Agiles Projektmanagement für Museen

Flexibilität statt starre Regeln – das bedeutet agiles Projektmanagement. Museen können davon profitieren, besonders bei der Digitalisierung.

Flexibilität statt starre Regeln – das bedeutet agiles Projektmanagement. Museen können davon profitieren, besonders bei der Digitalisierung.

[Leitfaden] Flexibilität statt starre Regeln und aufwendige Dokumentation – das bedeutet agiles Projektmanagement. Gerade für Museen, die komplexe und hierarchische Organisationsstrukturen haben, kann diese Arbeitsweise ein vielversprechender Ansatz sein, um neue Projekte anzugehen.

Ein Beitrag von Angelika Schoder und Helen May,
Projektmanagerin in der Softwareentwicklung


Was bedeutet agiles Projektmanagement?

Einige Kultureinrichtungen haben bereits die Erfahrung gemacht, dass Projekte sich stark verzögern oder nicht die gewünschten Ziele erreichen, weil die Planung zu viele Ebenen durchlaufen muss und eine aufwändige Projektdokumentation die Ressourcen bindet. Gerade dann, wenn klassische Methoden des Projektmanagements sich als problematisch erweisen, kann es sinnvoll sein, sich einer agilen Herangehensweise zu bedienen.

Agiles Projektmanagement bedeutet, dass ein erfahrenes Team mit Mitgliedern aus verschiedenen Abteilungen die Planung und Durchführung eines Projektes übernimmt. Das Team hat alle notwendigen Fähigkeiten und Entscheidungsfreiheiten, kommuniziert den Projektfortschritt stets transparent und stimmt sich kontinuierlich untereinander und mit anderen Abteilungen ab.

Doch es gibt auch Herausforderungen: Je größer und komplexer eine Institution in ihrer Organisationsstruktur ist, um so schwieriger ist es, Methoden des agilen Projektmanagements einzuführen. Es gibt gewisse rechtliche, finanzielle und technische Rahmenbedingungen, die immer berücksichtigt werden müssen.

Bei komplexen und starken Abhängigkeiten zu anderen internen und externen Stellen, bedarf es auch im agilen Projektmanagement an Fingerspitzengefühl. Diversen Stakeholdern gegenüber muss Rechenschaft abgelegt werden. Und teilweise kann auch die Sorge bestehen, dass beim Einsatz agiler Methoden Aspekte übersehen oder nicht berücksichtigt werden und am Ende vielleicht nicht das gewünschte Ergebnis steht. Es erfordert zudem auch ein enormes Vertrauen in das crossfunktionale Projektteam und es muss eine Bereitschaft vorhanden sein, Verantwortung abzugeben. Dies wird nicht allen Stakeholdern leicht fallen.


Eine Veränderung der Struktur

Warum sollte man über Jahrzehnte etablierte Strukturen in Museen verändern? Gründe hierfür können Faktoren sein, die auf die einst stabile Position des Museums einwirken. Im Fall des Minneapolis Institute of Art (MIA) waren dies beispielsweise folgende Faktoren:

  • Fördermittel für das Museum wurden reduziert oder sogar komplett gestrichen.
  • Konkurrierende Angebote lenkten das Publikumsinteresse ab von den Ausstellungen des Museums.
  • Die Besucherzahlen gingen zurück und es konnte keine klare Ursache ausgemacht werden.
  • Die Museumsführung plante neue Projekte, ohne aber ausgearbeitete Konzepte vorzulegen.

Diese Faktoren, die das MIA mit den Schlagworten Flüchtigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit umschrieb, waren für das Museum der Grund, neue Wege in seiner Organisationsstruktur einzuschlagen. Ziel war es, auf Veränderungen und neue Herausforderungen schneller und flexibler reagieren zu können. Die Umsetzung einer agilen Arbeitsweise gehörte mit zu den strukturellen Veränderungen innerhalb des Museums, denn ein Wandel hin zur Agilität setzt vielfach einen kulturellen Wandel der gesamten Organisation voraus.


Ansätze aus der Softwareentwicklung

„Agil“ ist ein Schirmbegriff, unter den viele verschiedene Ansätze fallen, die aus der Softwareentwicklung stammen. All diese Ansätze haben ihre eigenen Rollen, Begriffe und Praktiken, ihnen gemein ist das „Agile Manifesto“, das Anfang der 2000er Jahre bei einem Treffen von Entwicklern formuliert wurde:

  • Individuen und Interaktion stehen über Prozessen und Tools.
  • Funktionierende Software steht über einer umfangreichen Dokumentation.
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung.
  • Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans.

Kern hierbei ist, dass eine Seite bedeutsamer ist als die andere, allerdings beide einen festen Platz haben. Der erste Leitsatz lässt sich auch auf eine agile Transformation anwenden: Zwar braucht man Prozesse, beispielsweise um den Stakeholdern und Teammitgliedern gegenüber Transparenz zu schaffen und auch Tools wie Kanbanboards oder Praktiken wie Reviews und Retrospektiven sind wichtig. Allerdings stehen die individuellen Teammitglieder und ihre Kommunikation im Fokus.

Auch außerhalb der Softwareentwicklung finden agile Praktiken immer mehr Anwendung, da es durchaus Parallelen gibt. Das Buhlen um Kunden kennen Softwarehersteller und Museen gleichermaßen. Beide befinden sich in einem sich stetig ändernden Marktumfeld mit neuen Anforderungen, wobei das customer delight immer im Vordergrund steht.


Agiles Arbeiten im Museum

Das Victoria an Albert Museum (V&A) hat das agile Projektmanagement bei der Konzeption seines Website-Bereichs „What’s On“ einem Praxistest unterzogen. Hierfür ging das dafür zusammengestellte Team des Museums das Projekt in mehreren Intervallen an. Dieses iterative Vorgehen ist eine der Kernideen des agilen Arbeitens. Um schnell und flexibel auf (Markt-)Veränderungen reagieren zu können, werden keine langen Planungs- und Umsetzungsphasen ausgerufen, sondern es werden in kurzen Intervallen Prototypen erstellt. Diese werden bei Erfolg ausgebaut, gemäß der Prämisse: „Done is better than perfect“. Diese Etappenziele verstehen sich dabei nicht als kleine Unterprojekte in einem großen „Wasserfall-Projekt“, sondern werden immer wieder neu ausgehandelt, sodass ein frühes Umschwenken und Reaktion auf Änderungen möglich ist.

Im Fall des V&A wurde der Zeitplan entsprechend in zweiwöchige Etappen aufgeteilt. Innerhalb dieser Zeiträume gab es feste Treffen mit dem technischen Team, mit den Stakeholdern und mit der Museumsleitung. Das Projektteam selbst traf sich täglich und tauschte sich hier auch über den aktuellen Stand und Probleme aus, die es zu lösen galt. Unterstützung erhielt das Team von einer Website-Lenkungsgruppe und von einem Stakeholder-Ausschuss des Museums, der bei der Problemlösung unterstützte und dabei half, die Projektplanung mit anderen Abteilungen abzugleichen. Durch diese Abstimmungsstruktur wurden unnötigen Verzögerungen und mögliche Missverständnisse vermieden.

Bei der Umsetzung war es für das Team des Museums wichtig, zwar zu Beginn des Projektes feste Ziele zu definieren und KPIs festzulegen, gleichzeitig aber auch flexibel zu bleiben und bestimmte Funktionen und Aspekte im Laufe der Entwicklung stets anzupassen und verändern zu können. Es musste immer mit neuen organisatorischen oder rechtlichen Erfordernisse und Herausforderungen gerechnet werden, daher plante das Projektteam stets kurzfristig. Dennoch orientierte man sich aber immer an übergeordneten Projektzielen, um die langfristige Perspektive im Blick zu behalten.


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Tools für die Zusammenarbeit

Um den Verlauf des Projektes in notwendige Aufgaben und Arbeitsschritte aufzuteilen und alles übersichtlich darzustellen, testete das Team des V&A unterschiedliche Tools. Nach einer Probephase einigte man sich auf diese:

  • Mit Jira wurde das Arbeitspensum erfasst. Besonders für die Kommunikation mit dem Technikteam stellte sich dies als nützlich heraus.
  • Confluence kam zum Einsatz, um die Dokumentation des Projektes zu erfassen. Ein Pluspunkt war zusätzlich, dass Jira und Confluence vom gleichen Hersteller (Atlassian) stammen und verbunden werden können.*
  • Product Plan wurde genutzt, um Roadmaps des Projektes zu visualisieren. Dies war sowohl für die weitere Planung im Projektteam nützlich, als auch für die Präsentation der Fortschritte gegenüber anderen Abteilungen und für die Stakeholder.
  • Ergänzend wurde Slack für Absprachen innerhalb des Projektteams genutzt.
  • Microsoft Teams wurde genutzt, um die Aufgaben beteiligter Abteilungen im Blick zu behalten.
  • Da es bei dem Projekt des V&A um die Planung des Website-Bereichs „What’s On“ ging, wurde Fractal genutzt, eine Art digitales Baukastensystem. Mit dessen Hilfe konnte das Team des Museums Komponenten für das Projekt modular zusammenstellen und gleichzeitig dokumentieren.

* Helen May arbeitet ebenfalls mit beiden Tools, empfiehlt als kostenfreies Tool aber auch Trello. Zudem haben sich in ihrem Team – ganz analog – Whiteboards als sehr nützlich erwiesen, um mit Post-its die aktuellen Aufgaben zu visualisieren.


Kernfragen klären

Museen und andere Kulturinstitutionen stehen vor der Herausforderung, im Zuge der digitalen Transformation eine ganze Reihe an Projekten angehen zu müssen, welche sich letztendlich in ihre Gesamtstruktur einfügen und funktionieren müssen. Verschiedene Teilprojekte können hier durch agiles Projektmanagement angegangen werden, doch vorher müssen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wo wird das Projekt in der Struktur des Museums verortet?
  • Welche Bedürfnisse sollen befriedigt werden und welche Probleme werden gelöst?
  • Welche Zielgruppe soll erreicht werden und wie muss man hierfür vorgehen?
  • Sind alle notwendigen Voraussetzungen im Museum erfüllt, um agiles Projektmanagement einzusetzen – im Hinblick auf personelle Ressourcen, Erfahrungen und Kenntnissen sowie hinsichtlich der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen?

Fazit zum agilen Projektmanagement

Museen sind meist in einer strengen hierarchischen Ordnung strukturiert – im Vergleich dazu funktioniert agiles Arbeiten eher wie ein Netzwerk. Dies bedeutet für eine Institution eine erhebliche strukturelle Umstellung. Durch die Anschaffung diverser Software, den gezielten Einsatz von Buzzwords und den Einkauf eines teuren Beraters ist eine Transformation in Richtung Agilität aber nicht vollbracht. „Agil“ ist weniger eine Art zu arbeiten, sondern eher eine Einstellung. Dazu bedarf es eines grundlegenden Wertewandels, der Entscheidungshoheiten und Hierarchien aufbricht und die Mitarbeiter mit ihren Ideen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellt und oftmals neue Freiheiten ermöglicht.

Wenn ein Museum es ermöglichen kann, auf diese Weise Projekte anzugehen, entsteht ein System von miteinander verbundenen Teilen, die sich im Laufe der Zeit viel flexibler anpassen und weiterentwickeln können. Projekte können so schneller umgesetzt werden und auf Veränderungen kann effektiver reagiert werden.


Header-Bild: Angelika Schoder – Staatsoper Hamburg, 2016


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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