[Rezension] Der isländisch-dänische Künstler Olafur Eliasson (*1967) ist für seine immersiven Arbeiten bekannt, etwa zuletzt die Installation „Life“ in der Fondation Beyeler. Die Themen Mensch und Natur sowie die Frage nach einem nachhaltigen Leben stehen dabei häufig im Mittelpunkt seiner Werke. Kreatives Zentrum seines Schaffens ist das Studio Olafur Eliasson in Berlin, um das sich eine bei Phaidon erschienene Publikation dreht. Das Buch „The Kitchen“ zeichnet nicht nur ein Porträt des Studios, sondern es ist vor allem eine Sammlung von Ideen und vegetarischen sowie veganen Rezepten. Denn Nachhaltigkeit beschäftigt das Team um Olafur Eliasson nicht nur in der künstlerischen Arbeit sondern auch beim täglichen Mittagessen.
„Gärten und Küchen haben das Potenzial, interaktive Klassenzimmer zu sein, genauso wie der Tisch das Potenzial hat, ein Inkubator für Ideen zu sein. Olafurs Küche, in der das Essen immer einfach und nachhaltig ist […] hat gezeigt, dass je schöner und bodenständiger das Essen ist – das selbst eine Art Kunst ist – desto reicher sind die Gedanken und desto fruchtbarer der Dialog.“ [1]
Alice Waters
In der Küche
Jeden Tag wird im Team des Studio Olafur Eliasson gekocht. Kunstschaffende und Menschen aus den Bereichen Architektur, Handwerk, Technik, Kunstgeschichte oder Archivwesen treffen sich zum gemeinsamen Essen. Das Buch „The Kitchen“ versammelt zahlreiche Lieblingsrezepte des Studios, gegliedert in verschiedene Themenbereiche: Studio, Körper, Pflanzen, Samen, Mikroorganismen, DNA, Mineralien und Universum. Jedes Kapitel wird dabei durch einen oder mehrere Texte eingeleitet, um einen Einblick in verschiedene Themen und Konzepte des Studios zu ermöglichen. Das Buch zeigt zudem zahlreiche Fotografien in Schwarz-Weiß und Farbe von gekochten Speisen und Zutaten, aber auch vom Studio und seinem Dachgarten, auf dem Gemüse angebaut wird. Ergänzt wird dies durch Diagramme, etwa zur Vielfalt von Samen oder zu den Laufbahnen von Himmelskörpern und der Bedeutung der Sonne für unser Essen.
„The Kitchen“ ist damit weit mehr als ein vegetarisches Kochbuch – wobei es sich natürlich lohnt, das eine oder andere Rezept nachzukochen. Bei der Mengenangabe sollte man dabei übrigens besser umrechnen: Die Rezepte basieren ursprünglich auf Gerichten für 60 Personen, dies verweist auf das ständig wachsende Team im Studio Olafur Eliasson. Im Buch wurden die Angaben meist für 6 Personen umgerechnet, was für den Hausgebrauch vielleicht etwas realistischer ist. Wer möchte, kann die Mengen natürlich weiter anpassen.
Neben den vegetarischen und teils auch veganen Rezepten gibt die Publikation „The Kitchen“ Einblicke in diverse Events, die im Studio regelmäßig stattfinden, und stellt Gäste vor, die bereits im Studio gekocht haben. Hierzu zählt auch Olafur Eliassons Schwester Victoria Eliasdóttir, die gelegentlich im Studio zu Gast ist und auch ein eigenes Restaurant betreibt.
„Essen ist eine Erfahrung, die wir buchstäblich im Inneren machen, und unser Wissen über den Hunger und das Essen in unseren Mägen ist mehr als alles andere ein gefühltes Wissen. Unsere Erfahrungen sind verkörpert, eingebettet in das tägliche Leben. Dieses Thema der Verkörperung steht schon lange im Zentrum meiner künstlerischen Praxis.“ [2]
Olafur Eliasson
Essen als Verbindung zur Natur
Mit „The Kitchen“ soll die Verbindung zwischen Menschen, Nahrung und der Sonne als System eines Energieaustauschs thematisiert werden. Für Olafur Eliasson stellt dies nämlich ein Ökosystem aus Geben und Nehmen dar. Das Buch nutzt der Künstler, um Essen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, von der mikroskopischen bis hin zur makroskopischen Ebene. Ihn fasziniert dabei, dass Essen – als essentiell für das menschliche Leben – zum Alltag eines jeden gehört.
Im Studio Olafur Eliasson ist die Küche der Ort, an dem alle aus dem interdisziplinären Team zusammenkommen, nicht nur um gemeinsam zu essen, sondern auch um sich untereinander auszutauschen. Für Olafur Eliasson ist hier der Platz, um Ideen zu teilen und sich inspirieren zu lassen. Gleichzeitig ist der Esstisch natürlich auch der Ort, an dem man über die Arbeit spricht oder Smalltalk pflegt.
Alles begann im Jahr 2005, damals bestand das Team des Studios aus nur 15 Menschen. Olafur Eliasson engagierte zu dieser Zeit die Künstlerin und Köchin Asako Iwama. Kurz darauf wurde zusätzlich Lauren Maurer ins Team geholt. Rund zehn Jahre leiteten beide die Küche im Studio Olafur Eliasson – eine Zeit, die größtenteils im Buch „The Kitchen“ dokumentiert wird. Das Küchenteam hat sich mittlerweile verändert, doch nach wie vor wird das gleiche Konzept verfolgt: Aus Bio-Zutaten entstehen überwiegend vegetarische Gerichte.
„Kochen ist Fürsorge für andere. Es ist eine Geste der Großzügigkeit und Gastfreundschaft, die als sozialer Klebstoff funktioniert; es verstärkt soziale Beziehungen und übersetzt Gedanken in Essen, in Geben und Teilen. Wenn wir kochen, nutzen wir die Welt und produzieren sie gleichzeitig. Und durch das Essen nehmen wir die Welt in uns auf und bringen Licht in unseren Körper.“ [3]
Olafur Eliasson
Vegetarische und vegane Rezepte
Die Publikation „Studio Olafur Eliasson: The Kitchen“ ist – neben allen theoretischen Texten, Zeichnungen und Fotografien aus dem Studio – vor allem auch ein Kochbuch mit überwiegend leicht umzusetzenden vegetarischen und veganen Rezepten. Von Kuchen und Keksen, Nudelgerichten, Suppen und Salaten bis hin zu Saucen, Dips und Brot ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Inspiration für die Gerichte ist mal in der italienischen, chinesischen, indischen oder französischen Küche zu finden. Unser Lieblingsrezept kennt man auch in Spanien:
Kartoffelkroketten
für 6 Personen: 8 große Kartoffeln, 2 Esslöffel Butter, 1 große Zwiebel, Salz und Pfeffer, 2 Esslöffel Mehl, 1 Ei, 3 Esslöffel Semmelbrösel, 500 ml Pflanzenöl zum frittieren
Zunächst werden die Kartoffeln gekocht, geschält und zerstoßen. Dann wird die Butter in einer hohen Pfanne geschmolzen und darin die klein geschnittene Zwiebel karamellisiert. Die Zwiebelstückchen werden im Anschluss mit dem Kartoffelstampf gemischt und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Aus der Masse werden nun etwa 5 cm große Kroketten geformt. Diese werden dann erst in Mehl, dann in mit etwas Wasser verquirltem Ei und schließlich in den Semmelbröseln paniert. In der Pfanne wird nun das Öl erhitzt. Die Kroketten werden darin ausgebacken, bis sie mittelbraun sind. Schließlich noch die Kroketten auf einem Papiertuch abtropfen lassen und heiß servieren.
Die Publikation „Studio Olafur Eliasson: The Kitchen“ ist erstmals 2013 bei Phaidon Press erschienen (ISBN: 978-0-7148-7111-0). Das englischsprachige Buch enthält neben veganen und vegetarischen Rezepten auch Texte u.a. von Alice Waters, Olafur Eliasson, Asako Iwama und Lauren Maurer.
musermeku dankt der Fondation Beyeler für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.
Header-Bild: Angelika Schoder – Life von Olafur Eliasson in der Fondation Beyeler, 2021
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Alice Waters: Foreword, In: Olafur Eliasson: The Kitchen, 2019, S. 10, übersetzt von der Autorin.
[2] Olafur Eliasson: Eat Art Work, In: Ebd., S. 12, übersetzt von der Autorin.
[3] Ebd., übersetzt von der Autorin.
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