technischen Trends überzeugt. Letztlich zählt nicht die neueste Technologie, sondern die Fähigkeit, Inhalte lebendig, zugänglich und ansprechend zu präsentieren.


5) Replikate können besser als Originale sein

Replika und Faksimiles werden von einigen Museen kritisch betrachtet, da sie vermeintlich im Widerspruch zur Authentizität stehen, die in Ausstellungen vermittelt werden soll. Doch diese Sichtweise greift zu kurz. In vielen Fällen können Replikate eine sinnvolle Lösung sein, um den Besuchenden ein ansprechendes Ausstellungserlebnis zu bieten, ohne die konservatorischen Anforderungen der Originale zu gefährden. Was nützt die vermeintliche „Aura des Objekts“, wenn ein Exponat aufgrund seines Erhaltungszustands nur unter schlechten Lichtbedingungen gezeigt werden kann oder das Ausstellungspublikum es hinter dicken Glaswänden kaum wahrnehmen kann? Ein hochwertiges Faksimile oder ein gutes Replikat, das detailgetreu und gut zugänglich präsentiert wird, kann oft mehr vermitteln als das Original, weil es näher betrachtet und vielleicht sogar angefasst werden kann. Replika lassen sich so leichter in interaktive oder immersive Vermittlungskonzepte integrieren, da sie berührbar oder in aufwändigeren Inszenierungen eingesetzt werden können.

Ein weiteres Argument für Replikate liegt im Schutz des Originals. Seltene und empfindliche Objekte können durch klimatische Schwankungen, Licht oder mechanische Belastungen irreparablen Schaden nehmen. Ihre dauerhafte Ausstellung ist oft riskant, während ein Replikat oder Faksimile sowohl die Präsentation als auch die Bewahrung des Originals ermöglicht. Voraussetzung für den Einsatz von Replikaten ist dabei natürlich Transparenz: Das Museumspublikum sollte klar informiert werden, wenn sie eine Kopie sehen, und idealerweise die Hintergründe der Entscheidung erfahren. Diese Offenheit steigert nicht nur die Glaubwürdigkeit des Museums, sondern zeigt auch, dass der Schutz des kulturellen Erbes und die Vermittlung von Wissen gleichermaßen ernst genommen werden. Replikate sollten bei der Ausstellungsplanung daher nicht als Notlösung gesehen werden, sondern als ein modernes Werkzeug, um mache Objekte zugänglicher, verständlicher und oft eindrucksvoller zu präsentieren.


Header-Bild: Angelika Schoder – National Portrait Gallery, London 2024


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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