[Rezension] Als David Bowie 1976 als Außerirdischer auf die Erde kam, verlief die Begegnung mit den Menschen alles andere als positiv. Während „The Man Who Fell To Earth“ an der Rücksichtslosigkeit und Brutalität der irdischen Zivilisation letztendlich zerbricht, wird in „Star Trek“ die Vision einer Zukunft entwickelt, in der die Menschheit viele gesellschaftliche Probleme überwunden zu haben scheint – oder doch nicht? Wie nah sich Utopie und Dystopie im Science Fiction sind, zeigt aktuell die Ausstellung „Things to Come. Science – Fiction – Film“ im Museum für Film und Fernsehen – Deutsche Kinemathek in Berlin.
Science – Fiction – Film
Fremde Welten werden in der Literatur bereits seit mehreren Jahrhunderten beschrieben und seit den ersten Tagen der Filmgeschichte auch auf der Leinwand gezeigt. Das Science-Fiction-Genre spiegelt dabei nicht nur den jeweiligen Zeitgeist, sondern diskutiert auch grundlegende gesellschaftliche Fragen. Häufig spielen dabei Themen wie verschwindende Ressourcen, der technische Fortschritt oder die Begegnung mit dem Fremden eine zentrale Rolle.
Dem Sci-Fi-Film widmet sich nun eine Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen – Deutsche Kinemathek. Hierbei geht es nicht um die oberflächliche Betrachtung des Genres, in dem special effects und technische Details dominieren. Die Ausstellung, und auch der begleitende Katalog „Things to Come“, befassen sich eher mit den philosophischen Grundlagen des Science-Fiction. Die Gedankenexperimente über Zeit, Raum und Menschlichkeit verzeichnen dabei besonders seit den 1990ern eine Hochkonjunktur. Hierbei geht es nicht nur um die Erforschung neuer Welten und die Begegnung mit fremden Lebensformen, sondern es werden auch immer wieder aktuelle gesellschaftliche Fragen und Probleme aufgegriffen.
Wurde in den 1950ern noch der Kalte Krieg, die atomare Bedrohung oder die Angst vor einer Unterwanderung durch eine fremde Macht in den Sci-Fi-Filmen verarbeitet, geht es heute zunehmend um Naturzerstörung, Ressourcenknappheit, Gentechnik oder technische Überwachung. Doch es gibt auch Themen, die über die Jahrzehnte immer wieder aufgegriffen werden, etwa die Diskrepanz zwischen dem Leben einer Oberschicht im Überfluss auf Kosten und durch Ausbeutung einer Unterschicht, etwa bei Fritz Langs „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 oder bei Neill Blomkams „Elysium“ von 2013.
Der Weltraum: Die Ästhetik von „Prometheus“
Es wird vermutet, dass erst ein Prozent des Weltalls bis heute bekannt ist. Die übrigen 99 Prozent lassen viel Raum für Fantasie – das All ist Sehnsuchtsort und Projektionsfläche möglicher Bedrohungen zugleich. Die Gründe für den Aufbruch der Menschheit in die unendlichen Weiten können dabei Forschungsdrang sein, wie bei „Star Trek“ (ab 1966), die Ausbeutung von Ressourcen, wie bei James Camerons „Avatar“ (2009), oder die Suche nach einer neuen Heimat, wie bei Christopher Nolans „Interstellar“ (2014).
Der Weltraum als Handlungsort ist auf der Leinwand in erster Linie in Raumschiffen und Raumstationen präsent. Bis heute gilt Stanley Kubricks „2001: A Space Odissey“ aus dem Jahr 1968 als richtungsweisend was das Set Design angeht und diente auch Arthur Max als Inspirationsquelle, der als Production Designer an Ridley Scotts „Prometheus“ (2012) und an „The Martian“ (2015) mitarbeitete. Im Katalog zur Ausstellung „Things to Come“ berichtet Max im Interview, wie Kubricks Konzepte für „Prometheus“ in Einklang gebracht wurden mit den ersten Entwürfen des Künstlers HR Gieger für „Alien“ (1979). Während sich Gieger an Jugendstil und Art déco anlehnte, wurden für „Prometheus“ zusätzlich archaisch wirkende Elemente ergänzt. Dies sollte die Idee unterstreichen, dass die als „Konstrukteure“ bezeichneten Aliens die Ende in der Vergangenheit mehrmals besucht und so die menschliche Zivilisation immer wieder beeinflusst hatten. Verschiedene archaische Kulturen, wie die Babylonier, die Alt-Ägypter oder antike mittelamerikanische Kulturen, zeigen im Film Relikte von Sternenkarten, die auf die außerirdischen Besucher verweisen. Die Designphilosophie der Antike entspricht hier also auch der einer entfernten Zukunft. [1]
Die Gesellschaft der Zukunft: Dystopie und „Real Humans“
Science-Fiction-Filme und TV-Serien befassten sich in den vergangenen rund 100 Jahren nicht nur mit dem Leben im Weltall, sondern auch mit der irdischen Gesellschaft. Die Visionen, die hier entwickelt wurden, weisen oft dystopische Charakteristika auf. Thematisiert werden etwa postapokalytische Zustände infolge einer globalen Katastrophe, z.B. nach einem Virus wie in „The Last Man on Earth“ (1964), nach einem Aufstand der Maschinen wie in der „Matrix“-Trilogie (1999) oder nach einem Atomkrieg wie in „The Road“ (2009). Alternativ werden Gesellschaften gezeigt, die von einem totalitären Regime beherrscht werden und in denen Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden, etwa in „Nineteen Eighty-Four“ (1984). Oder es werden Szenarien entworfen, in denen sich unter einer hoch-technologisierten Oberfläche Abgründe verbergen, wie z.B. in Michael Bays „The Island“ (2005).
Wie Technologie die moderne Gesellschaft beeinflusst, zeigt sich besonders in Sci-Fi-Filmen und Serien, die sich mit Androiden, Robotern und Cyborgs befassen. Riskant wird es immer dann für die Menschen, wenn die Maschinen eine Art Bewusstsein entwickeln, wie in Ridley Scotts „Alien“ und dem Prequel „Prometheus“ oder in Kubricks „2001“. Die Technologie, die eigentlich als Unterstützung gedacht war, wendet sich gegen ihre Schöpfer – wie auch in „Blade Runner“ (1982). Dass man dabei als Zuschauer durchaus auch Sympathie für die rebellierenden Androiden entwickeln kann, beweist die schwedische TV-Serie „Äkta människor“ („Real Humans“, 2012), die in Deutschland bei ARTE gezeigt wurde. Die „Hubots“ werden hier gequält, missbraucht und verstümmelt – und erweisen sich häufig dennoch als mitfühlender, loyaler und hilfsbereiter als die Menschen aus Fleisch und Blut. Die Serie wirft damit die Frage auf: Was macht uns menschlich? Im Ausstellungskatalog „Things to Come“ betont der Drehbuchautor von „Äkta människor“, Lars Lundström, dass diese Frage eigentlich unmöglich zu beantworten sei. „Menschlichkeit ist eher Glaube als eine wissenschaftliche Tatsache“, so Lundström. [2]
Das Fremde: Aliens als Verbündete oder als Bedrohung
Gesellschaftliche Konflikte werden im Science-Fiction-Genre nicht nur aufgegriffen, wenn es um die zunehmende Technisierung geht. Spannungen zeigen sich auch in der Begegnung oder im Zusammenleben mit Außerirdischen. Besonders Gene Roddenberrys „Star Trek“ entwirft hier ein hoffnungsvolles Szenario, in dem die Menschheit gemeinsam mit vielen anderen Spezies friedlich in der United Federation of Planets koexistiert. Bei Konflikten wird, wenn möglich, eine diplomatische Lösung gesucht, statt direkt zu militärischen Mitteln zu greifen. Diese Zukunftsvision scheint mit der Annahme verknüpft, die Menschheit hätte sich im Laufe der Jahrhunderte intellektuell und emotional weiterentwickelt und destruktive Handlungsweisen hinter sich gelassen.
Es gibt aber auch Szenarien, in denen die Menschheit auch in Zukunft nichts dazu gelernt zu haben scheint und weiter von Profitgier und Kriegslust getrieben wird. Ein Beispiel ist der Konzern Weyland-Yutani, der versucht in Ridley Scotts „Alien“ (und in dessen Pre- und Sequels) die Xenomorph-Aliens als Ressource und für die Herstellung von Waffen zu nutzen. Im Entwicklungszyklus des parasitären Aliens verschwimmt hier zudem die Grenze zwischen dem Selbst und dem Fremden, denn Menschen dienen dem „unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt“ (so der deutsche Untertitel des ersten Films) als Wirtskörper. Dieses Konzept zeigt, dass die Bedrohung nicht immer von außen kommt, sondern – wortwörtlich – aus dem Menschen selbst.
Der Katalog zur Ausstellung „Things to Come. Science – Fiction – Film“, herausgegeben von Kristina Jaspers, Nils Warnecke und Gerlinde Waz, ist im Juli 2016 im Kerber Verlag erschienen (ISBN: 978-3-7356-0217-6). Der Katalog enthält, neben zahlreichen Artikeln und einem Exponatverzeichnis zur Ausstellung, Interviews mit Jacques Arnould, Monika Bauert, Manfred Hild, Lars Lundström, Arthur Max, Ulrich Walter und Christopher Welch.
Things to Come. Science – Fiction – Film
Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
30. Juni 2016 bis 23. April 2017
musermeku dankt dem Kerber Verlag für die kostenfreie Überlassung des Rezensions-Exemplars.
Header-Bild: Angelika Schoder – Hamburg 2016
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Interview mit Arthur Max: Die Zukunft beginnt mit einem leeren Raum, In: „Things to Come. Science – Fiction – Film“, Hg.v. Kristina Jaspers, Nils Warnecke und Gerlinde Waz, Kerber Verlag 2016, S. 35f
[2] Interview mit Lars Lundström: Menschlichkeit ist eher ein Glaube, In: Ebd., S. 81
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