[Ausstellung] Mode ist seit einigen Jahrzehnten fester Bestandteil des Ausstellungsprogramms in Museen, sei es im Victoria & Albert Museum in London, das regelmäßig große Einzelausstellungen bekannter Designer zeigt, das Metropolitan Museum of Art in New York, das eigens das Costume Institute betreibt, oder aktuell der Zusammenschluss von sechs Pariser Museen, vom Louvre bis zum Centre Pompidou, die den Modeschöpfer Yves Saint Laurent mit einer Sonderausstellung ehren. Doch in Museen stehen nicht nur Designer im Mittelpunkt. Auch die Menschen, die die Mode tragen, geraten in den Fokus. So zeigte das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt im Jahr 2020 die Ausstellung „Life doesn’t frighten me“, in der Michelle Elie im Mittelpunkt stand, eine Designerin, die Kreationen des Modelabels Comme des Garçons trägt und sammelt. Und auch das MK&G, das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, widmet seine aktuelle Ausstellung „Dressed“ nun nicht den Designern von Mode sondern ihren Trägerinnen. Anhand von sieben Frauen führt das Museum durch rund 200 Jahre Mode-Geschichte.
Mode-, Emanzipations- und Zeitgeschichte
Im MK&G gehört Mode ganz selbstverständlich ins Sammlungsprogramm. So gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Ausstellungen zu Modethemen, etwa „Sports / No Sports“ im Jahr 2016. Nun stehen in der aktuellen Ausstellung „Dressed“ zwar auch bestimmte Modestile im Mittelpunkt, allerdings nähert sich das Museum dem Thema über die Trägerinnen der Kleidungsstücke an. Die Idee dahinter ist, dass Kleidung mit zu dem persönlichsten Besitz eines Menschen gehört und einem, im wahrsten Sinne des Wortes, besonders nahe ist. Mode, das will die Ausstellung zeigen, kann sowohl Kennzeichen der sozialen Zugehörigkeit sein, aber auch Mittel der Kommunikation und letztendlich ebenso Ausdruck einer Selbstgestaltung.
Insgesamt 200 Jahren Modegeschichte stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, exemplarisch dargestellt durch den Blick auf die Garderobe von sieben Frauen. Besucher begegnen in „Dressed“ sehr unterschiedlichen Akteurinnen, die nicht nur Konsumentinnen von Kleidung waren und sind, sondern für die Mode auch als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit gilt. Ein Blick auf ihre Biografien zeigt, dass auch Emanzipations- und Zeitgeschichte eng mit der Geschichte der Moden verwoben ist. Die Ausstellung hinterfragt dabei, wer was warum trägt und was so unterschiedliche Frauen wie eine Diplomaten-Gattin, eine Galeristin oder eine Punk-Designerin miteinander verbindet oder trennt, wenn es um Kleidung geht. Zudem geht die Ausstellung der Frage nach, welche Bekleidungsnormen und Dresscodes es gibt und wie diese von Faktoren wie Status, Alter, Anlass oder Körper beeinflusst werden.
Zwischen Alltag und Repräsentation
Die erste in der Ausstellung „Dressed“ vorgestellte Modeträgerin ist Elise Fränckel (1807-1898), Ehefrau eines Senators. Das Museum zeigt Stücke ihrer Garderobe von ca. 1824 bis 1850. Zu sehen ist ihr Brautkleid aus dem Jahr 1826, zudem zahlreiche elegante Accessoires, etwa Spitzenkragen, Kaschmirschals, ein Florentiner Hut und Handschuhe. Ihre Kleidung, die professionell angefertigt und teils aus anderen Ländern importiert wurde, zeigt, dass sie nicht nur eine Hausfrau war, sondern gemeinsam mit ihrem Mann auch Repräsentationspflichten nachkam.
In der Ausstellung folgt Edith von Maltzan (1886-1976). Ihre Garderobe, bestehend aus eleganter Tageskleidung und aufwändiger Abendmode, stammt aus den Jahren von ca. 1895 bis 1950. Schon als Jugendliche konnte sie, aufgrund ihrer wohlhabenden Familie, Mode im Ausland kaufen. Durch ihre Hochzeit mit dem Diplomaten Adolf Georg Otto von Maltzan verbrachte sie Zeit in Peking, Den Haag und Washington D.C., was auch ihren Stil beeinflusste. Edith von Maltzan wurde Teil des internationalen Jetsets und fand aufgrund ihrer modischen Erscheinung sogar immer wieder Erwähnung in der Presse. Die Auswahl ihrer Kleidungsstücke in der Ausstellung dokumentiert wichtige Stationen in ihrem Leben: ihr gesellschaftliches Debüt, die Heirat und schließlich das Leben als Witwe.
Die Garderobe von Erika Holst (1917-1946) aus den Jahren 1936 bis 1945 soll in der Ausstellung „Dressed“ die Funktion von getragener Kleidung als „Zeitspeicher“ verdeutlichen. Die Objekte spiegeln ihre Jugend im Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkriegs wieder: Material, Verarbeitung und Zustand der Kleidungsstücke dokumentieren die zu ihrer Zeit übliche Unterscheidung zwischen häuslicher Alltagskleidung, öffentlicher Tageskleidung und Garderobe für besondere Anlässe.
Von Prêt-à-porter bis Punk
Auf einen bestimmten Designer ausgerichtet ist die Garderobe von Elke Dröscher (*1941). Im Jahr 1968 kaufte die Hamburger Galeristin ihr erstes Kleidungsstück von Yves Saint Laurent; bis 1986 trug sie fast ausschließlich die Mode des französischen Designers. Er war Vorreiter von Prêt-à-porter; seine Entwürfe für eine etwas weiter angelegte Kundschaft waren auch in Hamburger Boutiquen erhältlich. Elke Dröscher gefiel vor allem die sportlich-elegante Tagesmode, insbesondere die Hosenanzüge erschienen gegen Ende der 1960er Jahre modisch revolutionär. Für die Galeristin standen die Entwürfe von Yves Saint Laurent, der den Pragmatismus von Männerkleidung auf elegante Damenmode übertrug, für die Verkörperung von „Power Dressing“. Sie nutzte die Mode, um ein bestimmtes Bild von sich selbst zu erschaffen, insbesondere im beruflichen Bereich.
Fast alle in der Ausstellung „Dressed“ präsenten Frauen ließen ihre Mode professionell anfertigen. Eine von ihnen setzte jedoch ihre eigenen Entwürfe um: Ines Ortner (*1968). Sie war seit Mitte der 1980er Jahre unter dem Spitznamen „Rapunzel“ in der Hamburger Punk- und alternativen Theaterszene aktiv. Das MK&G zeigt von ihr angefertigte Mode aus den Jahren 1985 bis 1999. Ines Ortner zerlegte Kleidung und setzte sie neu zusammen, bemalte und besprühte sie oder versah sie mit Löchern und Nieten. Ihre Designs sind dabei als Gegenentwurf zu konventioneller Mode zu verstehen, als geplante Provokation des Massengeschmacks. Ironischerweise sind die von ihr genutzten Materialien des Punk-Stils wie Nieten, Sicherheitsnadeln oder eine Ästhetik des Zerschlissenen heute längst selbst zum Mainstream geworden.
Ein Ausstellungsabschnitt ist Angelica Blechschmidt (1941-2018) gewidmet. Zu sehen sind Kleidungsstücke von ihr aus den Jahren 1985 bis 2004. Als Chefredakteurin der deutschen Ausgabe von Vogue prägte sie den Modegeschmack von Tausenden Frauen in Deutschland. Sie wurde mit ihrem unverwechselbaren Look, bestehend aus schwarzem Cocktail-Kleid, High Heels, auffälligen Accessoires und toupierter dunkler Frisur mit weißer Strähne, sogar selbst zur international bekannten Stil-Ikone.
Schließlich zeigt das MK&G auch Avantgardemode aus der Sammlung von Anne Lühn (*1944). Es sind Entwürfe, die zwischen 1985 und 2020 entstanden, ergänzt um Accessoires aus der ersten Hälfte des 20. Jhd. Der Schwerpunkt liegt auf japanischem Modedesign von Rei Kawakubo, Yohji Yamamoto und Issey Miyake sowie auf der Antwerpener Schule, allen voran Martin Margiela. Einige Kleidungsstücke sind eher Objekt als Kleidung; nicht alles was in diesem Ausstellungsabschnitt zu sehen ist, wurde von Anne Lühn selbst getragen. In erster Linie betrachtet die Sammlerin die Stücke als Design-Objekte; sie fasziniert Kleidung, die funktional ist, aber den Körper auch uminterpretiert – am liebsten in Schwarz.
Am Ende der „Dressed“-Ausstellung findet sich noch das digitale Format „Modegeschichten“. Hier erzählen verschiedene Menschen in Filmbeiträgen von ihrer persönlichen Verbindung zur Mode.
Dressed. 7 Frauen – 200 Jahre Mode
25.2.22 – 28.8.22
MK&G – Museum für Kunstund Gewerbe Hamburg
Bilder: Angelika Schoder – Dressed. 7 Frauen: 200 Jahre Mode, MK&G Hamburg, 2022
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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