Museen in Winterthur: Zwischen Kunst, Kino und Industriekultur

Ein Besuch der Museen in Winterthur lohnt sich. Doch auch das Sulzer Areal und die Internationalen Kurzfilmtage sind sehenswert.

Ein Besuch der Museen in Winterthur lohnt sich. Doch auch das Sulzer Areal und die Internationalen Kurzfilmtage sind sehenswert.

[Pressereise] Wahrscheinlich gibt es kaum eine Stadt auf der Welt, die nur 110.000 Einwohner hat und gleichzeitig über so hochkarätige Kunstsammlungen verfügt. Ein Besuch in Winterthur lohnt sich aber nicht nur für einen ausgiebigen Besuch der vielen Museen, sondern auch für eine Tour durch das Sulzer-Areal, ein einzigartiges Gebiet der Industriekultur. Im November lädt Winterthur zudem jedes Jahr zu den Internationalen Kurzfilmtagen ein. Wir waren in „Winti“ unterwegs, geben einen kleinen Überblick über die schönsten Museen in Winterthur und zeigen die besten Kulturorte der Stadt…


Die Stadtkirche Winterthur ist den drei Stadtheiligen St. Laurentius, St. Alban und St. Pankratius gewidmet.

Die Altstadt von Winterthur

Die meisten Museen in Winterthur liegen in oder um die historische Altstadt, etwa das Gewerbemuseum mit dem Uhrenmuseum am Kirchplatz oder die Kunsthalle Winterthur im Waaghaus. Wenige Meter entfernt befinden sich das Kunstmuseum beim Stadthaus und das Kunstmuseum Reinhardt am Stadtgarten, das im gleichen Gebäude wie das Naturmuseum und das Münzkabinett untergebracht ist.

Architektonisch sehenswert sind besonders das im Stil des Historismus nach Entwürfen von Gottfried Semper erbaute Stadthaus und das Rathaus, mit seinem von Arkaden gesäumten Rathausdurchgang im Stil der Neorenaissance. Die Stadtkirche, die den drei Stadtheiligen St. Laurentius, St. Alban und St. Pankratius gewidmet ist, gilt als eines der Wahrzeichen von Winterthur. Sehenswert sind außerdem das barocke „Haus zur Geduld“, das „Haus zur Sonne“ von 1557, das im Stil der Neorenaissance erbaute „Haus zum Warteck“ oder die drei Judd-Brunnen in der Steinberggasse, die vom US-amerikanischen Minimal-Art-Künstler Donald Judd (1928-1994) geschaffen wurden.

Seit 1971 findet mit dem Albanifest in Winterthur übrigens immer Ende Juni das grösste Altstadtfest Europas statt.


Das Gebäude des früheren Kunstmuseums wurde 1916 eingeweiht.

Das Kunst Museum Winterthur – Beim Stadthaus

Das Kunstmuseum beheimatet die viertgrößte öffentliche Sammlung von Kunst der Moderne in der Schweiz. Träger ist der 1848 gegründete Kunstverein Winterthur. Das Gebäude, das Elemente des Jugendstils und des Neoklassizismus aufweist, wurde von 1913 bis 1915 nach Plänen der Architekten Robert Rittmeyer und Walter Furrer erbaut und 1916 eröffnet. Im Jahr 1995 wurde das Museum durch einen Erweiterungsbau des Zürcher Architekturbüro Gigon/Guyer ergänzt. Die verglaste Stahlkonstruktion soll an Industriearchitektur erinnern und war 1997 Finalist beim Mies van der Rohe Award for European Architecture.

Die Werke der Sammlung stammen in erster Linie aus Privatsammlungen, etwa von Georg Reinhart, Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler und Heinrich Wolfer-Sulzer. 1973 erhielt das Museum aus dem Nachlass von Clara und Emil Friedrich-Jezler eine der bedeutendsten Schweizer Sammlungen von Kunst der klassischen Moderne. Neben der Sammlungspräsentation mit Werken von Vallotton, van Gogh oder Picasso werden im Erweiterungsbau regelmäßig Sonderausstellungen zeitgenössischer und moderner Künstler gezeigt.


Das ehemalige Museum Oskar Reinhart wurde 1951 eröffnet und war das erste private Museum der Schweiz.

Das Kunst Museum Winterthur – Reinhart am Stadtgarten

Das Kunstmuseum Reinhart am Stadtgarten wurde ursprünglich 1951 als erstes privates Museum der Schweiz eröffnet. Der Sammler Oskar Reinhart (1885–1965), Mitbegründer des Kunstvereins Winterthur, förderte und sammelte neben Schweizer Künstlern auch deutsche und österreichische Kunst, insbesondere Werke der Frühromantik und des Realismus. Zu den Highlights der Sammlung gehören die „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich (1818) sowie Werke von Moritz von Schwind und Philipp Otto Runge. Das Museum zeigt neben der Sammlung von Reinhardt auch Werke niederländischer Meister des „Goldenen Zeitalters“ aus der Stiftung Jakob Briner und eine Auswahl von Porträtminiaturen aus den Sammlungen Briner und Kern.

Oskar Reinharts Villa mit der Sammlung von Altmeistern sowie französischer Impressionisten ist ergänzend in der „Sammlung Oskar Reinhart – Am Römerholz“ zu sehen.


Das Naturmuseum Winterthur verfügt über drei verschiedene Sammlungsabteilungen mit 125.000 Objekten.

Das Naturmuseum Winterthur

Das Naturmuseum Winterthur ist im Erdgeschoss des Kunstmuseum beim Stadthaus untergebracht. Die Dauerausstellung führt durch die heimischen Lebensräume mit ihren Pflanzen und Tieren: In der Stadt lauert der Marder unter einem Auto, im Lebensraum Haus entdeckt man übergroße Hausstaubmilben und im Wald sind Rehe, Hasen und Eulen unterwegs. Immer wieder wird ein lokaler Bezug hergestellt, angefangen bei der Eiszeit mit Fossilien aus Winterthur bis hin zur Darstellung der Landschaftsentwicklung im Laufe der Epochen. Besonders faszinieren aber die zahllosen Tierpräparate – von historischen Exponaten aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu lebensecht wirkenden Protagonisten der heimischen Tierwelt.

Die Ausstellung ist interaktiv und multisensorisch aufgebaut. Es lassen sich Vogelstimmen erraten oder Alpengletscher an Tastmodellen erfühlen. Das Museum überzeugt mit einer ausgefeilten Szenografie, so werden etwa im Untergeschoss im Schiff „Ida Ziegler“ in Kisten verpackt Objekte aus der ethnologischen Sammlung gezeigt. Das Schiff ist in voller Fahrt, die Holzbalken um den Besucher herum knarzen und das Meeresrauschen ist zu hören. Neben der ungewöhnlichen und spannenden Sammlungspräsentation im Naturmuseum finden ergänzend immer wieder Sonderausstellungen statt, etwa über Eichhörnchen, Gifte oder Sex im Tierreich.


Die Kunsthalle Winterthur zeigt jährlich fünf bis sechs Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Die Kunsthalle Winterthur

Inmitten der Altstadt ist im Waaghaus die Kunsthalle Winterthur untergebracht. Das gotische Gebäude wurde 1503 errichtet und diente zunächst als Kaufhaus in dem auch die Stadtwaage angesiedelt war. Hier wurden Waren gewogen und verzollt – daher stammt der Name des Hauses.

Bis 1915 war hier das Kunstmuseum Winterthur ansässig. Im Jahr 1980 wurden die Räume dann offiziell der Kunsthalle übergeben. Die Kunsthalle Winterthur präsentiert jährlich fünf bis sechs Wechselausstellungen zeitgenössischer Künstler, aus der Schweiz oder auch international. Mit dem „Dritten Raum“ bietet die Institution ergänzend einen Kommunikations- und Begegnungsort mit einer Sofaecke, einer kleinen Bibliothek sowie einer Auswahl von Künstlerpublikationen aus der Sammlung von „Publish and be damned“. Gestaltet wurde der „Dritte Raum“ vom Schweizer Künstler Mark Divo (*1966).


Das Sulzer-Areal in Winterthur liegt südwestlich des Hauptbahnhofs zwischen Zürcherstrasse und dem Bahnareal.

Das Sulzer-Areal

Südwestlich vom Hauptbahnhof Winterthur liegt das Sulzer-Areal. Das heute weitestgehend stillgelegte Industrieareal ist benannt nach dem Winterthurer Sulzer-Konzern. Dieser geht zurück auf die Gründung der ersten Winterthurer Metallgiesserei im Jahr 1834 durch die Gebrüder Sulzer. Über 150 Jahre wuchs das Sulzer-Industriequartier auf insgesamt über 33.000 Mitarbeiter. Das Areal erreichte schließlich eine Größe vergleichbar mit der Winterthurer Altstadt.

Nach dem Auszug der Schwerindustrie Ende der 1980er Jahre begannen die Planungen für die nicht-industrielle Zukunft des Sulzer-Areal, das eine der ersten Industriebrachen der Schweiz wurde. Mittlerweile sind dort Wohnhäuser, Büros, Geschäfte und eine kulturelle Infrastruktur entstanden.


Das Dampfzentrum Winterthur befasst sich mit der Industriegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Das Dampfzentrum Winterthur

Im Jahr 2011 gelangten mehr als 600 Tonnen Kulturgüter aus der Zeit der Industrialisierung der Schweiz nach Winterthur. Hintergrund war die geplante Verschrottung des Dampfschiffes „Blüemlisalp“ auf dem Thunersee. Damit wurde der Grundstein gelegt für die umfangreichste Sammlung schweizerischer Dampftechnologie. Ein großer Teil der ehemaligen Thuner Vaporama-Sammlung war in den Winterthurer Werkstätten von Sulzer und SLM gebaut worden. Das Dampfzentrum, das mitten im Sulzer-Areal in einer ehemaligen Fabrikhalle liegt, hat damit einen direkten Bezug zur Geschichte der Stadt.

Ausgestellt werden Dampfmaschinen, die dem Antrieb von Generatoren dienten und in Schiffen und Lokomotiven zum Einsatz kamen. Ein großes Team an ehrenamtlichen Helfern hat seit 2013 die über 80 historischen Maschinen restauriert und ihre Funktionsfähigkeit wieder hergestellt. Der Verein Dampfzentrum Winterthur widmet sich, neben der Erhaltung von Maschinen, auch der Dokumentation der Geschichte der Industrialisierung der Schweiz. Ziel ist es, ein Museum zu errichten, das die Sammlung umfangreich erschließt und erforscht.


Die Halle 53 ist eine Industriehalle, die u.a. von der „Jungkunst“ genutzt wird.

Die Jungkunst Halle 53 und der Kunstkasten

In der Halle 53 auf dem Sulzer-Areal sind heute noch die Spuren der „Jungkunst“ zu finden, einer Ausstellung junger Schweizer Kunstschaffender. Beim Kunstfestival trafen Malerei und Fotografie auf Street Art, Videokunst und Installationen. Aktuell wird das Gebäude als Parkhaus und für verschiedene Kulturveranstaltungen genutzt.

Direkt vor der Halle 53 ist der „Kunstkasten“ zu finden. Das 1999 ins Leben gerufene Projekt bietet Künstlern einen kleinen Ausstellungsraum mitten im Sulzer-Areal. Der „Kunstkasten“ fördert besonders nationale bzw. lokale Kunstschaffende, die als Einzelakteure oder als Kollektiv tätig sind. Begleitend zu den „Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur“ fand von Oktober bis November 2018 eine Sonderausstellung von Yvonne Pispico statt, in der sich die Künstlerin mit ihrer Migrationsgeschichte und ihren Parallelen zur europäischen Geschichte auseinandersetzte.


Die Villa Flora war von 1995 bis 2014 ein privates Kunstmuseum des Sammlerehepaars Hahnloser.

Das Museum Villa Flora

Die Villa Flora wurde 1846 im klassizistischen Stil erbaut und 1898 von Hedy Bühler erworben. Die kunstinteressierte Frau unterhielt freundschaftliche Kontakte zu verschiedenen zeitgenössischen Künstlern. Zu ihrem Freundeskreis gehörten etwa Édouard Vuillard (1868–1940) oder Pierre Bonnard (1867–1947). Hedy und ihr Mann Arthur Hahnloser begannen zwischen 1906 und 1936 eine umfangreiche Kunstsammlung anzulegen. Diese umfasste Werke des Postimpressionismus, der Künstlergruppe Nabis und der Fauves sowie Werke von zeitgenössischen Schweizer Künstlern wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti.

Nach dem Tod von Arthur Hahnloser im Jahr 1936 begann das „öffentliche Leben“ der Villa Flora, denn ab dann empfing Hedy Kunstliebhaber als Gäste in ihrem Haus. Diese Tradition führte ihre Tochter Lisa Jäggli-Hahnloser fort, die 1952 die Villa mit ihrer Familie bezog, nachdem auch Hedy verstorben war. Im Jahr 1995 konnte das Haus dann auch offiziell als Museum seine Türen für Besucher öffnen – bis zu seiner Schließung im Jahr 2014. Das Museum Villa Flora wird aktuell umgebaut und soll voraussichtlich 2022 wieder eröffnet werden.


Das Gewerbemuseum Winterthur ist im alten Zeughaus untergebracht, das 1849/50 als Mädchengymnasium errichtet worden war.

Das Gewerbemuseum Winterthur und das Uhrenmuseum

Das Thema Alltagskultur, von Design bis hin zur industriellen Produktion, steht im Gewerbemuseum im Mittelpunkt. Die Ursprünge des Museums gehen dabei bis ins Jahr 1874 zurück. Das Museum ist heute im ehemaligen Mädchengymnasium Winterthur untergebracht, das 1849/50 nach Entwürfen von Ferdinand Stadler errichtet worden war. Neben wechselnden Sonderausstellungen zu vielschichtigen Design- und Industriethemen bietet das Museum ein interaktives Labor für Materialrecherchen. Das „Material-Archiv“, eine Ausstellung und gleichzeitig ein Forschungslabor, bietet Einblicke in Werkstoffe, die in der Kunst, im Design, in der Architektur oder im Handwerk zum Einsatz kommen. Hier kann alles angefasst und ausprobiert werden – von dem Test von Gerüchen bis hin zu Experimenten mit Licht.

Im Untergeschoss des Gewerbemuseums ist das Uhrenmuseum Winterthur untergebracht. Zur Dauerausstellung gehört die Uhrensammlung Konrad Kellenberger mit eisernen Hausuhren des 15. bis 17. Jahrhunderts aus dem deutsch- und französischsprachigen Raum, Konsolenuhren der Winterthurer Uhrmacherfamilie Liechti sowie Schweizer Holzräderuhren aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Ergänz wir dies durch die Taschenuhrensammlung von Oscar Schwank mit rund 220 Exponaten.


Jeden November finden in Winterthur die Internationalen Kurzfilmtage statt.

Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur und die Kurzfilmnacht

Alles begann 1997, als ein paar Freunde die „1. Winterthurer Kurzfilmtage“ ins Leben riefen. Aus rund 750 Filmbesuchern sind mittlerweile, über zwei Jahrzehnte später, tausende von Filmfans geworden, die Jahr für Jahr im November aus der ganzen Welt nach Winterthur kommen. Immer stehen andere Gastländer mit ihren Kurzfilmen im Fokus, es werden Preise für Schweizer Filmschaffende vergeben, aber auch im internationalen Wettbewerb sowie ein Publikumspreis.

Seit 2017 bieten die Kurzfilmtage übrigens auch ein eigenes „Virtual Reality Cinema“ an, dessen Vorstellungen immer restlos ausverkauft sind. Das extra dafür eingerichteten Kino im Theater Winterthur, mit Drehstühlen für ein 360-Grad-Erlebnis und VR-Brillen sowie Kopfhörern, schafft es, ein gemeinsames Kinoerlebnis entstehen zu lassen, obwohl jeder Besucher individuell in die virtuelle Welt abtaucht.

Als Schweizer Kompetenzzentrum für den Kurzfilm engagiert sich das Kern-Team hinter den „Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur“ übrigens ganzjährig für die Promotion des Kurzfilms im In- und Ausland. Der Fokus liegt auf einer nachhaltigen Förderung in Form von Verbreitung, Vermittlung und Vernetzung des Kurzfilms und seiner Akteure. Neben den Kurzfilmtagen im November werden auch in der ganzen Schweiz Kurzfilmnächte organisiert – aktuell in über 20 Städten.


Weitere Museen in Winterthur

musermeku dankt den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur und House of Winterthur für die Einladung zum Besuch des Festivals sowie für die Übernahme der Kosten der Reise.


Bilder: Angelika Schoder – Winterthur, 2018


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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