[Debatte] Zur Night of Light wurden zahlreiche Gebäude in ganz Deutschland in leuchtendem Rot angestrahlt. Eine Alarm-Farbe, die auf die kritische Situation der Kultur- und Veranstaltungsbranche aufmerksam machen sollte. Viele Orte der Event-Kultur sind durch die Corona-bedingte Schließung in Existenznot geraten. Einige Locations stehen sogar vor dem Aus, wenn sie nicht zeitnah finanzielle Unterstützung erhalten. Die Night of Light setzte hier ein Aufsehen erregendes Zeichen.
Stillstand des öffentlichen Kulturlebens
Mitte März 2020 kam das kulturelle Leben in Deutschland zum Erliegen. Grund war das COVID-19-Virus. Um dessen Ausbreitung zu verhindern, mussten alle Orte des öffentlichen Lebens geschlossen werden. Betroffen waren alle Event-Locations, vom kleinen Veranstaltungsort bis zur Location für Massenveranstaltungen. Poetry Slammer konnten nicht mehr in Clubs auftreten, Autorinnen konnten nicht mehr in Buchhandlungen eine Lesung halten, Bands konnten nicht mehr bei Dorffesten auftreten und DJs wurden nicht mehr für große Hochzeiten gebucht. Aber auch Stadien und Arenen mussten leer bleiben, Musikfestivals mussten in diesem Jahr ausfallen und Sport-Events mussten um Monate oder sogar auf das kommende Jahr verschoben werden.
Die Situation bringt nicht nur die Kunstschaffenden selbst in finanzielle Notlagen. Ob StandUp-Comedians, Musiker oder Theaterschauspieler – es sind nicht nur diejenigen, die auf der Bühne stehen, die betroffen sind. Betroffen sind auch die Orte, an denen Kultur stattfindet. Sie beschäftigen Kassenpersonal, Theken- und Reinigungskräfte, Technisches Personal und andere Servicekräfte. Wenn eine Location geschlossen hat, muss das fest angestellte Personal in Kurzarbeit geschickt werden und Minijobbern oder Freelancern kann keine Perspektive geboten werden. Diese Situation setzt sich im Event-Bereich noch immer fort. Während die Gastronomie – unter gewissen Auflagen – teils den Betrieb wieder aufnehmen konnte, bleiben Events weiterhin untersagt.
Museen als Event-Locations
Das weiterhin andauernde Veranstaltungsverbot trifft nicht nur Clubs und Konzertveranstalter, sondern auch Museen. Diese durften zwar vor einigen Wochen wieder öffnen und Einzelbesucher empfangen, doch Events, die für mehr Einnahmen sorgen würden, sind weiterhin nicht möglich. Gemeint sind damit nicht nur Gruppenführungen und pädagogische Angebote für Schulkinder. Auch andere Veranstaltungen, die von vielen Institutionen als Rahmenprogramm zu laufenden Ausstellungen konzipiert wurden, wie etwa Lesungen, Gesprächsrunden oder Filmvorführungen in kleinen Räumen, sind weiterhin nicht möglich. Schließlich fällt durch das Verbot von Events aber auch eine wichtige Einnahmequelle für viele Museen weg, mit der diese üblicherweise rechnen: Die Vermietung der Räumlichkeiten für öffentliche Veranstaltungen oder für private Feiern. Aus diesem Grund beteiligten sich auch zahlreiche Museen an der Night of Light.
Auch die Fassade des Kaispeicher B am Schnittpunkt zwischen Speicherstadt und Hamburger HafenCity wurde zur Night of Light in der Nacht vom vom 22. auf den 23. Juni 2020 mit rotem Licht illuminiert. Das historische Backsteinbauwerk ist der Sitz des Internationalen Maritimen Museums Hamburg. Zusammen mit der im Gebäude ansässigen Gastronomie beteiligte sich das Museum an der Aktion, um auf die Krise der Veranstaltungsbranche aufmerksam zu machen.
Für das Internationale Maritime Museum ist die Vermietung seiner Räumlichkeiten für Events ein wichtiges finanzielles Standbein, da es sich als private Institution selbst tragen muss. Üblicherweise finden im Museum jährlich rund 100 Veranstaltungen statt, von Empfängen über Tagungen bis hin zu Hochzeitsfeiern oder Betriebsfesten. Seit März mussten Corona-bedingt jedoch alle Events abgesagt werden. Auch kommende Veranstaltungen können vorerst nicht gebucht werden. Das Museum muss nun nicht nur den monatelangen Ausfall der Einnahmen durch Eintrittsgelder während der Schließung verkraften, sondern kann auch nicht mit Einnahmen aus der Event-Vermietung rechnen.
Der Event-Sektor sieht Rot
Am 15. Juni 2020 wurden die Ergebnisse einer Meta-Studie zur gesamtwirtschaftlichenn Bedeutung der Veranstaltungsbranche veröffentlicht, in Auftrag gegeben von der IGVW, der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft. Die Studie betrachtet vor allem das größte Branchensegment, die wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen. Zu diesen gehören Events wie Messen, Kongresse, Tagungen, Weiterbildungen und Marketing-Events. Die Studie macht deutlich, dass die Veranstaltungsbranche in Deutschland die sechstgrößte Wirtschaftsbranche mit etwa 1,5 Millionen Beschäftigten und knapp 130 Milliarden Euro direktem Umsatz ist. Allein die Live-Kultur macht hier 7 Milliarden Euro Umsatz aus, damit verbunden sind zehntausende Arbeitsplätze.
Die Night of Light sollte auf die Notlage dieses Sektors aufmerksam machen. Das Rot war als Alarm-Farbe gedacht. Es bedeutet auch: Noch ist hier Licht, aber ohne finanzielle Unterstützung sieht es düster aus für die Zukunft. Die Veranstaltungswirtschaft „steht auf der Roten Liste der akut vom Aussterben bedrohten Branchen“, wie die Organisatoren der Night of Light betonen – und auch einige Museen sind hiervon betroffen.
In Social Media wird die Aktion mit dem Hashtag #nightoflight2020 begleitet.
Bilder: Angelika Schoder – Internationales Maritimes Museum Hamburg / Oberhafenkantine, Hamburg 2020
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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