Ausgezwitschert: Zum Ende von Twitter in der Kultur-Kommunikation

Im deutschsprachigen Raum bahnt sich das Ende von Twitter an, zumindest im Museums- und Kulturbereich. Was bedeutet das in Zukunft für die Kulturkommunikation?

Im deutschsprachigen Raum bahnt sich das Ende von Twitter an, zumindest im Museums- und Kulturbereich. Was bedeutet das in Zukunft für die Kulturkommunikation?

[Debatte] Ab Anfang der 2010er Jahre entwickelte sich Twitter zu einem echten Liebling im Museums- und Kulturbereich. Auch im deutschsprachigen Raum setzten immer mehr Institutionen für ihre Kulturkommunikation auf den einst als Microblogging-Dienst bezeichneten Anbieter, bei dem man zunächst nur 140 Zeichen versenden konnte. Selbst als 2017 die Zeichenzahl auf 280 erhöht wurde, blieb der grundsätzliche Charakter erhalten: nicht lange Textwüsten produzieren, sondern sich kurz fassen. Ein-zwei Sätze, ein Link, irgendwann auch Fotos – kleine Kulturhäppchen wurden in die Welt gesendet und konnten in Echtzeit in der Timeline chronologisch verfolgt werden. Es entstand das Format der TweetUps und Hashtag-Aktionen wie der #MuseumSelfieDay, #AskACurator und die #MuseumWeek. Auch wenn diese Hashtags längst auch auf anderen Social-Media-Plattformen Einzug gehalten haben: Bei Twitter nahm alles seinen Anfang. Nun bahnt sich das Ende vom bisher bekannten Twitter an, zumindest im Kulturbereich.


Opern- und Theater-TweetUps

Das erste TweetUp eines deutschen Stadttheaters fand im Februar 2013 in Heilbronn statt. In den folgenden Jahren nutzten mehrere Theater und Opernhäuser in Deutschland dieses Konzept, etwa die Oper Stuttgart, das Festspielhaus Baden-Baden, das Theater Heidelberg oder die Hamburger Staatsoper. Stets wurden dabei Twitter-User eingeladen, um potenzielle Interessenten live über eine Inszenierung auf dem Laufenden zu halten. Über ein gemeinsames Hashtag konnten die Tweets der Teilnehmen gebündelt mitgelesen werden.

Teils wurde bei diesen Veranstaltungen in den Pausen oder nach der Aufführung getwittert, teils konnten auch während des Stücks die Displays vor sich hin leuchten, weil TweetUp-Teilnehmende etwa in einer separaten Loge untergebracht wurden. Generell stand dahinter die Idee, dass die Einladung von Twitter-Usern eine gute Möglichkeit bieten würde, bestimmte Interessenten im Netz auf eine Aufführung aufmerksam zu machen. Denn auch wenn sich mit Twitter in Deutschland, selbst zur Hochzeit der TweetUps, kaum das sagenumwobene „breite Publikum“ erreichen ließ, war die Plattform für die Kommunikation mit einer kleineren, aber besonders Kultur-affinen Zielgruppe lange Zeit gut geeignet.


Hashtag-Aktionen bei Twitter

Die wohl älteste internationale Twitter-Aktion für Museen bei Twitter ist „Ask A Curator“. Sie wurde bereits 2010 ins Leben gerufen. Die Idee dahinter ist, dass Kultur-Interessierte über das Hashtag #AskACurator an einem bestimmten Tag im Jahr Fragen an Institutionen stellen können, um diese dann von Kuratoren beantworten zu lassen. In den letzten Jahren wurde der Aktionstag von zahlreichen Museen weltweit aufgegriffen und auch in andere Social-Media-Plattformen jenseits von Twitter ausgedehnt. Doch Twitter blieb weiterhin die Hauptplattform, auf der sich unter dem Hashtag ausgetauscht und gegenseitig gefragt wurde. Da häufig ganz andere Museumsmitarbeitende die Beantwortung von Fragen übernahmen, wurde seitens der Organisatoren auf diesen Umstand erst in diesem Jahr bei der Namensgebung für das Event reagiert, entsprechend wurde 2022 das Hashtag von #AskACurator in #AskAMuseum umbenannt.

Im Laufe der Jahre entwickelten sich zahlreiche weitere Hashtag-Aktionen für Museen bei Twitter, häufig unter Initiative oder Beteiligung von Mar Dixon, einer amerikanisch-britischen Museumsexpertin. Sie rief zum Beispiel auch 2014 bei Twitter den „International Museumselfie Day“ ins Leben. Denn als Instagram, die Social-Media-Plattform die heute am meisten mit dem Wort „Selfie“ in Verbindung gebracht wird, noch von fast keinem Museum genutzt wurde, war der Hashtag #MuseumSelfie schon bei Twitter etabliert. Beim jährlichen #MuseumSelfieDay sollten diese Selfies durch ein verbindendes Hashtag zu einer gemeinsamen Aktion koordiniert werden. Mitarbeitende aus Museen posteten am Aktionstag eigene Selfies von sich aus den Museumsräumen und ermutigten auch Kollegen in anderen Museen und natürlich ihre Follower dazu, selbst Museum Selfies anzufertigen und bei Twitter unter Erwähnung des Museums zu teilen.


Die #MuseumWeek

Die weltweit vermutlich größte Social-Media-Aktion dürfte die „Museum Week“ sein; auch sie nahm bei Twitter ihren Anfang. Seit 2014 laden die Organisatoren jedes Jahr an einer Woche im Juni dazu ein, unter vorgegebenen Hashtags sieben Tage lang kulturelle Inhalte zu teilen – ursprünglich bei Twitter, mittlerweile auch in anderen Social-Media-Netzwerken. Organisiert wird die Aktion vom Culture For Causes Network, einer französischen Non-Profit-Organisation. Sie gibt jedes Jahr bekannt, wann genau die #MuseumWeek im jeweiligen Jahr stattfindet und zu welchen Hashtags es diesmal zu kommunizieren gilt.

Auch im deutschsprachigen Raum haben viele Kulturinstitutionen, allen voran Museen, in den letzten Jahren an der #MuseumWeek teilgenommen. Die Teilnahmen umfassten beispielsweise die Vorstellung eines jeweils zum Thema passenden Objektes aus der Sammlung anhand eines Fotos und einem erklärenden Text. Teils wurden ganze Blogbeiträge zum Thema des Tages verfasst und dann per Link in Twitter gepostet. Und es gab sogar Institutionen, die extra Videos vorbereiteten, in denen jemand aus dem Team auf das Thema des Tages eingeht oder ein passendes Objekt vorstellt.


Zur Zukunft von Twitter in der Kulturkommunikation

Der Museums- und Kulturbereich hat in den letzten Jahren stark von Twitter profitieren können. Auch wenn die Plattform im deutschsprachigen Raum nie eine breite Öffentlichkeit für sich gewinnen konnte, so war Twitter doch in Fachkreisen wichtig. Viele Kontakte wurden geknüpft zwischen Museen, Theatern, Bildungseinrichtungen, Kulturinteressierten und Kulturexperten. Kooperationen entstanden, gemeinsame Projekte wurden geplant und es wurden auch Freundschaften geschlossen. Wenn man in der letzten Zeit dabei zusieht, wie sich immer mehr Kultur- und Bildungs-Accounts bei Twitter abmelden, wie die Stimmung sich verschlechtert und auch erste technische Schwierigkeiten auftauchen, kann man sehr wehmütig werden, wenn man Twitter jahrelang intensiv genutzt hat.

Vielleicht hilft es aber auch, realistisch auf Twitter in den letzten Monaten und Jahren zu schauen. Wann hat ein Theater oder ein Opernhaus das letzte Mal ein TweetUp veranstaltet? Wann hat man das letzte Mal mitbekommen, dass beim #MuseumSelfieDay oder bei #AskAMuseum mitgemacht wurde? Und wer war denn bei der #MuseumWeek im deutschsprachigen Raum noch aktiv dabei? War viel los? Ehrlicherweise muss man sagen, dass das Engagement vieler Museen und anderer Kultureinrichtungen auf Twitter schon lange nachgelassen hat. Insbesondere wenn es darum geht, ein größeres Publikum zu erreichen, lohnte es sich für die Kulturkommunikation eigentlich schon länger nicht mehr, nennenswerte Ressourcen in Twitter zu investieren. Das Publikum ist bei Instagram, mittlerweile auch bei TikTok, natürlich bei YouTube – und viele sind in gewissen Zielgruppen auch einfach noch immer bei Facebook. Ehrlicherweise ist es einigen Museen und Kultureinrichtungen doch nur deshalb so leicht gefallen, ihre Twitter-Accounts in der letzten Zeit zu löschen oder stillzulegen, weil bei Twitter ohnehin nicht mehr viel los war auf ihren Accounts.

Anders sieht es bei den Menschen aus, die im Museum oder im weiteren Kulturbereich arbeiten. Viele haben Twitter als zentrale Plattform zum Netzwerken und zum persönlichen und beruflichen Austausch ins Herz geschlossen. Hier fühlt es sich an, wie wenn das Lieblingscafé, in dem man sich regelmäßig mit netten Menschen getroffen hat, nach und nach abgerissen wird. Und auch wenn man sich mit manchen Leuten ab jetzt an einem anderen Ort zum Treffen und Austauschen verabredet, weiß man, dass es nicht mehr den einen Ort geben wird, an dem alle zusammenkommen.

Das an Ovid angelehnte Sprichwort gilt eben auch für Social Media: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. (Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen.)


Header-Bild: Angelika Schoder, Leipzig 2019


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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