[Leitfaden] Spätestens seit dem Ende der 2000er Jahre werden in Museen und anderen Kulturinstitutionen zahlreiche Ansätze zur Digitalisierung diskutiert. Zum Glück ist die entscheidende Frage heute meist nicht mehr das Ob, sondern das Wie – zumindest bei größeren Institutionen. Dabei geht es teilweise bereits um die Herausforderung, wie eine Digitalisierungsstrategie erfolgreich geplant und in eine übergreifende Institutionsstrategie integriert werden kann. Doch auch begrenztere Ansätze werden diskutiert, etwa wie zunächst erst einmal bestimmte Projekte digital umgesetzt werden können.
Die Vorreiter der Digitalisierung
Im Hinblick auf eine umfangreiche Digitalisierung, aber auch hinsichtlich digitaler Strategien, haben vor allem anglo-amerikanische Institutionen eine Vorreiterrolle eingenommen. Zu nennen sind hier etwa das Metropolitan Museum of Art in New York, das San Francisco Museum of Modern Art oder der Smithsonian Verbund in Washington D.C. In Europa sind es Institutionen wie die Tate in London, die britische Science Museum Group oder das Londoner Victoria and Albert Museum.
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Die Beispiele können als Orientierungshilfe dienen. Letztendlich müssen Institutionen aber eigene Strategien entwickeln, die auf ihre Ausgangssituationen, Ressourcen und strukturellen Bedingungen zugeschnitten sind. Nicht zuletzt gilt es, besonders in Deutschland, auch andere rechtliche Voraussetzungen und Regelungen zu berücksichtigen – Schlagworte sind Datensicherung, Urheberrechte und Datenschutzbestimmungen.
Christian Gries merkt in seinem Beitrag „Wanted: Dead or Alive – Digital Strategy“ an, dass es im deutschen Umfeld bislang nur wenige Beispiele für eine Digitalisierungsstrategie gibt, etwa das „Mission Statement“ des Frankfurter Städel Museums. Meist werden, wie Gries feststellt, digitale Angebote einfach online aggregiert. Hieraus ergibt sich eher ein „diffuses Bild des digitalen Wollens und Tuns“, beispielsweise beim Historischen Museum Frankfurt, dem Archäologischen Museum Hamburg oder der Kunstsammlung NRW.
Überzeugungsarbeit leisten
Häufig muss der Stellenwert der Digitalisierung innerhalb eines Museums oder einer Kulturinstitution erst bewusst gemacht werden. Für alle Abteilungen muss hier die Bedeutung und das Potenzial unterstrichen werden – Management, Kuratoren, Museumspädagogik, Archiv / Sammlung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Eine wichtige Grundvoraussetzung vor der Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie ist es daher, zunächst einmal auf allen Ebenen Überzeugungsarbeit zu leisten. Die gesamte Organisationsstruktur wird betroffen sein – eine umfangreiche Digitalisierung bedeutet für eine Institution mehr als nur die digitale Strategie für bestimmte Bereiche oder Projekte zu entwickeln, etwa für einen ChatBot, für Social Media oder eine App für Besucher.
Die nächste Herausforderung ist es, innerhalb der Institution Ansprechpartner zu identifizieren, die bereits über digitale Kompetenzen verfügen oder die eine offene Haltung gegenüber dem Thema mit sich bringen. So können Partner aus allen Abteilungen rekrutiert werden. Denn die Erarbeitung einer Digitalstrategie bringt auch einen Wandel in der gesamten Unternehmenskultur mit sich. Und dieser Wandel kann nicht nur „von oben herab“ angestoßen werden, sondern muss von allen Ebenen und Bereichen von Beginn an mit getragen und auch mit erarbeitet werden.
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Mehr als nur technische Tools
Eine Digitalisierungsstrategie ist mehr als nur die Methode, wie mit Ressourcen und Tools verfahren wird. Am Anfang muss eine Zieldefinition stehen. Ausgehend von Wunschergebnissen kann nicht einfach eine Strategie hingebogen werden, um den Erfolgsfaktor möglichst garantieren zu können, noch bevor der Prozess überhaupt gestartet ist. Zudem dürfen gewählte Methoden und Werkzeuge nicht zu festgefahren sein. Nur wenn der Prozess einer Digitalisierung offen geplant wird, kann auch auf technische und ressourcen-bedingte Veränderungen flexibel reagiert werden.
Die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie für ein Museum oder eine Kulturinstitution kann ein hilfreiches Instrument sein, um auf vielen Ebenen ein Bewusstsein dafür zu wecken, welche digitalen Ansätze zur Weiterentwicklung der Arbeit innerhalb der Institution beitragen könnten. Dabei kann die Strategie auch darin unterstützen, längst überfällige Transformationsprozesse anzustoßen. Digitalisierung bedeutet mehr, als den bloßen Einsatz technischer Tools und die Bereitstellung digitaler Angebote. Vielmehr kann eine gut ausgearbeitete und fundierte Strategie zur Digitalisierung eine Institution auch intern strukturell verbessern und Arbeitsprozesse reformieren.
Die Konzeption einer Strategie
Bei der Konzeption einer grundlegenden Digitalisierungsstrategie geht es um Methoden, Zieldefinitionen und Erfolgsmessung:
- Zunächst muss analysiert werden, bei welchen Aspekten und Strukturen die Digitalisierung eingreifen kann.
- Dann muss definiert werden, welche Rolle im Prozess von welcher Abteilung eingenommen wird und wer welche Schritte koordiniert und überwacht.
- Auch sollte die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen, am Prozess beteiligten Akteuren geregelt werden – sowohl intern als auch in Kooperation mit externen Beteiligten (z.B. Agenturen, weitere Institutionen etc.).
- Alle beteiligten Bereiche müssen ihre Erwartungen gegeneinander abgleichen und ggf. Kompromisse finden.
- Es sollte ein Zeitrahmen definiert werden, welcher kurzfristige, mittelfristige und langfristige Zielvereinbarungen enthält.
- Werkzeuge und Vorgehensweisen müssen geprüft und vereinbart werden, um die definierten Ziele umzusetzen.
- Schließlich sollten KPIs (Leistungskennzahlen) definiert werden und es sollten Methoden zur Erfolgsmessung besprochen werden. Zudem muss festgelegt werden, wer die Erfolgsmessung übernimmt und welche Tools hierfür wiederum notwendig sind.
Implementierung in eine Gesamtstrategie
Wichtig ist, dass die Digitalisierung in die gesamte Strategie einer Kulturinstitution einfließen muss. Wenn eine Digitalsstrategie definiert wird, ohne alle Ebenen der Institution mitzudenken, wäre dies zum Scheitern verurteilt. Daher müssen die Ziele einer Institution vollumfänglich berücksichtigt werden. Im Fall eines Museums wäre dies etwa die Ausrichtung hinsichtlich des Sammelns, des Bewahrens, der Forschung und der Vermittlung.
Wichtig ist, dass Kulturinstitutionen genauestens im Abgleich mit ihren Zielen über Methoden und Wege einer Digitalisierung nachdenken. Beispielsweise ist der pauschale Wunsch nach einer App nicht zielführend, wenn nicht klar ist, was die App überhaupt leisten soll – und ob das nicht auch mit anderen Tools umgesetzt werden könnte. Ebenso sollte man, bevor gleich ein neues digitales CRM (Customer-Relationship-Management) aufgesetzt wird, erst einmal prüfen, ob bestehende Strukturen zur Kommunikation mit Stakeholdern und Zielgruppen nicht zunächst einer Überarbeitung in ihrer konzeptionellen Ausrichtung bedürfen. Die Liste ließe sich fortsetzen…
Letztendlich muss ein Bewusstsein dafür herrschen, wann Digitalisierung die Ziele einer Institution unterstützt und weiter voran bringt – und wann man mit klassischen Verfahren doch besser bedient ist. Eine neue Digitalstrategie ist schließlich kein Allheilmittel für strukturelle Probleme einer Institution.
Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburg, 2023
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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