Im Rausch der Farben und Formen: Die Fondation Vasarely in Aix-en-Provence

Der Maler und Grafiker Victor Vasarely wurde als Mitbegründer der Op-Art bekannt. In der Fondation Vasarely in Aix-en-Provence kann man in die farbenfrohe Welt des Künstlers eintauchen.

Victor Vasarely gilt als Mitbegründer der Op-Art. In der Fondation Vasarely in Aix-en-Provence kann man in die Welt des Künstlers eintauchen.

[Pressereise] Die Fondation Vasarely in Aix-en-Provence ist ein Museum, in dem sich Kunst und Architektur zu einem einzigartigen Gesamtwerk aus Farben und Formen zusammenfügen. Der aus Ungarn stammende Künstler Vásárhelyi Győző, der unter dem Namen Victor Vasarely als Mitbegründer der Op-Art Kunstgeschichte schrieb, konzipierte das Museum Anfang der 1970er Jahre selbst. Seine Handschrift zeigt sich dabei in jedem Aspekt des Gebäudes, von der grafisch gestalteten Fassade aus schwarzen und weißen Aluminiumplatten bis hin zur wabenförmigen Struktur der 16 Ausstellungsräume und einer sechseckigen, von der Renaissance inspirierten Wendeltreppe.

Seit 1976 ist die Fondation Vasarely für die Öffentlichkeit zugänglich. Zunächst konzentrierte sich der Ausstellungsraum auf das Erdgeschoss, wo über 40 architektonische Installationen durch optische Täuschungen mit ihren leuchtenden Farben und geometrischen Formen die Betrachter in ihren Bann ziehen. Das Obergeschoss war ursprünglich für Forschungsbüros und Werkstätten vorgesehen. Heute Umfasst das Museum jedoch das gesamte Gebäude der Fondation Vasarely und gibt einen umfangreichen Einblick in das Leben von Victor Vasarely und seine künstlerischen Schaffensphasen im Laufe des 20. Jahrhunderts.


Die Fondation Vasarely am Stadtrand von Aix-en-Provence ist schon von weitem durch ihre auffällige grafisch gestaltete, schwarz-weiße Aluminiumfassade zu erkennen.
Die Fondation Vasarely am Stadtrand von Aix-en-Provence ist schon von weitem durch ihre auffällige grafisch gestaltete, schwarz-weiße Aluminiumfassade zu erkennen.

Vasarelys künstlerische Anfänge

Victor Vasarely (1906-1997) gilt als Pionier der Op-Art-Bewegung, die sich durch die Betonung von optischen Illusionen und geometrischer Abstraktion auszeichnet. Sein innovativer Ansatz prägte nicht nur die Kunst der Moderne, sondern suchte auch nach einer Verbindung zwischen Kunst und wissenschaftlichen Prinzipien der visuellen Wahrnehmung.

Vasarelys Weg führte ihn nicht direkt in die Welt der Kunst. 1925 begann er zunächst ein Medizinstudium an der Universität Budapest, das er jedoch nach zwei Jahren wieder abbrach. Eine analytische und methodische Denkweise sowie die wissenschaftlich orientierte Herangehensweise blieben ihm jedoch erhalten und sollten in Zukunft seinen Stil als Künstler entscheidend prägen. Seinen künstlerischen Einsteig fand Vasarely über ein Engagement bei Mühely (Die Werkstatt), einer vom Bauhaus inspirierten Institution unter der Leitung von Sándor Bortnyik. Hier beschäftigte er sich mit den Prinzipien des Konstruktivismus mit einem Schwerpunkt auf Abstraktion und geometrischer Präzision. Sein Interesse für die Kunst der Avantgarde führte Vasarely dann 1930 nach Paris. Hier etablierte er sich als Werbegrafiker, indem er kommerzielle Attraktivität mit künstlerischer Innovation verband, und arbeitete mit renommierten Agenturen wie Havas, Devambez und Draeger zusammen.

Zu einer privaten und künstlerischen Zäsur kam es, als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Als ungarischer Staatsbürger im besetzten Frankreich kämpfte Vasarely mit großer wirtschaftliche Not. Er verließ Paris und suchte Zuflucht in ländlichen Regionen wie Nièvre, um seine künstlerische Arbeit fortsetzten zu können. Nach seiner Rückkehr nach Paris wurde er 1944 Mitbegründer der Galerie Denise René. Diese Galerie wurde zu einem Zentrum für abstrakte Kunstschaffende und spielte eine entscheidende Rolle bei der Förderung der nicht-figurativen Kunst, einschließlich der aufkommenden Trends der kinetischen und optischen Kunst.


Im Mittelpunkt der Fondation Vasarely befindet sich eine von der Renaissance inspirierte doppelt in sich verschränkte Wendeltreppe.
Im Mittelpunkt der Fondation Vasarely befindet sich eine von der Renaissance inspirierte doppelt in sich verschränkte Wendeltreppe.

Der Vater der Op-Art

Vasarelys Erfahrungen während des Krieges verstärkten seinen Wunsch, eine Kunst zu schaffen, die sowohl intellektuell anspruchsvoll als auch universell zugänglich ist. In seinen Nachkriegswerken setzte er sich verstärkt mit abstrakter Geometrie und optischen Effekten auseinander. Insbesondere in den späten 1940er Jahren begann der Künstler zudem das Zusammenspiel von Geometrie und Bewegung zu erforschen. Dies alles wurde zur Grundlage für seine späteren Innovationen der Op-Art. Vasarelys Experimente mit transparenten Schichten und grafischen Durchzeichnungen führten zu dynamischen visuellen Effekten, den sogenannten Moiré-Mustern, die die Illusion von Tiefe und Bewegung erzeugten. So schuf er die „Tableaux Profonds Cinétiques“, die zeigten, wie überlappende geometrische Formen die visuelle Wahrnehmung manipulieren können.

1952 wendete sich Vasarely mit seiner „Hommage à Malévitch“ dann deutlich von der traditionellen Abstraktion ab und fügte seinem Werk kinetische Elemente hinzu, um die Wahrnehmung der Betrachtenden herauszufordern. In dieser Zeit setzte sich der Künstler aktiv mit zeitgenössischen Kunstströmungen auseinander, unter anderem mit den Werken von Alexander Calder und Jean Tinguely, deren kinetische Skulpturen ihn durch ihre visuelle Dynamik inspirierten. Gemeinsam mit Vertretern der Nouvelle École de Paris, einem Kollektiv abstrakter Künstler wie Hans Hartung, Gérard Schneider und Jean Dewasne, entwickelte Vasarely dann in den 1950er Jahren die Prinzipien der abstrakten und kinetischen Kunst weiter. Im Mittelpunkt standen dabei die wissenschaftlichen Grundlagen der visuellen Wahrnehmung und die psychologische Wirkung geometrischer Formen.

Im Jahr 1959 nahm Vasarely die französische Staatsbürgerschaft an und begann, einen systematischen Ansatz für seine Kunst zu entwickeln, den er als „Plastisches Alphabet“ bezeichnete. Dieses System nutzte geometrische Grundformen wie Kreise, Quadrate und Dreiecke sowie eine minimalistische Farbpalette, um komplexe, ineinandergreifende Muster zu schaffen, die mit der Wahrnehmung von Raum und Bewegung spielten. Im selben Jahr patentierte Vasarely die „Plastische Einheit“, eine Methode, welche die Schaffung von sich wiederholenden, skalierbaren und für die Massenproduktion geeigneten Mustern ermöglichte. Hierdurch konnten die künstlerischen Ideen Vasarelys in alltägliche Umgebungen wie Werbung, Textilien und öffentliche Räume integriert werden.

Als im Jahr 1964 das Time Magazin den Begriff Op-Art für die „optical art“ etablierte, wurde Vasarelys Werk schließlich zum Sinnbild dieser Bewegung, die sich durch kontrastreiche Muster, optische Täuschungen und eine Betonung der aktiven Rolle des Betrachters bei der Wahrnehmung des Kunstwerks auszeichnete. Insbesondere die Bildserie „Planetary Folklore“, aus der auch zahlreiche wichtige Werke in der Fondation Vasarely zu sehen sind, verkörpert diesen Ansatz.


Etwas Besonderes sind die komplexen mechanischen Schaukästen, die mit einem Schiebemechanismus eine Vielzahl von Werkstudien in der Fondation Vasarely zugänglich machen.
Etwas Besonderes sind die komplexen mechanischen Schaukästen, die mit einem Schiebemechanismus eine Vielzahl von Werkstudien in der Fondation Vasarely zugänglich machen.

Die Fondation Vasarely

Um ein Zentrum für Forschung, Bildung und Ausstellung optischer und kinetischer Kunst zu schaffen, rief Victor Vasarely in den 1970er Jahren eine Stiftung in Aix-en-Provence ins Leben. Das Centre Architectonique, das Gebäude der Fondation Vasarely, ist ein Beispiel für das Engagement des Künstlers, ästhetische Innovation mit wissenschaftlicher Strenge zu verbinden. Das in Zusammenarbeit mit den Architekten John Sonnier und Dominique Ronsseray entworfene Gebäude nutzt eine Grundrissstruktur aus sechseckige Zellen, um eine visuell anregende Umgebung zu schaffen, die die optischen Effekte der Kunstwerke widerspiegelt. Bis heute beherbergt das Gebäude die umfangreiche Sammlung von Vasarelys meterhohen Installationen und soll als lebendiges Labor für die laufende Erforschung des Zusammenspiels von Geometrie, Farbe und Wahrnehmung dienen.

Die Ausstellung im Obergeschoss des Museums in der Fondation Vasarely zeigt, wie Victor Vasarely Pionierarbeit auf dem Gebiet der Op-Art geleistet hat, die sowohl die Kunstwelt als auch die wissenschaftliche Erforschung der visuellen Wahrnehmung nachhaltig beeinflusst hat. Von Grafikdesign über Architektur bis hin zu kognitiver Psychologie, seine systematische Herangehensweise an geometrische Abstraktion und optische Täuschung zeigt ihre Spuren in diversen Disziplinen, bis hin zu zeitgenössischer digitaler Kunst und Virtual Reality.


Das Gebäude der Fondation Vasarely ist in allen Aspekten mit geometrischen Formen gestaltet, vom Grundriss der Ausstellungsräume über das Treppenhaus bis hin zur Fensterverglasung.
Das Gebäude der Fondation Vasarely ist in allen Aspekten mit geometrischen Formen gestaltet, vom Grundriss der Ausstellungsräume über das Treppenhaus bis hin zur Fensterverglasung.

Victor Vasarely: Von Grafikdesign bis Op-Art

Der Ausstellungsrundgang in der Fondation Vasarely folgt den entscheidenden Phasen der Karriere des Künstlers und beleuchtet seine Beiträge zum Grafikdesign, zur kinetischen Kunst und die Entwicklung seiner eigenen visuellen Sprache. Der Abschnitt zur „Grafischen Periode“ (1929-1946) wirft dabei einen Blick auf Vasarelys formale künstlerische Ausbildung, die 1929 bei Muhëly begann, dem Budapester Pendant zum Bauhaus. In dieser Zeit schuf er Werke wie die „Blaue Studie“ und die „Grüne Studie“ (1929), die den Grundstein für seine künftigen Erkundungen der geometrischen Abstraktion legten. Auch erste Arbeiten aus seiner Zeit in Paris sind hier zu sehen, in der er bei renommierten Werbeagenturen als Grafiker arbeitete. Es folgt die „Periode der Irrwege“ (1935-1947), in der Vasarely mehr figurative Ansätze verfolgte und die er deshalb als seine „Irrwege“ bezeichnete. Beeinflusst vom Kubismus und Surrealismus schuf er Stillleben, Landschaften und Porträts, darunter Werke wie „Selbstporträt“ (1941) und „Der Blinde“ (1946). Obwohl diese Werke eher traditionell sind, zeigen sie sein ständiges Streben nach Vereinfachung und Schematisierung der Formen.

Vasarelys „Denfert-Periode“ (1951-1958) markiert dann eine deutliche Hinwendung zur Abstraktion, inspiriert von den Mustern in der Pariser Metro-Station Denfert-Rochereau. In dieser Zeit begann der Künstler mit geometrischen Formen und kontrastierenden Farben zu experimentieren, die zu grundlegenden Elementen seiner späteren kinetischen Werke wurden. In der parallel verlaufenden „Belle-Isle-Periode“ (1947-1958) versuchte sich Vasarely dann erstmals in der abstrakten Kunst. Er konzentrierte sich hier auf die Umwandlung von organischen Materialien in abstrakte, geometrische Formen. In der „Kristall-Gordes-Periode“ (1952-1958) vertiefte Vasarely zudem seine Beschäftigung mit geometrischer Abstraktion und axonometrischen Perspektiven, etwa in seinem Werk „Hommage an Malevitch“ (1952-1958). In diese Zeit fällt auch seine Zusammenarbeit mit dem Architekten Carlos Villanueva an der Universität von Caracas, der seine geometrischen Prinzipien in architektonische Entwürfe einfließen ließ.

Ebenfalls parallel widmete sich Vasarely in seiner „Schwarz-Weißen-Periode“ (1954-1960) wie in seiner Anfangszeit wieder grafischen Studien und linearen Netzwerken. Nun experimentierte er mit wellenförmigen Verformungen und axonometrische Perspektiven und schuf durch übereinander liegende Glasplatten dynamische „Photographismen“. Zu dieser Zeit formulierte er in seinem „Gelben Manifest“ auch das Konzept der „kinetischen Plastik“, mit Verweisen auf konstruktivistische Ideale und die Lehren des Bauhaus. 1960 markierte dann das Ende der „Schwarz-Weißen-Periode“, als Vasarely leuchtende Farben in sein geometrisches System einführte. In seiner „Periode der Planetarischen Folklore“ entwickelte der Künstler das „Plastische Alphabet“, eine systematische Herangehensweise, bei der zwei geometrische Elemente, etwa Kreise und Quadrate, ineinandergreifen und in verschiedenen Konstellationen kombiniert werden. Diese Methode zielte darauf ab, eine universelle visuelle Sprache zu schaffen, die seine Kunst über verschiedene Kulturen hinweg zugänglich und verständlich machen sollte. Um die Vielzahl seiner Entwürfe zum „Plastischen Alphabet“ in der Fondation Vasarely zu präsentieren, entwickelte der Künstler übrigens eigens für die Ausstellung komplexe mechanische Schaukästen mit einem Schiebemechanismus.

Von 1964 bis 1976 konzentrierte sich Vasarely in seiner „Hexagon-Periode“ auf sechseckige Strukturen, etwa in der Werkserie „Hommage an das Sechseck“. Die Bilder zeigen sechseckige Zellen mit wechselnden Farben und Tiefen, die eine Illusion der ständigen Bewegung erzeugen. In dieser Zeit verstärkte Vasarely übrigens auch sein Engagement für die Integration optischer Effekte in architektonische Formen. Mit seinen Entwürfen hierzu beteiligte sich der Künstler an der Ausstellung „Responsive Eye“ im Museum of Modern Art in New York im Jahr 1965, welche die Op-Art international bekannt machte. In seinem Spätwerk griff Vasarely in seiner „Vonal-Periode“ (1964-1970) seine früheren linearen Experimente wieder auf und ergänzte diese durch Farbe und kinetische Elemente, um ein Gefühl von Tiefe und Bewegung zu erzeugen. Ab 1968 entwickelt sich Vasarelys Werk zur „Periode der universellen expansiven regressiven Strukturen“, die durch die Verformung von Linien und die Schaffung von volumetrischen Formen gekennzeichnet ist. Seine „Vega“-Serie, zu der auch „Feny“ (1963) und „Vega 200“ (1968) gehören, erforscht kosmische und biologische Themen und versucht „galaktische und zelluläre Bewegungen“ in abstrakte Volumen zu übertragen. Diese Werke verkörpern Vasarelys Bestreben, dynamische, mehrdimensionale Räume darzustellen, die sowohl Naturphänomene als auch wissenschaftliche Prinzipien widerspiegeln.

Der Ausstellungsrundgang endet im Erdgeschoss des Museums mit 44 Monumentalwerken, die als „architektonische Integrationen“ in sieben 11 Meter hohen Ausstellungsräumen als Wandgemälde und Reliefs zu sehen sind. Wer die Ausstellung in der Fondation Vasarely besucht, wird spätestens hier verstehen, warum man manchmal Kunst nur wirklich erfahren kann, wenn man sie vor Ort erlebt. Auch wenn Vasarelys Werke in Büchern oder online faszinieren – es ist kein Vergleich dazu, sie in voller Größe im Museum zu sehen.


Fondation Vasarely

1, Avenue Marcel Pagnol
13096 Aix-en-Provence


Bilder: Angelika Schoder – Fondation Vasarely, Aix-en-Provence 2024


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Angelika Schoder

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