Reise-Tipps für den Südosten von England: Walmer Castle, Sandwich und Dover

Wer Kent an der Südküste Englands entdecken möchte, findet hier Tipps zum Walmer Castle, eine Tour durch Sandwich und Sehenswürdigkeiten in Dover.

Wer die Grafschaft Kent an der Südküste Englands entdecken möchte, findet hier Tipps zum Walmer Castle, zu einer Tour durch Sandwich und zum Dover Castle.

[Reisetipp] Wer die Grafschaft Kent an der Südküste Englands entdecken möchte, findet hier Tipps zum Walmer Castle, eine Tour durch Sandwich und Sehenswürdigkeiten in Dover. Zu entdecken gibt es eine spektakuläre Küste, den Drehort eines „Marvel’s Avengers“ Films, eine von Gärten umgebene Tudor-Festung direkt an der See und eine mittelalterliche Hafenstadt, in der durch Zufall ein historisch bedeutsamer Schatz gefunden wurde.


Die Hafenstadt Dover

Der historische Bahnhof, Kreidefelsen und das Dover Castle

Das Kriegsdenkmal für gefallene Mitarbeiter der South Eastern & Chatham Railway Company am Dover Western Docks Bahnhof.

Der historische Hafenbahnhof von Dover

Eine der ungewöhnlichsten Sehenswürdigkeiten in Dover ist der historische Hafenbahnhof. Der Dover Marine oder auch Dover Western Docks Bahnhof aus dem Jahr 1914 liegt direkt am Admiralty Pier. Kaum war der Bahnhof eröffnet worden, brach der Erste Weltkrieg aus. Zu den ersten Passagieren zählten daher britische Truppen auf dem Weg nach Flandern oder Verwundete, die von der Front nach England zurückkehrten. In Anerkennung der Bedeutung des Bahnhofs beim Kriegstransport wurde daher hier das Denkmal für gefallene Mitarbeiter der South Eastern & Chatham Railway Company errichtet.

Im Januar 1920 wurde der Bahnhof für den zivilen kontinentalen Verkehr eröffnet. Hier kamen Bootszüge an, die Passagiere vom und zum Kontinent beförderten. Für die „High Society“ gab es den Luxus- Zug „Golden Arrow“. Bis zur Zeit des regelmäßigen Flugverkehrs wurden an den Dover Western Docks auch Mitglieder europäischer Königshäuser und Staatsoberhäupter empfangen.

Der Bahnhof spielte auch im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle, als hier Hunderte von Sonderzügen für die Evakuierung von Dünkirchen starteten und zurückkehrten. Nach dem Krieg wurden die regulären Passagierdienste wieder aufgenommen. Mit der Zunahme der Autofähren nahm die Zahl der Bahnreisenden, die den Kanal überquerten, hier allerdings immer weiter ab. Im Jahr 1994 wurde der Bahnhof schließlich für den Schienenverkehr gesperrt. Heute sind die Gleise betoniert und das Gebäude wird als Parkhaus für die Besucher des nahegelegenen Kreuzfahrt-Terminals genutzt.

  • SE&CR Historic Rail Terminal Building | Dover CT17 9TF

Vom Hafen aus hat man den schönsten Blick auf das Dover Castle und die Kreidefelsen.

Dover Castle und die Kreidefelsen

Von der Innenstadt von Dover gelangt man in wenigen Minuten auf die Klippen zum Dover Castle. Wer nicht laufen möchte, nutzt den Shuttlebus, der alle 20 bis 30 Minuten fährt. Die Grundstruktur für die Burg in ihrer heutigen Form wurde während der Herrschaft Heinrichs II. von 1168 bis 1178 errichtet. Das Zentrum bildet der „Great Tower“ und der mittelalterliche Palast, in dem der Herrscher residierte.

Ab der Mitte des 18. Jhd. wurden die mittelalterlichen Anlagen der Burg umgebaut und für den Artilleriekrieg gerüstet, insbesondere als England von der Invasion durch das napoleonische Frankreich bedroht wurde. Um eine große Anzahl von Truppen unterzubringen, wurde von der Felswand aus ein Netzwerk von Tunneln gegraben, die als Kaserne genutzt wurden. Die Napoleonischen Tunnel wurden im 20. Jhd. schließlich wieder im Laufe des Zweiten Weltkrieges benötigt. Ab 1939 war hier das Kommandozentrum untergebracht, von dem aus alle militärischen Marine-Operationen im Kanal koordiniert wurden. Hier wurde auch im Mai 1940 die „Operation Dynamo“ geplant, die Evakuierung britischer Truppen aus Dünkirchen.

Auf dem Gelände des Dover Castle sind aber noch deutlich ältere Bauwerke zu finden: eine Ruine eines Leuchtturms aus der Römerzeit und eine angelsächsische Kirche. Der Leuchtturm zählt zu den besterhaltenen seiner Art in Europa. Er wurde errichtet, nachdem die Römer im Jahr 43 n.Chr. nach England eingefallen waren, und sollte mit seinem Licht den Schiffen den Weg in den Hafen weisen. Die Kirche neben dem Leuchtturm, die im 19. Jhd. wieder aufgebaut wurde, war vermutlich einst Teil einer angelsächsischen Siedlung auf den Kreidefelsen.

Ähnlich wie die französische Festung Carcassonne, wird das Dover Castle übrigens gerne als Drehort für Hollywood-Filme genutzt. Von „Hamlet“ (1990, mit Mel Gibson) über „Jhonny English“ (2003, mit Rowan Atkinson) oder „The Other Boleyn Girl“ (2008, mit Scarlett Johansson) bis hin zu „Avengers: Age of Ultron“ (2015, mit Robert Downey Jr) entdeckt man hier zahlreiche Orte, die man aus dem Kino kennt.


Walmer Castle

Die Tudor-Festung mit ihren Gärten an der See

Im Walmer Castle residierten bereits der Duke of Wellington und Queen Mum

Eine Tudor-Festung direkt an der Nordsee

Ursprünglich war das Walmer Castle, das knapp 12 km östlich von Dover liegt, eine Tudor-Festung. Von hier aus hat man einen strategisch guten Überblick über die See, da die Anlage direkt am Strand liegt. Die Festung ist das Heim der „Lord Warden of the Cinque Ports“. Dies sind die Inhaber des ältesten militärischen Amtes in England. Sie repräsentiert den britischen Monarchen in den Cinque Ports, einem Bund von ursprünglich fünf, heute 14 Hafenstädten in Kent und Sussex. Auch Queen Mum hatte den Titel für 23 Jahre inne.

Zur Festungsanlage, deren Mauern wie eine Blüte in mehreren Kreisen geformt sind, gehören auch acht Hektar mit Gartenanlagen und Wald. Diese Fläche wurde seit dem 16. Jhd. immer wieder umgestaltet, jeweils nach dem Geschmack der im Walmer Castle ansässigen Lord Wardens. Heute folgen die Gärten einem komplexen und aufeinander abgestimmten Bepflanzungskonzept, das die Anlagen zu jeder Jahreszeit sehenswert gestaltet.


Queen Mum war 23 Jahre lang „Lord Warden“ des Walmer Castle. Zu Ehren ihres 95. Geburtstags wurde ihr ein Garten hinter dem Schloss gewidmet.

Die Gärten des Walmer Castle

Das Walmer Castle ist von verschiedenen Gärten und einer großen Parkanlage umgeben. Im „Boardwalk Garden“ finden sich blühende Stauden, die einem aufwändigen Farb- und Pflanzschema folgen. Geprägt wurde dieser Gartenabschnitt durch den Earl of Granville, den Earl of Beauchamp und durch die Marquess of Willingdon. Zunächst entstand hier um 1866 eine Sichtachse im italienischen Stil mit im Zickzack angeordneten Pflanzen. Später wurde der Garten verlängert und durch weitere Bepflanzungen ergänzt. Zu den auffälligen Elementen dieses Gartens gehört eine massive Eibenhecke, die „Cloud Hedge“. Die einst geometrische Hecke aus dem 19. Jhd. wurde über ein Jahrhundert zu einer unförmigen skulpturalen Form.

Im „Kitchen Garden“ wird Obst und Gemüse für das lokale Café der Festung angebaut. Bereits seit 300 Jahren wird der Garten zur Versorgung des Walmer Castle genutzt. Hier und in den angrenzenden Gewächshäusern werden auch Zierobst-Sorten und alle Schnittblumen angepflanzt, die zur Dekoration der historischen Räume genutzt werden. Die Gewächshäuser bestehen seit 1898 und umfassen auch eine Weinkellerei und ein Tomatenhaus.

Der wohl schönste Garten des Walmer Castle ist der 1997 eröffnete „Queen Mother’s Garden“. Entworfen wurde er von der Landschaftsdesignerin Penelope Hobhouse in Anlehnung an die Gestaltung islamischer Gärten. Entstanden ist eine Gartenanlage mit einer Wasserfläche, üppiger Bepflanzung und einem gewölbten Pavillon. Gewidmet wurde der Garten Queen Mum, Elizabeth Bowes-Lyon (1900 – 2002), zu ihrem 95. Geburtstag. An sie erinnert hier auch eine Bronze-Statue: Auf einer Parkbank sitzt einer ihrer Lieblingshunde, ein fröhlicher Welsh Corgi Pembroke.


In der Festung führt ein Multimedia-Guide durch die historischen Räume, in denen u.a. Premierminister William Pitt (1759 – 1806) lebte.

Die historischen Räume des Walmer Castle

Mit einem Multimedia-Guide kann das Walmer Castle erkundet werden. Hier erzählen berühmte historische Persönlichkeiten von der Geschichte der Festung und von ihrem eigenen Leben und Wirken vor Ort. Einer von ihnen ist der Herzog von Wellington, der hier 23 Jahre lang als Lord Warden tätig war. Die historischen Räume geben Einblicke in seine Lebensgeschichte und seine Karriere. Auch die Spuren von Premierminister William Pitt d. J. finden sich in den historischen Räumen. Hier organisierte der Politiker den Widerstand gegen Napoleon Bonaparte.

Da das Walmer Castle direkt am Strand liegt, kann man von hier aus übrigens am Meer entlang und in nur wenigen Minuten zum Deal Castle laufen. Die Festung in Deal ähnelt der von Walmer und wurde ebenfalls auf Anordnung von Henry VIII errichtet.


Sandwich in Kent

Südenglische Geschichte in einer mittelalterlichen Hafenstadt

Durch die Lage am Wantsum Channel, einer viel genutzten Wasserstraße nach London, war Sandwich bereits zur Zeit der Angelsachsen eine wichtige Hafenstadt.

Von der Hafenstadt zum belegten Brot

Knapp 11 km nördlich von Walmer entfernt liegt die Hafenstadt Sandwich. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Stadt im Jahr 664. Vermutlich gab es aber bereits zur Römerzeit hier eine Siedlung. Durch die Lage am Wantsum Channel, einer damals wichtigen Wasserstraße nach London, entwickelte sich Sandwich ab dem 9. Jhd. zu einer bedeutenden Hafenstadt. Im Mittelalter zählte Sandwich sogar zu den Haupthäfen für Fahrten zum europäischen Kontinent. Englische Könige brachen von hier aus häufig in Richtung Frankreich auf. Zur Zeit von Elisabeth I. (1533 – 1603) büßte Sandwich dann zunehmend seinen Status als Hafenstadt ein. Der Wantsum Channel versandete und wurde für größere Schiffe nicht mehr befahrbar.

Der Name der Stadt stammt wohl aus dem Angelsächsichen und könnte „sandiger Platz“ oder „Platz auf dem Sand“ bedeuten. Erst Jahrhunderte später wurden belegte Brote als „Sandwich“ bezeichnet. Zur Popularität der Mahlzeit trug der IV. Earl of Sandwich bei, John Montagu (1718 – 1792). Angeblich wollte er einen Spielabend nicht unterbrechen und bestellte deshalb Fleisch, das zwischen zwei Brotscheiben serviert werden sollte. So konnte man die Mahlzeit ohne Besteck mit nur einer Hand essen. Mit der Stadt Sandwich hatte John Montagu aber nicht viel zu tun – nur sein Adelstitel verweist auf diese.


Das Guildhall Museum in Sandwich dokumentiert die Geschichte der Stadt – von archäologischen Fundstücken aus der Römerzeit bis hin zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges.

Das Museum im Rathaus von Sandwich

Das Guildhall Museum, das seit 2017 in einem Fachwerkhaus aus dem 16. Jhd. untergebracht ist, gibt einen Einblick in die Geschichte von Sandwich. Betreut wird das kleine Museum am alten Viehmarkt von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die gerne eine Führung geben und mit Besuchern ins Gespräch kommen. Das Museum, das übrigens keinen Eintritt kostet, ist aber nicht nur wegen des netten Museums-Teams einen Besuch wert. Auch die historischen Objekte sind spannend.

Der Museumsrundgang beginnt in der Römerzeit. Gezeigt werden hier archäologische Fundstücke, etwa Münzen und Steingut. Im Schwerpunkt betrachtet die Ausstellung die Geschichte von Sandwich als Hafenstadt, die zu den Cinque Ports gehört. Zu den Highlights der Ausstellung zählt eine „Magna Carta“ und eine „Charter of the Forest“ von 1300. Beide Dokumente wurden übrigens erst 2015 entdeckt. Ein Archivar fand sie in einem viktorianischen Album, das in den Kent County Council Archives aufbewahrt wurde.

Auch der Zweite Weltkrieg wird im Guildhall Museum thematisiert, insbesondere die Unterstützung der Evakuierung von Juden aus deutschen Konzentrationslagern. Auf Initiative des Central British Fund for German Jewry wurde 1939 ein ehemaliges Armee-Camp aus dem Ersten Weltkrieg genutzt, um hier geflüchtete jüdische Männer aus dem deutschsprachigen Raum unterzubringen. Das „Kitchner Camp“ in der Nähe von Sandwich konnte rund 4.000 Menschen aufnehmen und damit vor dem Holocaust retten. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schlossen sich viele der jüdischen Männer der British Army an, um gegen das nationalsozialistische Deutschland zu kämpfen.


Vom Turm der St Peter’s Church aus dem 13. Jhd. hat man einen guten Überblick über die mittelalterliche Stadt.

Ein Blick vom Turm der St Peter’s Church

An Stelle der heutigen St Peter’s Church stand um 1100 zunächst eine normannische Kirche. Es wird vermutet, dass sie im Jahr 1216 bei einem Angriff französischer Truppen zerstört wurde. Wahrscheinlich wurde die Kirche dann im 13. Jhd. von Karmeliten wieder aufgebaut. Im Jahr 1560 siedelten sich in Sandwich dann flämische Protestanten aus den spanischen Niederlanden an und nutzten St Peter’s als ihre Kirche.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde das Gebäude mehrfach beschädigt. Im 19. Jhd. wurde die Kirche schließlich wieder aufgebaut. Zuletzt wurde St Peter’s von 2006 bis 2013 renoviert. Heute wird die Kirche gelegentlich für Veranstaltungen genutzt. Sie kann besichtigt werden und seit kurzem kann auch der Kirchturm bestiegen werden.

Noch immer wird in der Kirche übrigens täglich um 20 Uhr die Abendglocke geläutet. Die „Curfew Bell“ gab im Mittelalter die Zeit bekannt, zu der die Anwohner ihre Gänse und Schweine auf die Straßen lassen konnten, damit diese dort den Abfall fressen. Heute läutet die Glocke nur noch symbolisch. Übernommen wird das Läuten von Ehrenamtlichen aus Sandwich.

  • St Peter’s Church | Market St. | Sandwich CT13 9DA

Bilder: Angelika Schoder – Dover, Walmer Castle und Sandwich, 2019


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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