Von AC/DC bis Stasi: Heavy Metal in der DDR

In den 1980er Jahren entstand in vielen Ländern eine Metal-Szene, auch in Ost-Deutschland. Die Ausstellung „Heavy Metal in der DDR“ lässt nun Zeitzeugen zu Wort kommen und zeigt, wie sich die Subkultur unter den Augen des SED-Regimes entwickelte.

Die Ausstellung "Heavy Metal in der DDR" zeigt, wie sich die Metal-Szene im Osten in den 1980er Jahren und darüber hinaus entwickelte.

[Ausstellung] Ungewöhnliche Frisuren, auffällige Kleidung und ein Musikgeschmack, der nicht unbedingt massentauglich ist: Wer zu einer Subkultur gehört, insbesondere als Jugendlicher, eckt in der Gesellschaft schon mal an und wird skeptisch betrachtet. Um so mehr traf das auf Subkulturen zu, die sich in der DDR entwickelten, also in einem gesellschaftlichen und politischen System, das auf Konformität ausgerichtet war und das auch von systematischer staatlicher Überwachung geprägt war. Auf eine dieser Subkulturen, die in Ost-Deutschland entstand, blickt jetzt die Ausstellung „Heavy Metal in der DDR“ im Museum in der Kulturbrauerei in Berlin. Die Ausstellung konzentriert sich dabei auf Zeitzeugen und ihre Erlebnisse, von Metal-Fans bis hin zu Mitgliedern in Metal-Bands, und zeigt: Heavy Metal war und ist vor allem ein Lebensgefühl – auch im Osten.


Die Metal-Subkultur in der DDR

Am 9. März 1988 äußerte sich Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit in der DDR, auf der erweiterten Kollegiumssitzung des MfS über alternative Jugendkulturen, und zwar insbesondere über „solche nach westlichen Verhaltensmustern auftretende Kräfte“ wie Punks, Gruftis, Skinheads sowie „Heavy Metals und deren Sympathisanten“. Er betonte dabei, dass von „derartigen Gruppierungen, Zusammenschlüssen beziehungsweise Konzentrationen […] nicht zu unterschätzende Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ ausgehen würden.

Einer dieser argwöhnisch betrachteten Subkulturen in der DDR widmet sich nun eine Ausstellung im Berliner Museum in der Kulturbrauerei. Sie zeigt, wie sich im Jahrzehnt vor dem Mauerfall und vor der deutschen Wiedervereinigung im Osten eine Heavy-Metal-Szene entwickelte, die sich am Westen orientierte. Die Fans im Osten feierten US-amerikanische und britische Bands wie Metallica und Iron Maiden ebenso wie die Metal-Fans auf der anderen Seite der Grenze, mussten aber systembedingt deutlich größere Hürden auf sich nehmen, um Zugang zur Musik aus dem Ausland zu bekommen oder ihre Outfits im authentischen Metal-Look zusammenzustellen.

Die Ausstellung „Heavy Metal in der DDR“ gewährt einen Blick in den Alltag von Fans und Metal-Bands, von Postern und Nieten-Armbändern über Gitarren und Schallplatten bis hin zu selbst gestalteten Kutten und Konzert-Flyern. Das Herzstück der Ausstellung sind dabei die zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen, die davon berichten wie es war, in den 1980er Jahren in der Metal-Szene im Osten unterwegs zu sein. An Video- und Hörstationen erzählen Fans und Bandmitglieder von skeptischen Blicken, die sie für ihren Kleidungsstil erhielten, von den Überwachungen von Konzerten durch die Staatssicherheit bis hin zu gewalttätigen Ausschreitungen, aber auch vom familiären Gemeinschaftsgefühl in der Szene. Betrachtet wird außerdem, wie sich in der DDR die Metal-Subkultur immer weiter aus der Nische heraus entwickelte, verbunden mit einem zunehmenden Erfolg von Bands wie Formel 1 und von Radiosendungen wie „Tendenz Hard bis Heavy“, die ab 1987 beim Jugendsender DT64 lief. Schließlich fragt die Ausstellung auch, was mit der Szene nach der deutschen Wiedervereinigung passierte, was vom Heavy Metal in der DDR in den 1990er und 2000er Jahren noch blieb und wie sich die Metal-Szene bis heute gewandelt hat.


Unpolitisch und trotzdem suspekt

Auch wenn die Metal-Fans in der DDR Szene-typisch mit langen Haaren, selbst gestalteten Kutten und Nieten-Accessoires relativ unangepasst aussahen – zumindest politisch legten die Mitglieder es nicht darauf an, mit dem SED-Staat anzuecken. Anders als Punks oder Skinheads galten Ost-Metaler nicht als systemkritisch sondern zeigten sich überwiegend unpolitisch. Man fand sich quasi mit dem Regime ab und wollte vor allem im Privatleben möglichst viele Freiheiten, um zusammen Musik zu hören oder Konzerte zu veranstalten. Trotz dieser unpolitischen Haltung der Szene wurde das ungewöhnliche Aussehen der Metal-Fans in der DDR skeptisch betrachtet. Auch die Orientierung auf „Musik aus dem Westen“ war nicht gerne gesehen. Deshalb wurden Metal-Veranstaltungen zunächst nicht viele Freiheiten eingeräumt und teils auch Repressalien auf die Fans anwandt. Treffen und Konzerte wurden wie selbstverständlich von der Stasi überwacht, was allerdings von einigen Anhängern der Szene auch ohne Protest akzeptiert wurde.

Um „negativ denkende Jugendliche“ in der DDR zu erfassen, erstellte die Stasi sogar eine Übersicht zu den verschiedenen Subkulturen, die es auch im Osten Deutschlands gab. Die Übersicht ist von Stereotypen und Vorurteilen geprägt, hier wurden die sogenannten Ted’s (Fans von 50s Rock’n’Roll), Tramper/Penner Blueser (Fans von 70s Blues), Skin’s (neofaschistisch und gewaltbereit), Gruftie’s („Satans- und Todeskult“-Anhänger die The Cure hören), Punk’s (anarchistisch eingestellt), New Romantik’s (eine Art friedliche Punks) oder Popper (Fans von Disco-Musik) voneinander unterschieden. Auch die Heavy’s, also die Metal-Fans, tauchten in der Übersicht der Erscheinungsformen von Jugendkulturen auf. Sie werden beschrieben als „Anhänger der sogenannten Heavy-Metal-Musik (extrem harter Rock)“ im Alter von 15 bis 25 Jahren mit einer „Ähnlichkeit mit westlichen Rockern“. Ihr Kennzeichen ist „schwarze Lederbekleidung, Ledermütze, mit Nieten besetzte Jacken und Hosen, Tragen von schweren Ketten und ähnlichem, normal bis halblanges Haar“. Hinsichtlich der politischen Einstellung attestierte die Stasi zunächst eine ursprünglich ablehnende Haltung zu Staat und Gesellschaft „nach westlichem Vorbild“, stellte aber auch eine zunehmende Integrierung in Organisationsformen der DDR-Jugendorganisation FDJ „mit gesellschaftsgemäßen Verhaltensweisen“ fest.


Style und Musik nach westlichen Vorbildern

Das Leben vieler Jugendlicher in der DDR war geprägt vom Alltag im Sozialismus, zu dem auch die Mitgliedschaft in der Jugendorganisation FDJ gehörte, aber gleichzeitig auch der Sehnsucht nach westlicher Popkultur. Fan einer bestimmten Musikrichtung zu sein und einen entsprechenden Kleidungsstil zu tragen, stellte dabei viele vor große Herausforderungen. Auch Metal-Fans hatten das Problem, dass sie weder Platten oder Kassetten ihrer Lieblingsbands noch deren Poster oder Merchandise in der DDR kaufen konnten. Entweder man hatte Kontakte in den Westen und konnte sich die begehrten Dinge mitbringen lassen, oder man musste kreativ werden. Die Ausstellung zeigt hier Metal-Kutten und Nieten-Armbänder, die von DDR-Fans selbst angefertigt wurden. Um den Look perfekt zu machen, wurden auch enge Hosten selbst genäht oder Eisenbahnermützen als Ledermützen getragen. Inspiration holte man sich bei den Metal-Bands, die ab 1984 auch im West-Fernsehen zu sehen waren.

Auch wenn es um Musik ging, war Eigeninitiative gefragt: Mit dem Kassettenrecorder nahm man aus dem West-Radio seine Lieblingssongs auf und überspielte Kassetten, um sie unter Fans weiterzugeben. In der DDR erschienen nur wenige Metal-Platten, eine große Ausnahme war „Highway to Hell“ von AC/DC 1981. Für Platten von Venom fuhren einige Fans extra nach Polen; Alben von Motörhead konnte man nur über Kontakte in die BRD bekommen. Auch Konzerte von Metal-Bands konnte man zunächst nur im Ausland sehen, etwa 1984 Motörhead in Budapest.

Mit der Zeit gründeten sich jedoch auch in der DDR Metal-Bands, etwa Formel 1, Blackout, Macbeth oder Biest. Die Bands spielten meist Cover-Versionen von Songs ihrer westlichen Idole, da diese in der DDR meist nicht auftreten durften. Wer in der DDR auftreten wollte, benötigte eine Spielerlaubnis. Um diese zu erhalten, mussten Bands vor einer staatlichen Einstufungskommission vorspielen. Erst im März 1990 durften Kreator, Tankard, Sabbat und Coroner in Ost-Berlin auftreten. Im November 1990 spielte sogar die norwegische Black-Metal-Band Mayhem in Leipzig.


Die Metal-Szene im Osten nach 1990

Nach einem kurzen Aufschwung nach der deutschen Wiedervereinigung, die zum Beispiel auch das Erscheinen ostdeutscher Heavy-Metal-Fanmagazine mit sich brachte, schien die Metal-Szene im Osten auseinander zu brechen; die meisten DDR-Bands lösten sich auf und Spielstätten wurden geschlossen. Gleichzeitig zeigte sich immer mehr rechtsextreme Gewalt in der Metal-Szene, wobei einige zu Tätern und andere zu Opfern wurden. Mit zu den bekanntesten Fällen zählt der Tod des Angolaners Amadeu Antonio Kiowa 1990 in Eberswalde. Die Täter stammten zum Teil aus der Metal-Szene. Die Ausstellung geht auch auf den Tod von Mike „Zander“ Zerna ein. Der Metal-Fan starb 1993, nachdem er von Neonazis in Hoyerswerda nach einem Konzert überfallen wurde.

Erst in den 2000er Jahren erneuerte sich die Metal-Szene im Osten, zunehmend gründeten sich hier große Metal-Festivals. Zum Abschluss lässt die Ausstellung hier auch noch einmal die beteiligten Zeitzeugen zu Wort kommen, die darüber reflektieren, was Metal seit ihrer Jugend in der DDR bis heute für sie bedeutet. An einer Pinnwand können Ausstellungsbesucher ihre eigenen Statements hinterlassen und lesen, was andere hier platziert haben, zum Beispiel: „Heavy Metal ist für mich Teil meiner Jugend. Nie wieder hatte ich so einen Muskelkater im Nacken wie nach einem Konzert!“


Heavy Metal in der DDR

19.3.2024-09.02.2025
Museum in der Kulturbrauerei, Berlin


Header-Bild: Angelika Schoder – Ausstellung: Heavy Metal in der DDR, Berlin 2024


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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