[Ausstellung] Der spanischen Bildhauerin Luisa Roldán gelang im 17. Jahrhundert etwas, was kaum ein Künstler erreichte – insbesondere keine Frau: Sie wurde von Karl II. zur Königlichen Bildhauerin ernannt, eine Position die sie auch unter seinem Nachfolger Philipp V. beibehielt. Sie war zudem die erste spanische Künstlerin, die in die Akademie des Heiligen Lukas in Rom aufgenommen wurde; eine Ehre, die zuvor keinem anderen Bildhauer aus Spanien zuteil wurde. Eine Ausstellung im Museo Nacional de Escultura in Valladolid widmet sich nun dieser außergewöhnlichen Künstlerin und bietet einen Einblick in ihr Leben und ihr umfangreiches Werk, von filigranen Krippenfiguren bis hin zu lebensgroßen Skulpturen von Heiligen.
Luisa Roldán, die Königliche Bildhauerin
Wer war Luisa Roldán (1652-1706), die erste Frau, die zur Königlichen Bildhauerin am spanischen Hof ernannt wurde? Dieser Frage geht nun eine Ausstellung im spanischen Valladolid nach. „Luisa Roldán. Escultora real“ beleuchtet verschiedene Aspekte ihrer Ausbildung, stellt ihre Inspirationsquellen vor und bietet einen Einblick, wie sich die Künstlerin immer wieder verschiedenen Arbeitsprozessen und werkspezifischen Kontexten anpasste.
Im 17. Jahrhundert war es nicht leicht für Frauen, als Künstlerin anerkannt zu werden – Luisa Roldán war eine der wenigen, denen dies gelang, auch wenn ihr Werk zeitweise im Schatten ihres Vaters Pedro Roldán stand. Ihre Zeitgenossen schätzten sie, wie etwa der Kunsthistoriker Antonio. In seinem Nachruf auf sie bezeichnete er Roldán als „bedeutende Bildhauerin“, die sich mit ihrem Werk einen „unsterblichen Namen“ gemacht hatte.
Leider verlor das Werk Roldáns in den folgenden Jahrhunderten in der kunsthistorischen Forschung an Anerkennung und man konzentrierte sich bevorzugt auf ihre männlichen Kollegen. Erst 1927 wurde die Bildhauerin neu entdeckt, durch die Forschung der Kunsthistorikerin Elena Amat (1910-2006), die allerdings nie veröffentlicht wurde. Die aktuelle Ausstellung zu Luisa Roldán baut auf dieser Forschung auf und macht sie so, fast 100 Jahre später, doch noch auf eine Art öffentlich zugänglich.
Die Fabrik der Künstler
Luisa Roldán lernte ihr Handwerk bei ihrem Vater Pedro Roldán, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die wichtigste Bildhauerwerkstatt in Sevilla unterhielt. Von seiner „Fabrik der Künstler“ aus verbreitete sich der italienische Einfluss Berninis, den der flämische Bildhauer José de Arce in die Werkstatt mitbrachte, über weite Teile Andalusiens. In Pedro Roldáns Werkstatt wurde man hauptsächlich darin ausgebildet, bemalte Holz-Skulpturen in verschiedenen Formaten herzustellen, auch für große Altarbilder und Prozessionen.
Luisa Roldán lernte hier das, was ihr Vater an der sogenannten Murillo-Akademie lehrte, die sie als Frau selbst nicht besuchen konnte. Besonders in ihrem späteren Werk wird deutlich, dass sie sich außerdem mit Stilen und Techniken auseinandersetzte, die von den bekannten Künstlern eingebracht wurden, die in der Werkstatt ihres Vaters verkehrten. Hierzu zählt etwa der Maler Juan de Valdés Leal, ein Freund der Familie und Mitarbeiter ihres Vaters. Auch dessen Schwestern Francisca und María Josefa wurden in der Werkstatt von Pedro Roldán ausgebildet, jeweils als Skulpturen-Malerin und als Bildhauerin. Luisa Roldán war also nicht die einzige Frau, die hier ihr Kunsthandwerk lernte. Die Arbeit in der Werkstatt legte nicht nur das Fundament für ihre berufliche Laufbahn; sie lernte hier auch den Mann kennen, der später ihr Ehemann und Kollege werden sollte, den Bildhauer Luis Antonio de los Arcos (1652-1711).
Sevilla als künstlerischer Beginn
Zwischen 1671 und 1686 arbeitete das Künstler-Ehepaar als Bildhauer in Sevilla, aber nur Luis Antonio de los Arcos’ Name taucht in den Verträgen auf, weil es Luisa Roldán als Frau rechtlich nicht erlaubt war, als Vertragspartnerin für beauftragte Kunstwerke genannt zu werden. Wie die Ausstellung zeigt, ist nicht nur ihre namentliche Zuordnung zu Werken dieser Zeit daher schwierig, auch stilistisch sind ihre Arbeiten kaum von denen ihres Vaters zu unterscheiden. Erst später entwickelte die Bildhauerin allmählich ihren eigenen Stil, den sie während ihrer gesamten Laufbahn beibehalten sollte. Gleichzeitig passte sie sich aber auch immer an die Umstände der verschiedenen Aufträge an, da ihre Arbeiten manchmal auch in andere größere Werke wie Altarbilder oder Prozessionswagen integriert wurden.
Ein Beispiel in der Ausstellung ist eine Prozessionsgruppe, die Roldáns Ehemann zusammen mit Cristóbal de Guadix für die Hermandad de la Exaltación (Bruderschaft der Erhöhung) zwischen 1678 und 1682 erstellte. Luisa Roldán bemalte die lebensgroßen Skulpturen und stellte ihr Können unter Beweis, ob bei der Darstellung der menschlichen Anatomie, bei farbenfrohen trauernden Engeln oder bei sorgfältig gestalteten Reliefs. Durch ihr außergewöhnliches Talent erarbeitete sie sich einen exzellenten Ruf, der sie sogar außerhalb von Sevilla bekannt machte. So erhielt sie etwa den Auftrag für ein Gewandbild des Heiligen Johannes für den Hospitalorden in Sanlúcar de Barrameda (Cádiz). Das Bild orientiert sich am echten Porträt des Ordensgründers.
Kunst im Detail: Weihnachtskrippen
Bereits im Jahr 1800 lobte der Historiker Juan Agustín Ceán Bermúdez die Geschicklichkeit von Luisa Roldán bei der Bildhauerei von Krippenfiguren. Bis heute sind diese Diorama-ähnlichen Inszenierungen der Geburt Jesu mit zahlreichen Figuren in jeder spanischen Stadt zur Weihnachtszeit zu finden. Die Krippen kamen im 16. Jahrhundert in Spanien auf; auch Pedro Roldán schuf wohl große Ensembles von Krippenfiguren und lehrte seiner Tochter deren Anfertigung.
Das Skulpturenmuseum zeigt in der Ausstellung eine Krippenszene und die Prozession der Heiligen Drei Könige, bestehend aus 24 Figuren aus bemaltem Zedernholz. Zur traditionellen Prozession kommt die eines vierten Weisen hinzu, es ist der mythische König von Tarsis. Wahrscheinlich wurde das Ensemble in Cádiz angefertigt, einer Stadt, die mit der biblischen Hauptstadt identifiziert wird. Es ist möglich, dass es sich bei den Krippenfiguren um ein Geschenk für eine hochrangige Persönlichkeit handelt, die mit dem Madrider Hof verbunden war.
Roldáns Arbeit von Cádiz bis Madrid
In den 1680ern waren die Werke von Luisa Roldán bereits weit in Spanien verbreitet, bis nach Teneriffa. Von der Stadtverwaltung von Cádiz erhielt sie gleich mehrere Aufträge, sowohl für die Kathedrale als auch für neue Schnitzereien der Schutzpatrone der Stadt, der Märtyrerheiligen Servando und Germán. Diese fertigte sie zusammen mit ihrem Ehemann Luis Antonio und ihrem Schwager Tomás de los Arcos an.
Um einen größeren Kundenkreis und mehr Anerkennung zu finden, zog es Luisa Roldán 1689 an den Königshof nach Madrid. Hier lernte sie die neuesten Kunstentwicklungen kennen und ließ sich davon für ihre spätere Arbeit inspirieren. Bei König Karl II. und Königin Maria Anna von Neuburg sowie bei der Königinmutter Maria Anna von Österreich brachte sie sich schnell ins Gespräch. Bereits im Oktober 1692 wurde sie zur Escultora de Cámara (Kammerbildhauerin) ernannt. In dieser Zeit stellte sie vor allem Terrakotta-Gruppen und kleinformatige Werke mit diversen religiösen Figuren her, die von Tomás de los Arcos bemalt wurden. Gleichzeitig fertigte Roldán auch Holzskulpturen an, zum Beispiel das bedeutende Paar der Niños Nazarenos, die im Auftrag der Königin Maria Anna von Neuburg entstanden.
Mit der Ernennung zur Königlichen Bildhauerin am spanischen Hof begann für Luisa Roldán eine neue Ära. Auf den Tod von Karl II. im November 1700 folgte Philipp V. und Roldán bewarb sich erfolgreich erneut auf die Stelle als Kammerbildhauerin beim neuen Regenten. In dieser Zeit entstanden zentrale Werke wie die „Jungfrau mit dem Kind“ und die Heiligen Joaquín und Anna oder die „Geburt Christi mit dem Heiligen Gabriel und dem Heiligen Michael“. Ihre Werke gelangten bis nach Rom zur Akademie von San Luca. Im Januar 1706 wurde sie mit einer Mitgliedschaft hier geehrt. Die Bildhauerin erfuhr von dieser Anerkennung allerdings nichts mehr – sie war wenige Tage zuvor in Madrid verstorben.
Ein Blick in die Restaurierung
Im letzten Abschnitt bietet die Ausstellung einen Blick auf Restaurierungsprozesse, etwa anhand der „Jungfrau von Valvanera“. Das Team des Skulpturenmuseums in Valladolid fertigte hierzu verschiedene wissenschaftliche Studien an, vor allem zu den von Roldán genutzten Materialien und Techniken. Diese Forschung trug dazu bei, das Schaffen der Bildhauerin und ihre Arbeitsprozesse noch einmal besser zu verstehen.
In einem Video am Ende der Ausstellung kann der Entstehungsprozess einer Skulptur nach Roldáns Vorbild beobachtet werden, von der Erstellung einzelner Elemente einer Skulptur aus einem Holzblock bis hin zu den aufwändigen Techniken der Bemalung und Vergoldung der Gewänder der geschnitzten Figuren.
Luisa Roldán. Escultora real
Museo Nacional de Escultura, Valladolid
29.11.2024-09.03.2025
Bilder: Angelika Schoder – Museo Nacional de Escultura, Valladolid 2024
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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