Die App kann weg! Warum fast keiner mehr eine Museumsapp braucht

In den letzten Jahren war eine Museumsapp oft das digitale Aushängeschild einer Institution. Heute lässt sich darauf verzichten.

In den letzten Jahren war eine Museumsapp oft das digitale Aushängeschild einer Institution. Heute lässt sich darauf verzichten.

[Debatte] Wie zeitgemäß ist eine Museumsapp heute noch? Sollten Museen und Kulturinstitutionen in Zukunft überhaupt noch Ressourcen in die Konzeption und Umsetzung von Apps investieren? Sollten sie eine vorhandene Museumsapp weiterhin pflegen und updaten lassen? Oder ist es Zeit für ein Umdenken, besonders vor dem Hintergrund, wie nachhaltig solche App-Projekte überhaupt von Nutzern angenommen und genutzt werden?


Die Flut der Museumsapps

Fast jedes größere Museum weltweit hat sich in den vergangenen Jahren eine App geleistet, etwa das MoMa – Museum of Modern Art, das MET – Metropolitan Museum of Art, das Rijksmuseum Amsterdam oder das spanische Museo Nacional del Prado. Doch auch sehr viele kleinere Museen waren lange dem App-Fieber verfallen, beispielsweise das Tiroler Volkskunstmuseum, das Bach-Museum Leipzig oder das Museum für Franken in Würzburg.

Neben einer übergreifenden Museumsapp haben viele Museen ersatzweise oder zusätzlich noch einzelne Projekt-Apps. Beispiele sind hier Kinder-Apps, wie im Fall der Glyptothek München oder „Imagoras“ des Städel Museums, oder Apps für bestimmte Bereiche, wie zum Schlosspark Nymphenburg von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Zudem gibt es immer wieder eigene Ausstellungs-Apps, etwa „FRAUEN. PICASSO, BECKMANN, DE KOONING“ anlässlich der gleichnamigen Schau in der Pinakothek der Moderne in München im Sommer 2012 oder „OMG! – Objekte mit Geschichte“ zur Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe im Winter 2015/16.

Es gibt eine fast unüberschaubare Fülle an Museumsapps. Ein Blick auf die Seite museumsapps.de lässt erahnen, wie umfangreich die Liste an Apps schon alleine im deutschsprachigen Raum ist. Dabei sind hier noch nicht einmal alle Apps aufgeführt. Wer sich in der Branche auskennt, wird feststellen, dass einige fehlen. Manche dieser Apps erfüllen umfangreiche technische Funktionen, andere sind reine Audioguides oder Textwüsten, für die eine App schon längst nicht mehr notwendig wäre.


Must-Have Museumsapp

Einst warb Apple mit dem Slogen „There’s an app for that.“ Für alles gab und gibt es eine App, sei die Funktion auch noch so beschränkt. Viel zu vielen Museen wurde von Agenturen und digitalen Beraten im Zuge dieses App-Hypes in den letzten Jahren eingeredet, sie bräuchten dringend eine eigene App. Eine Museumsapp galt lange als das Must-Have, jeder findet sie modern, Stakeholder sind verzückt von der großartigen futuristischen Technik und Besucher werden begeistert sein und nur in das Museum kommen, weil sie dort diese faszinierende App nutzen können. Wie auch immer die Verkaufsargumente waren – Museen und Kulturinstitutionen ließen sich jahrelang scharenweise davon überzeugen.

Die Umsetzung einer App kostet ein Museum i.d.R. von mittleren 4-stelligen Beträgen, wenn es ein Freelancer im kleinen Rahmen umsetzt, bis hin zu höheren 5-stelligen Beträgen, wenn große Agenturen damit beauftragt werden. Am Ende ist dann meist kein Budget mehr dafür übrig, die Museumsapp zu bewerben und zu vermarkten. Die Folge können Downloads im 3-stelligen oder niedrigen 4-stelligen Bereich sein.

Wichtig ist zu sagen: Es gibt definitiv Institutionen, bei denen sich bei ihrer Museumsapp ein exzellentes Kosten-Nutzer-Verhältnis ergibt. Es ist möglich, auf einen Download-Wert von nur wenigen Cent pro Nutzer zu kommen. Das dürfte aber bei nur wenigen Institutionen der Fall sein, wie beim Museum Barberini. Für manch ein anderes Museum kam es aber wohl zu einem bösen Erwachen, als nach dem ersten Jahr die Kosten der App auf die Download-Zahlen umgerechnet wurden. Wenn eine App einen stattlichen 5-stelligen Betrag gekostet hat, wie rechtfertigt man dann Zahlen in Höhe von z.B. 1.500 – 3.000 Downloads? War es das wert, pro Download vielleicht 10, 20, ja 30 Euro investiert zu haben?


Welche Apps werden wirklich genutzt?

Bereits im April 2016 sah das App-bezogene Nutzerverhalten laut einem Bericht von TechCrunch nicht sehr vielversprechend aus.

  • Für jedes verkaufte iPhone wurden 119 Apps heruntergeladen.
  • Weniger als 25% dieser Apps wurden monatlich genutzt.
  • Die 5 meistgenutzten Apps nahmen 80% der Nutzerzeit in Anspruch.
  • Die durchschnittliche App verlor 77% ihrer Nutzer innerhalb von drei Tagen nach dem Herunterladen. (Mit ziemlicher Sicherheit wäre eine Museumsapp hier einzuordnen.)

Seien wir ehrlich: Eine Museumsapp ist nur von kurzfristigem Interesse für Nutzer. Und selbst während eines Museumsbesuchs, welche Apps werden da wohl am häufigsten genutzt? Ist es die offizielle Museumsapp? 2017 wurde in den Carnegie Museen Pittsburgh eine Besucherbefragung dazu durchgeführt. Das Ergebnis: 92,9 % der Besucher brachten zwar ein Mobilgerät mit ins Museum, aber nur 1,9 % hatten eine Museumsapp installiert.

Tatsächlich nutzen amerikanische Museumsbesucher während ihres Besuchs eher klassische Social Media Apps wie Facebook, Instagram, Snapchat oder evtl. noch Twitter. Und sie nutzen das reguläre Internet, auch um die Museumswebsite aufzurufen und hier Informationen zu finden. Man kann vermuten, dass sich das deutsche Nutzerverhalten nicht wesentlich vom amerikanischen unterscheidet.

Auch weiterhin werden – ganz oldschool – auch klassische Audioguides gerne genutzt, die Museen auf hauseigenen Geräten anbieten. Teilweise werden diese sogar kostenfrei zur Verfügung gestellt, wie etwa im Panoptikum Hamburg. Auch das Panoptikum hat eine App, doch vor Ort erweisen sich die klassischen Geräte als deutlich beliebter. Das Handy braucht man dort schließlich, um die Wachsfiguren von Helene Fischer oder Udo Lindenberg zu fotografieren – und nicht, um es sich ans Ohr zu halten oder darauf zu lesen. Der klassische Audioguide ist hier einfach praktischer.


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Digitale Umständlichkeit

Einfach vor dem Besuch die Museumsapp herunterladen und los geht es – das stellten sich viele Museen oft leichter vor, als es dann für Besucher tatsächlich war.

  • Was, wenn das mobile Datenvolumen der Besucher für Apps mit teils mehreren hundert MB nicht ausreicht? Gibt es dann ein stabiles, kostenfreies WLAN im Haus?
  • Braucht man für das WLAN ein zentrales Passwort, das an der Kasse steht? Oder braucht man sogar einen Account bei einem Provider und muss diesen dort erst einrichten, um das WLAN nutzen zu können?
  • Reicht der lokale Speicher auf dem Mobilgerät überhaupt aus, um die App zu installieren?
  • Wie lautet nochmal das Passwort für den App-Store? Soll man das vergessene App-Store Passwort extra zurück setzen, nur um endlich die Museumsapp herunterladen zu können?
  • Und schließlich: Ist die App mit dem Betriebssystem des Mobiltelefons überhaupt kompatibel? Was machen iOS-Nutzer, wenn es nur eine Android-App gibt? (Ein Beispiel ist die Kunsthalle Karlsruhe, die nur eine Android-App anbietet.)

So betrachtet klingt die Nutzung einer Museumsapp mehr als umständlich. Wer weiß, wie viele Downloads von interessierten Besuchern letztendlich vor Ort im Museum an einem dieser Punkte scheiterten?


App-Alternativen

In den kommenden Jahren werden wahrscheinlich nur noch wenige Institutionen weiterhin eigene Apps unterhalten – und auch nur dann, wenn die Download-Zahlen auf ein großes Interesse beim Publikum hinweisen. Der Großteil an Museen kann heute auf andere technisch Möglichkeiten zurückgreifen, um Informationen zur Verfügung zu stellen, Inhalte zu Ausstellungen zu vermitteln oder zu einzelnen Objekten Auskunft zu geben.

Eine responsive Museumswebsite mit entsprechenden Inhalten und einer sinnvollen Navigation würde in vielen Fällen völlig genügen. Zusätzliches Bildmaterial, Lagepläne und Karten, Videos und Texte finden ganz einfach online ihren Platz. Blinde und Sehbehinderte können sich zudem auf der Website die Texte von speziellen Programmen vorlesen lassen und haben somit quasi schon einen Audioguide in der Tasche.

Für Klassische Audioguides kann auch SoundCloud infrage kommen. Der Anbieter wird schon von zahlreichen Museen genutzt, wie etwa vom Centre Pomidou oder dem Jewish Museum New York. Letzteres hat sogar alle bisherigen eigenen Apps deaktiviert und seine Ausstellungs-Audioguides zu SoundCloud hochgeladen. Bei SoundCloud stehen die Inhalte nun komplett transkribiert jedem offen.

Für Museumsbesucher bedeutet das, dass sie nur eine einzige App installieren müssen, um auf zahlreiche Audioguides verschiedener Institutionen zugreifen zu können. Der Drittanbieter wird damit immer wieder genutzt – nicht nur einmalig für wenige Minuten, wie es bei individuellen Museumspapps der Fall ist. Natürlich besteht bei jedem Drittanbietern zwar immer ein gewisses Risiko, dass dieser seine Dienste einstellen könnte. Doch Audioguides können in dem Fall einfach auf die App eines anderen Anbieters geladen werden – oder gleich von vorne herein auf verschiedene gleichzeitig.

Dank einer großen Auswahl an Drittanbieter-Apps und der Möglichkeit, Inhalte auf der eigenen responsive Websites zur Verfügung zu stellen, können sich viele Museen und Kulturinstitutionen eine eigene App in Zukunft jedenfalls sparen. Statt dessen können Museen das Budget lieber an anderer Stelle nutzen – und zwar dort, wo Besucher wirklich nach Informationen suchen: auf der Museumswebsite und in Social Media.


Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburger Staatsoper, 2016


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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