[Debatte] Die Museumslandschaft hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Während früher große Teile der Museumsarbeit durch fest angestellte Mitarbeitende abgedeckt wurden, ist heute die Zusammenarbeit mit freiberuflichen Fachkräften zur Normalität geworden. Diese Entwicklung bringt Chancen, aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich, insbesondere für die Freiberuflichen selbst, die oft unter prekären Bedingungen arbeiten. Doch wie können Museen ihre Arbeitsbeziehungen zu Freelancern nachhaltig und fair gestalten?
Kritik, die nicht abreißt
Auf der Social-Media-Plattform LinkedIn gehen immer wieder Postings im Kultur-Umfeld viral, die die prekären Arbeitsbedingungen der Freelancer im Museum kritisieren. So griff im Sommer zum Beispiel der Schweizer Kulturmanager Jonas Nyffeler das Thema auf: In seinem Fall ging es um die Kuration einer Ausstellung; der Auftraggeber hatte sich 50 CHF Honorar pro Stunde vorgestellt. Wie man davon Steuern, Versicherungen etc. zahlen soll und was dann noch als Einnahme übrig bleibt, darüber machen sich viele Institutionen im Hinblick auf beauftragte Freelancer wenig Gedanken. Nyffelers Appell: Die Auftraggebenden sollten ihre Projekte finanziell realistisch planen, die Projektgröße muss sich also dem Budget anpassen. Wer wenig Budget hat, kann dann eben auch nur wenig Leistung vergeben. Zudem sollten Kulturinstitutionen verantwortungsvoll handeln und ihre Mitarbeitenden, auch wenn es Externe sind, nicht zu ausbeuterischen Konditionen beschäftigen. Und schließlich sollten sich natürlich auch Freelancer selbst nicht unter Wert verkaufen. Die Kommentare unter Nyffelers Beitrag sind auch lesenswert, hier berichten viele Akteure aus dem Kultur- und Museumsbereich von negativen Erfahrungen.
Ein anderes Beispiel ist das Posting von Kathleen Löwe vor einigen Tagen. Die promovierte Kunsthistorikerin aus Oldenburg berichtet bei LinkedIn, dass sie 40 Euro für eine Führung erhält, natürlich brutto. Davon muss sie nicht nur ihre Anfahrt und Vorbereitungszeit bezahlen, sondern auch alle anderen bürokratischen Ausgaben. Die Vergütung von 40 Euro wäre nett für ein Hobby, es funktioniert aber nicht als Gehalt für einen Beruf. Dennoch ist das oft die Realität für Menschen in der Kunst- und Kulturvermittlung, wie die über 100 lesenswerten Kommentaren unter dem Beitrag zeigen.
Freelancer sind im Museum gern gesehen
Aus dem heutigen Museumsbetrieb sind Freelancer in sehr vielen Institutionen nicht mehr wegzudenken. Von der Konzeption und Durchführung von Sonderausstellungen über Bildungs- und Vermittlungsarbeit bis hin zu digitalen Projekten und Öffentlichkeitsarbeit – freie Mitarbeitende übernehmen vielfältige Kernaufgaben und bilden das Rückgrat diverser Angebote.
Diese Abhängigkeit von Freelancern ist nicht zufällig entstanden, sondern verweist auf strukturelle Veränderungen im Kulturbetrieb: knappere Budgets, gestiegene Anforderungen an Programmvielfalt und -qualität sowie der Wunsch nach flexiblen Arbeitsstrukturen sind dafür verantwortlich, dass feste Stellen immer weiter zurückgehen und zunehmend befristete Stellen oder sogar nur freiberufliche Zusammenarbeiten möglich sind. Gleichzeitig hat die Professionalisierung der Museumswissenschaft in den letzten Jahren eine Generation hochqualifizierter Fachkräfte hervorgebracht, die oft nur über den Weg der freiberuflichen Tätigkeit Zugang zum Arbeitsmarkt finden oder nach dem Auslaufen eines Volontariats oder einer befristeten Beschäftigung in die Freiberuflichkeit gedrängt werden.
Natürlich entscheiden sich einige Kultur-Fachkräfte auch ganz bewusst für die Selbständigkeit, aus diversen Gründen. Das trifft zum Beispiel auf die beiden Kunstvermittlerinnen Anjelika Spöth und Karina Chernenko von KUNST+kaviar zu. Bei Instagram schrieben sie vor wenigen Tagen: „Selbstständigkeit […] bedeutet für uns nicht nur Risiko, sondern auch Selbstbestimmung. Wir sagen Nein zu Anfragen, die sich nicht gut anfühlen oder bei denen unsere Arbeit nicht geschätzt wird.“ Viele andere würden dennoch eine Festanstellung mit beruflicher Perspektive und Planungssicherheit der Tätigkeit als Freelancer im Museum vorziehen, auch wenn das weniger Selbstbestimmung bedeutet.
Flexibilität, die vor allem den Museen nützt
Die Vorteile der Arbeit mit freiberuflichen Fachkräften sind für Museen vielfältig: Die projektbezogene Zusammenarbeit ermöglicht eine hohe Flexibilität in der Personalplanung, denn Museen können so spezifische Expertise für einzelne Vorhaben einkaufen, ohne langfristige Personalkosten zu übernehmen. Dies ist besonders wertvoll bei Sonderausstellungen oder bei Projekten, die spezialisiertes Wissen erfordern, das im eigenen Team nicht vorhanden ist. Freelancer bringen zudem oft neue Perspektiven und aktuelle Kenntnisse aus anderen Institutionen oder Disziplinen mit und können als Katalysatoren für Innovation fungieren und etablierte Arbeitsweisen hinterfragen. Ihre Erfahrung aus verschiedenen Kontexten bereichert die Museumsarbeit und kann zu kreativen Lösungsansätzen führen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bietet die Zusammenarbeit mit Freelancern zudem Planungssicherheit bei unsicheren Finanzierungen. Projektmittel können direkt und zeitlich begrenzt in Personal investiert werden, ohne dass langfristige Verpflichtungen entstehen. Dies ist besonders relevant für Museen, die stark von Drittmitteln abhängig sind – es wird aber auch gerne von Museen genutzt, die eigentlich höhere Planungssicherheit in ihrem Budget hätten.
Denn insbesondere öffentliche Museen unterliegen oft strengen Stellenplänen und langwierigen Einstellungsverfahren. Die Schaffung neuer Dauerstellen ist häufig politisch schwer durchsetzbar und administrativ aufwendig. Freelancer-Verträge können dagegen schneller und unbürokratischer abgeschlossen werden. Zudem ermöglicht die projektbezogene Arbeitsweise eine bessere Anpassung an die unregelmäßigen Arbeitszyklen vieler Museen. Während der Vorbereitungsphase einer Ausstellung oder eines digitalen Projekts kann intensiv mit einem großen Team gearbeitet werden, in ruhigeren Phasen wird das Team entsprechend reduziert. Diese Flexibilität ist bei fest angestelltem Personal nur schwer zu erreichen. Und nicht zuletzt spielen auch budgetäre Überlegungen eine Rolle. Freelancer-Honorare erscheinen auf den ersten Blick günstiger als feste Gehälter, bei denen diverse Abgaben hinzukommen. Diese Rechnung geht allerdings nur auf, wenn die versteckten Kosten prekärer Beschäftigung ignoriert werden.
Freie Mitarbeit ist oft prekär
Die Kehrseite der flexiblen Freelancer-Ökonomie ist die Entstehung prekärer Arbeitsbedingungen. Viele freiberuflich tätige Fachkräfte im Museumsbereich arbeiten unter Bedingungen, die weit von existenzsichernder Beschäftigung entfernt sind. Niedrige Honorare, unregelmäßige Aufträge und fehlende soziale Absicherung prägen den Alltag vieler Freelancer im Museum. Ein zentrales Problem ist die unzureichende Honorierung. Oft werden Stundensätze gezahlt, die deutlich unter dem liegen, was für eine selbstständige Tätigkeit notwendig wäre. Dabei werden häufig nur die direkt sichtbaren Arbeitszeiten vergütet, während Vor- und Nachbereitung, Anfahrtskosten sowie administrative Tätigkeiten unentgeltlich bleiben. Die Folge ist ein Stundenlohn, der oft unter dem Mindestlohn liegt – wohlgemerkt für Fachkräfte mit akademischen Abschlüssen und oft mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung.
Die geringe Vergütung wird durch die fehlende Planungssicherheit verschlimmert. Viele Freelancer wissen nicht, ob und wann der nächste Auftrag kommt oder wie lange die aktuelle Buchungslage in dem Umfang fortgeführt wird. Diese Unsicherheit macht langfristige Lebensplanung schwierig und kann zu einer enormen psychischen Belastung werden. Zudem sind die sozialen Sicherungssysteme auf diese Arbeitsrealität schlecht eingestellt. Freelancer müssen sich selbst kranken- und rentenversichern, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und müssen für berufliche Auszeiten und Weiterbildung selbst aufkommen. Dies führt zu einer systematischen Benachteiligung gegenüber fest angestellten Mitarbeitenden im Museumsbereich.
Nachhaltiger Umgang mit Mitarbeitenden
Das aktuelle Freelancer-System im Kulturbereich funktioniert auch deshalb, weil zu viele Fachkräfte noch immer bereit sind, unter prekären Bedingungen zu arbeiten, ob aus Leidenschaft für die Sache oder aus Mangel an Alternativen. Diese Bereitschaft wird von vielen Museen systematisch ausgenutzt, ob unfreiwillig oder aus Überzeugung. Obwohl immer mehr Museen sich der Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards verschreiben, haben sie die Beschäftigungssituation ihrer externen, teils aber auch ihrer internen Mitarbeitenden dabei nicht immer im Blick. Dabei muss nachhaltige Museumsarbeit auch auf fairen Arbeitsbedingungen basieren.
Der erste Schritt muss eine angemessene Entlohnung sein. Museen sollten Honorarsätze kalkulieren, die alle Aspekte selbstständiger Arbeit berücksichtigen: neben der direkten Arbeitszeit sind das auch die Vor- und Nachbereitungszeit, organisatorische Zusatzkosten wie Fahrtkosten und ggf. Ausstattung und soziale Absicherung. Darüber hinaus sollte auch die Planbarkeit der Zusammenarbeit verbessert werden, indem mit Freelancern zum Beispiel langfristige Rahmenverträge geschlossen werden oder indem regelmäßige Kooperationen vereinbart werden. Auch die frühzeitige und transparente Kommunikation über geplante Projekte hilft Freelancern bei der eigenen Planung.
Daneben geht es auch um die Schaffung eines professionellen Arbeitsumfelds: Freelancer sollten wertschätzend als gleichberechtigte Teammitglieder behandelt werden. Dazu gehört die Bereitstellung von Arbeitsorten für Recherchen oder Vorbereitungen, der Zugang zu Ressourcen wie WLAN und die Einbindung in relevante Entscheidungsprozesse. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten sollten Freelancern offen stehen. Hilfreich wäre es zudem, wenn Museen Aufgaben aus zentralen Kernbereichen von Mitarbeitenden in Festanstellung abdecken lassen, da bestimmte Haftungsrisiken nicht bei Freelancer liegen sollten.
Grundsätzlich sollten Museen und andere Kulturinstitutionen ihre gesellschaftliche Verantwortung als nachhaltige Arbeitgeber ernst nehmen und faire Arbeitsbedingungen als Teil ihres Auftrags verstehen. Das gilt nicht nur für fest Angestellte, die in einigen Institutionen selbst in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen, sondern auch für freie Mitarbeitende, die bei der Forderung nach gerechter Entlohnung und einem zumutbaren Arbeitspensum oft vergessen werden.
Was sollten Freelancer im Museum verdienen?
Das Problem ist, dass Honorare von Selbstständigen in der Kunst- und Kulturvermittlung nicht auf gesetzlichen oder tariflichen Vorgaben beruhen, sondern durch individuelle Vereinbarungen festgelegt werden. Um faire Rahmenbedingungen zu schaffen, veröffentlicht der Deutsche Verband für Kunstgeschichte Empfehlungen, die als Richtschnur dienen und grundlegende Mindeststandards sichern sollen.
Gerechte Bezahlung soll im Kulturbereich so zur Selbstverständlichkeit werden. Die Übersicht dient darüber hinaus auch als Appell an alle Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, solidarisch zu handeln und gemeinsam prekäre Arbeitsbedingungen zu verhindern, für Angestellte wie für Selbstständige.
Header-Bild: Angelika Schoder – Alte Nationalgalerie, Berlin 2025
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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