Starve Acre
UK, 2023 | Regie: Daniel Kokotajlo
Der Film spielt in den 1970er-Jahren in den abgelegenen Moorlandschaften des englischen Yorkshire. Im Zentrum stehen Richard (Matt Smith) und seine Frau Juliette (Morfydd Clark), die mit ihrem Sohn Owen auf den alten Familiensitz von Richard ziehen. Eigentlich hoffen sie, dass die ländliche Ruhe ihrem Kind guttut, doch bald entwickelt Owen ein aggressives und zunehmend beunruhigendes Verhalten. Der Junge behauptet, Stimmen zu hören und spricht von einem geheimnisvollen „Jack Grey“ bzw. „Dandelion Jack“. Richard, ein Archäologe, sucht nach rationalen Erklärungen, er vermutet Einflüsse aus alten Geschichten, die der Nachbar erzählt hat. Als eine Tragödie geschieht, stürzt das Paar in Trauer und Schuldgefühle. Während Juliette in eine Depression verfällt, wendet sich Richard seiner Forschung zu und beginnt auf dem Grundstück zu graben. Dabei stößt er auf Relikte einer alte Eiche und auf Hinweise zu blutigen Ritualen, die von einem heidnischen Aberglauben zeugen.
Der Horror in „Starve Acre“ entwickelt sich langsam und atmosphärisch. Mit jeder Entdeckung verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Mythos stärker. Die Moorlandschaft und die familiäre Vergangenheit scheinen von einem uralten Glauben beeinflusst zu sein, der Richard und Juliette langsam verschlingt.
- Buchtipp: Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Andrew Michael Hurley aus dem Jahr 2019.
You are not my Mother
Irland, 2021 | Regie: Kate Dolan
Der irische Film erzählt die Geschichte der Teenagerin Char (Hazel Doupe), die mit ihrer Mutter Angela (Carolyn Bracken) und ihrer Großmutter in einem Vorort von Dublin lebt. Char hat es nicht leicht, in der Schule wird sie gemobbt und zu Hause leidet sie unter der Depression ihrer Mutter, die oft tagelang kaum das Bett verlässt. Eines Tages verschwindet Chars Mutter plötzlich spurlos. Nach kurzer Zeit taucht diese wieder auf, dich sie wirkt völlig verändert. Sie ist plötzlich voller Energie und verhält sich ungewohnt ausgelassen. Zunächst empfindet Char die neue Seite ihrer Mutter als Erleichterung, doch bald wird ihr Verhalten unberechenbar und bedrohlich. Char spürt, dass dies nicht mehr die Mutter ist, die sie kennt. Ihre Großmutter, die sich mit irischer Mythologie auskennt und von einem dramatischen Vorfall aus Chars Kindheit berichtet, ahnt, dass hier mehr im Spiel ist als nur eine psychische Krankheit.
Im Mittelpunkt des Films steht die Legende der Changelings. Nach diesem Volksglauben tauschten Feen meist Kinder gegen Doppelgänger aus, die fremd und gefährlich sind. Der Film mischt diesen Aberglauben geschickt mit Themen wie Depression, Trauma und familiärer Entfremdung. „You Are Not My Mother“ ist damit nicht nur ein Horrorfilm, sondern auch eine emotionale Familiengeschichte, die zeigt, wie Mythen als Spiegel für moderne Ängste und seelische Krisen dienen können.

The Wicker Man
UK, 1973 | Regie: Robin Hardy
Der Film begleitet den Polizisten Sergeant Neil Howie (Edward Woodward), der von Schottland aus auf die abgelegene Insel Summerisle reist. Grund für seine Reise ist der Brief einer anonymen Dorfbewohnerin, in dem behauptet wird, dass ein junges Mädchen spurlos verschwunden sei. Howie beginnt mit seinen Nachforschungen, doch die Inselbewohner verhalten sich merkwürdig. Niemand will ihn unterstützen und viele behaupten, das gesuchte Mädchen hätte es nie gegeben. Je länger der Polizist bleibt, desto mehr stößt er auf eine Mauer des Schweigens. Bald erkennt er, dass Summerisle von einer völlig anderen Kultur geprägt ist: Die Menschen verehren heidnische Gottheiten, feiern ungewöhnliche Fruchtbarkeits-Rituale und leben in enger Verbindung mit dem Kreislauf der Natur. Angeführt wird die Gemeinschaft von Lord Summerisle (Christopher Lee), der Howie erklärt, dass die Inselbewohner die christliche Religion längst hinter sich gelassen haben und sich stattdessen alten, heidnischen Traditionen verpflichtet fühlen. Dass seine Anwesenheit auf der Insel einen düsteren Grund hat, realisiert der Polizist erst, als es zu spät ist.
Der Titel „The Wicker Man“ verweist auf eine alte Überlieferung, nach der Menschenopfer in großen Weidengeflechten verbrannt worden sein sollen, eine Vorstellung, die eng mit vorchristlich-heidnischen Fruchtbarkeits-Kulten verbunden ist. Vor diesem Hintergrund entfaltet der Film eine beklemmende Atmosphäre, in der christlicher Glaube und ein heidnisches Weltbild aufeinanderprallen.
Der Film gilt als absoluter Kultfilm im doppelten Wortsinn und wurde zum Vorbild für viele weitere Folk-Horror Filme. Unter dem Titel „Wicker Man – Ritual des Bösen“ (engl. „The Wicker Man“) erschien 2006 ein Remake mit Nicolas Cage in der Hauptrolle. Das Remake ist allerdings kein Vergleich zum Original.
The Third Day
UK/USA, 2020 | Stoffentwicklung: Felix Barrett, Dennis Kelly
Bei „The Third Day“ handelt es sich nicht um einen Folk-Horror Film, sondern um eine Mini-Serie von HBO und Sky mit sechs Folgen. Jeweils drei Folgen und eine Live-Inszenierung bilden dabei eigene „Kapitel“ in der Erzählung, die am Ende wie eine Film-Trilogie funktioniert. Die drei Teile umfassen die Jahreszeiten Sommer, Herbst und Winter, wobei jede der sechs Folgen nach einem Wochentag benannt ist und nach einem Familienmitglied. Die Handlung spielt auf der abgelegenen Insel Osea, die nur bei Ebbe über einen schmalen Damm erreichbar ist, und verbindet ein modernes Familiendrama mit surrealen Horror-Elementen und lokaler Mythologie.
Im ersten Teil „Summer“ steht Sam (Jude Law) im Mittelpunkt, ein Mann, der von tiefer Trauer gezeichnet ist. Vor Jahren hat er sein Kind verloren und der Schmerz verfolgt ihn noch immer. Als er eines Tages ein Mädchen davon abhält, sich das Leben zu nehmen, begleitet er es auf die Insel Osea. Zunächst wirkt die abgeschottete Insel wie eine friedliche Gemeinschaft, doch Sam bemerkt schnell, dass etwas nicht stimmt. Die Bewohner wirken gleichzeitig freundlich und abweisend, folgen uralten Bräuchen und feiern der Natur gewidmete Opferfeste. Sam fühlt sich zunehmend von den Ritualen der Insel angezogen, während er mit seiner eigenen Vergangenheit kämpft.
Der zweite Teil „Autumn“ wurde als experimentelles 12-stündiges Live-Event am 3. Oktober 2020 bei YouTube gezeigt. Hier konnten die Zuschauer die heidnischen Rituale der Inselbewohner in Echtzeit verfolgen. Beim „Esus and the Sea“ Festival ließen Prozessionen über die Insel, Masken, Feuer und Gesänge die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Eine Gastrolle übernahm hier die Musikerin Florence Welch von der Band Florence + the Machine.
Im dritten Teil „Winter“ rückt Helen (Naomie Harris) in den Mittelpunkt. Sie reist mit ihren beiden Töchtern nach Osea, weil sie dort ein paar ruhige Tage verbringen will. Doch schnell merkt auch sie, dass die Insel düstere Geheimnisse bereithält. Helen muss sich nicht nur mit den seltsamen Bewohnern auseinandersetzen, sondern auch mit ihren eigenen Ängsten und den Bedrohungen, die von den alten Ritualen ausgehen.
Die Mythologie von „The Third Day“ bezieht sich auf keltisch-heidnische Naturkulte, zentral sind dabei Rituale rund um Ernte, Fruchtbarkeit und Opfer, die eng mit dem Wechsel der Jahreszeiten verbunden sind. Die Inselbewohner verehren die Natur als göttliche Kraft und glauben, dass nur durch Opfergaben das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur gewahrt werden kann. So erschafft die Serie eine beklemmende Mischung aus Trauer, Hoffnung und alten Mythen, die Realität und Visionen verschwimmen lassen und die Besucher der Insel immer mehr von der modernen Welt entfremden.

Requiem
UK, 2018 | Stoffentwicklung: Kris Mrksa
Auch „Requiem“ ist kein Film, sondern eine Miniserie. Im Zentrum steht die Cellistin Matilda Gray (Lydia Wilson), deren Mutter plötzlich verstirbt. In ihrem nachlass findet Matilda einen geheimnisvollen Karton voller Zeitungsausschnitte und Fotos, die sich alle auf das Verschwinden eines kleinen Mädchens aus einem walisischen Dorf vor über 20 Jahren beziehen. Matilda reist daraufhin zusammen mit ihrem Freund Hal (Joel Fry) nach Wales, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Im Dorf stößt das Paar auf Ablehnung, viele Bewohner wollen die alte Tragödie ruhen lassen. Doch Matilda ist überzeugt, dass ihre eigene Herkunft mit dem verschwundenen Kind zusammenhängt. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf Geheimnisse, alte Familienfehden und immer wieder auf seltsame, übernatürliche Erscheinungen. Gleichzeitig beginnt sie selbst, beunruhigende Veränderungen zu spüren.
Die Serie greift walisische Legenden, christlichen Aberglauben und Themen des Okkultismus auf, wobei es auch um Dämonen geht, die durch Rituale heraufbeschworen oder in Menschen eingeschlossen werden können. Die Dorfgemeinschaft ist eng mit diesen alten Bräuchen verknüpft und immer wieder tauchen Symbole und Zeremonien auf, die an keltisch-heidnische Traditionen erinnern. Es geht um Familie, Identität und die Angst davor, dass unsere Vergangenheit uns auf unheimliche Weise einholen könnte.
Midsommar
USA/Schweden, 2019 | Regie: Ari Aster
In „Midsommar“ wird die Geschichte der Studentin Dani (Florence Pugh) erzählt, die nach einem schweren familiären Schicksalsschlag mit ihrer Trauer kämpft. Ihre Beziehung zu ihrem Freund Christian (Jack Reynor) steht vor dem Ende, doch sie begleitet ihn und seine Freunde trotzdem auf eine Reise nach Schweden. Eingeladen werden sie von Pelle (Vilhelm Blomgren), einem schwedischen Kommilitonen, der die Gruppe in sein Heimatdorf einlädt. Das Dorf liegt abgeschieden und die Menschen leben dort nach uralten Traditionen. Die Besucher sollen am Midsommar-Fest teilnehmen, das nur alle 90 Jahre in dieser Form gefeiert wird. Anfangs wirken die Bewohner gastfreundlich, es gibt Tänze um den Maibaum und gemeinsame Festessen.
Je länger Dani und die anderen bleiben, desto deutlicher spüren sie aber, dass sich hinter der Idylle eine unheimliche, fanatische Gemeinschaft verbirgt, deren Regeln und Rituale gnadenlos eingehalten werden. Für Dani wird die Zeit im Dorf zur persönlichen Nervenprobe, zwischen Trauer, Entfremdung von ihrem Partner und der wachsenden Faszination für die fremde Kultur, die an nordische und heidnische Volkskultur erinnert, die allerdings im Film mit fiktiven Ritualen erweitert wird.

Apostle
UK/USA, 2018 | Regie: Gareth Evans
Der Film „Apostle“ spielt im Jahr 1905 und folgt Thomas Richardson (Dan Stevens), der sich auf die Suche nach seiner Schwester begibt, die von einer geheimnisvollen Sekte entführt wurde. Die Spur führt ihn auf eine walisische Insel, die von einer abgeschotteten Gemeinschaft bewohnt wird. Angeführt wird diese Sekte von Malcolm Howe (Michael Sheen), der als Prophet betrachtet wird. Malcolm hat seine Gefolgsleute davon überzeugt, dass die Insel durch den Schutz einer Naturgottheit fruchtbar bleibt und dass nur absolute Hingabe die Gemeinschaft am Leben erhalten kann. Um unerkannt zu bleiben, mischt sich Thomas unter die Gläubigen und gibt sich als einer von ihnen aus. Schon bald erkennt er jedoch, dass sich hinter der frommen Fassade dunkle Geheimnisse verbergen, geprägt von Gewalt und Blutopfern. Bei dem Versuch seine Schwester aus den Fängen der Sekte zu befreien, entdeckt Thomas das Geheimnis der Insel und wird mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert, die einen nicht weniger brutalen religiösen Hintergrund hat.
Im Film werden christliche Themen wie Propheten, das Konzept der Sünde und das Versprechen von Erlösung den archaischen Ritualen und einem paganistischen Naturkult gegenübergestellt. Es geht um Macht, Glauben und Abhängigkeit und den Versuch, sich aus diesen Strukturen zu lösen.
Men – Was dich sucht, wird dich finden
Men, UK/USA, 2022 | Regie: Alex Garland
Der Film erzählt die Geschichte der Londonerin Harper Marlowe (Jessie Buckley), die nach dem Tod ihres Ehemannes Abstand von der Stadt sucht und deshalb ein altes Landhaus in einem abgelegenen englischen Dorf mietet. Der schrullige Vermieter empfängt sie freundlich, doch schon bald merkt Harper, dass die idyllischen Landschaft eher unheimlich ist. Während ihrer Spaziergänge durch den Wald und das Dorf begegnet sie immer wieder Männern (alle dargestellt von Rory Kinnear), die sich ihr gegenüber auf die eine oder andere Art bedrohlich verhalten, vom Pfarrer über den Polizisten bis hin zu einem nackten Fremden, der sie verfolgt. Diese Doppelgänger wirken gleichzeitig absurd und bedrohlich und lassen Harper zunehmend an ihrer Wahrnehmung zweifeln. Die Männer begegnen ihr mit Misstrauen, Spott oder aggressiver Ablehnung, was ihre Isolation verstärkt.
Die Handlung entfaltet sich als Mischung aus psychologischem Drama und surrealem Horror. Harpers Trauer, Schuldgefühle und ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung prallen auf die seltsame, feindselige Dorfgemeinschaft. Dabei wird die Natur immer mehr zu einem Spiegel ihrer Ängste, vom Wald und einem Tunnel durch den sie verfolgt wird, bis hin zu einer alten Kirche mit heidnischen Symbolen der Fruchtbarkeit. Immer wieder tauchen Bilder des Green Man auf, einer Figur die seit der Zeit der Kelten zum englischen Volksglauben gehört und die Wachstum, Natur und Erneuerung verkörpert. Vor diesem Hintergrund geht es um Tod, Geburt und zyklische Wiederholung – und um die Konfrontation einer Frau mit tief verwurzelten patriarchalen Strukturen.
Header-Bild: Angelika Schoder – Adam und Eva auf der Kanzel der Schifferkirche (1573), Arnis 2023
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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